Regensburg
Junge Tschechen studieren "Bayern-Wissenschaft"

An der Westböhmischen Universität Pilsen entsteht mit Unterstützung aus Regensburg ein weltweit einmaliger Studiengang

26.09.2019 | Stand 23.09.2023, 8:44 Uhr

Regensburg (DK) Anglistik, Germanistik, Slawistik - sprach- und kulturwissenschaftliche Studiengänge gibt es in Deutschland und Bayern zuhauf.

Jetzt kommt ein neuer dazu: Bayristik nennt sich das Fach, das Interessierte ab dem kommenden Windersemester studieren können. Wenn auch nicht in Bayern selbst. Sondern an der rund 13000 Studenten zählenden Westböhmischen Universität im tschechischen Pilsen.

Dort startet jetzt ein Masterstudiengang, der sich ausschließlich mit Bayern befasst. Das gab es noch nie. Bisher gibt es an bayerischen Universitäten lediglich Lehrstühle für bayerische Landesgeschichte, aber das ist natürlich nur ein Aspekt. Außerdem wurden die Angebot zuletzt arg zusammengestrichen.

Die Resonanz auf das neuartige Bayristik-Angebot ist jedenfalls groß. 17 Studenten haben sich nach Angaben der zuständigen Professorin Andrea Königsmarková eingeschrieben. Mehr als 30 junge Leute hatten sich beworben. Um Seminare und Exkursionen optimal durchführen zu können, musste ausgewählt werden - nach der Qualität des vorher obligatorischen Bachelorabschlusses und mittels eines Aufnahmetests. In Tschechien startet das Semester früher als in Bayern, Vorlesungsbeginn ist deshalb bereits in dieser Woche.

Das Bayristik-Studium, auch Interdisciplinary Bayern Studies genannt, dauert vier Semester und schließt mit einem Master ab. Für tschechische Studenten - bisher sind alle Teilnehmer Einheimische - ist es kostenlos. Ausländische Studenten müssten aber bezahlen, etwa 9600 Kronen pro Studienjahr (rund 370 Euro). Der Inhalt der Lehrveranstaltungen ist nach Angaben der Professorin sehr breit gefächert: "Wir bieten Vorlesungen und Seminare in Geschichte, Kunst, Geografie, Sprache, Verwaltung, Rechtswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre. " Neben einer Exkursion in die bayerisch-böhmische Grenzregion sehen die Module auch ein mindestens sechswöchiges Praktikum bei einer bayerischen Behörde, einer Kultureinrichtung oder einem Unternehmen im Freistaat vor. Der überwiegende Anteil der Lehrveranstaltungen, so Andrea Königsmarková, wird in Deutsch abgehalten. "Die Studenten müssen deshalb auch über ein Sprachlevel der ziemlich hohen Kategorie C1 verfügen. "

Mehrere Firmenchefs aus dem Freistaat konnte sie bereits als Gastdozenten gewinnen. Für Tschechien ist Bayern der wichtigste Handelspartner unter den deutschen Bundesländern - mit einem Anteil von 23,6 Prozent. Die meisten Studenten streben auch einen Job in der Wirtschaft an, am liebsten bei der Niederlassung einer deutschen Firma.

Doch warum gibt es so einen Studiengang nicht auch im Freistaat? Ginge es nach Hermann Scheuringer, Professor für Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Regensburg, wäre das längst der Fall. Doch mit seinem Ansinnen stieß er nach eigenem Bekunden in der bayerischen Kultusbürokratie jahrelang auf Desinteresse. "Die Beamten haben gedacht, da soll es dann nur um Trachten und Blasmusik gehen", ärgert sich Scheuringer. Wenigstens konnte sein Lehrstuhl jetzt den Tschechen unterstützend zur Seite stehen - für ihn eine kleine Genugtuung.

Andre Paul