Kinding
Wie daheim bei Oma

30.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:51 Uhr

Im Schaufenster stehen dekorative und außergewöhnliche Gegenstände wie ein Stehlampen-Holztisch und eine Bierflasche samt Glas. Hund Paule ist auch immer da.

Kein Schlossherr, kein Promi, kein Unternehmer: Zum Abschluss unserer Serie werfen wir einen Blick in ein Büro von Bürgern für Bürger. In Kinding berät der Verein Lebensring über das Thema Pflege - in heimeliger Atmosphäre.

Kinding (DK) Alt werden wollen alle, alt sein will niemand, heißt es. Trotzdem muss sich jeder früher oder später damit auseinandersetzen - und dafür gibt es den Lebensring in Kinding (Kreis Eichstätt). Der Förderverein betreibt eine Wohngemeinschaft für Demenzkranke. Und zusätzlich bietet er Sprechstunden für alle an, die sich über das Thema Pflege informieren möchten, berät Betroffene, Angehörige und Betreuende - in Räumlichkeiten, die wie aus der Zeit gefallen scheinen. Demenzkranke, die oft in der Vergangenheit leben, sollen sich hier wohlfühlen.

In den Sprechstunden kann alles denkbar Mögliche zu Wort kommen. "Wie bekommt man eine Pflegestufe, wie versteht man Demenzkranke, wie entwickelt sich eine Krankheit, welche Möglichkeiten an Heimen, Tagesbetreuung oder Kurzzeitpflege gibt es", zählt Geschäftsführerin Brita Wellnitz Fragen auf. "Die Leute können hier aber auch einfach ihr Herz ausschütten." In jedem Fall dreht es sich bei allen Angelegenheiten, die hier besprochen werden, immer um das Thema Alter. Und alt sieht es im Büro im wahrsten Sinne des Wortes auch aus - mit voller Absicht.

Brita Wellnitz und ihr Mann Jörg haben in liebevoller Detailarbeit einen Ort geschaffen, an dem so rein gar nichts an ein Büro erinnert. Und auch nicht an das Thema Pflege. Hier stapeln sich keine Akten, die Möbel sind nicht aus Pressspan, es klingelt auch nicht ständig das Telefon - einzig der Computer auf dem schweren Holzschreibtisch lässt erahnen, dass hier gearbeitet wird.

Zuallererst staunt man über das charmante Ambiente, das einen an Omas oder Opas Esszimmer erinnert. Eine massive hölzerne Vitrine dominiert den Raum, darin liegen Kinderbücher und kleine Deko-Artikel wie ein alter Tintenlöscher oder ein schwerer Aschenbecher. Direkt davor, auf einem Teppich und mit einer feinen weißen Spitzendecke verziert, steht der Esstisch, der als Besprechungstisch genutzt wird. Die vier Stühle sehen allesamt unterschiedlich aus - einer ist eher der Typ Gartenstuhl, einer ist aus Holz, einer ist mit Leder bezogen und der vierte modern. "Wir haben improvisiert", erzählt Brita Wellnitz. Die Einrichtung hat der Verein zum Teil geschenkt bekommen, zum Teil war die Geschäftsführerin auf Flohmärkten unterwegs und hat Annoncen in der Zeitung durchstöbert. "Das hat natürlich total viel Spaß gemacht."

"Wenn Angehörige mit Betroffenen hier zu uns kommen, dann sollen sich die älteren Leute heimisch fühlen", erklärt ihr Mann Jörg Wellnitz. "Die Hemmschwelle, sich mit dem Thema Alter zu beschäftigen oder zuzugeben, dass man die eigenen Eltern nicht mehr selbst pflegen kann, ist relativ hoch. Wir wollten hier bewusst ein Wohlfühlklima erzeugen."

Kommt man vom Kindinger Marktplatz in Richtung des Vereinsdomizils, sticht von außen das Schaufenster ins Auge - auf den ersten Blick könnten Besucher es fast für einen Antiquitätenladen halten. Eine altmodische Stehlampe ist der absolute Hingucker - das Besondere an ihr ist, dass sie fest an einem Holztischchen montiert ist. Ein kleiner Polstersessel, Plüschbärchen, alte Salz- und Pfefferstreuer, Strickgarn und Nadeln - es ist ein buntes Sammelsurium. Sogar ein alter Schulranzen aus Leder liegt in einer Ecke. Augenscheinlich hat der einmal einem Buben gehört, die Umrisse eines Autos sind in das Leder gestempelt.

Damit nicht gleich von draußen sichtbar ist, was innen vor sich geht, trennt ein weißer Fadenvorhang das Schaufenster vom Büroraum. Hier passt wirklich alles zusammen. Passend dazu hängen an den Wänden Blumenmotive in alten, reich verzierte nBilderrahmen.

"Wir identifizieren uns mit den Problemen und Herausforderungen der Betroffenen", sagt Brita Wellnitz. "Das wollten wir ganz bewusst durch die Einrichtung deutlich machen."