Ingolstadt
"Wir dürfen nicht länger blauäugig sein"

Die stellvertretende CSU-Vorsitzende Dorothee Bär über die Flüchtlingspolitik in Deutschland

03.01.2018 | Stand 02.12.2020, 17:00 Uhr

Ingolstadt (DK) Die CSU-Landesgruppe im Bundestag findet von heute an bis Samstag im Kloster Seeon (Kreis Traunstein) zur alljährlichen Neujahrsklausur zusammen. Wir haben vorab mit Dorothee Bär, der stellvertretenden CSU-Vorsitzenden, Bundestagsabgeordneten und parlamentarischen Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, gesprochen - unter anderem über Asylpolitik sowie den Besuch von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban in Seeon.

Frau Bär, eine härtere Asylpolitik und ein Auftritt von Viktor Orban, der die Aufnahme von Flüchtlingen verweigert: Versucht die CSU durch Abschottung der AfD hinterherzulaufen?

Dorothee Bär: Die CSU läuft niemandem hinterher. Und wir Bayern haben traditionell eine enge Partnerschaft zu Ungarn. Herr Orban selbst hat immer wieder den Dialog gesucht, nur hat er ihn nicht immer gefunden.

 

Der ungarische Regierungschef stemmt sich energisch gegen eine europäische Flüchtlingspolitik.

Bär: Es gab bislang überhaupt keine europäische Flüchtlingspolitik. Die Arbeit mussten die Mitgliedsstaaten alleine machen. Unser Ziel als CSU ist es immer, miteinander zu reden und nicht übereinander. Auch deshalb kommt Herr Orban nach Seeon.

 

Alterstests für junge Flüchtlinge, die Kürzung von Asylleistungen, ein Dauerstopp des Familiennachzugs: Die SPD fühlt sich provoziert. Will die CSU überhaupt mit den Sozialdemokraten regieren?

Bär: Wir müssen wissen, wer zu uns kommt und wie alt die Asylbewerber sind. Wir dürfen nicht länger blauäugig sein. Es gibt viele Menschen, die unser System ausnutzen, sich durch falsche Altersangaben Privilegien erschleichen. Wer das zulässt, untergräbt das Vertrauen in den Rechtsstaat. Wir können keine Rücksicht darauf nehmen, ob sich ein Sozialromantiker in der SPD dadurch gekitzelt fühlt. Es geht darum, was wir für unser Land wollen und ändern müssen. Deswegen gehen wir mit der Forderung nach standardisierten Verfahren für jeden unbegleiteten minderjährigen Flüchtling in die Sondierungen. Wer sein Alter nicht angeben will, muss als Erwachsener behandelt oder zurückgeschickt werden.

 

Sehen Sie angesichts der hohen Hürden überhaupt Chancen für eine Große Koalition?

Bär: Natürlich gibt es die Chance für Schwarz-Rot, jetzt müssen die Eitelkeiten mal hintangestellt werden. Deutschland braucht eine stabile Regierung. Die Frage kann allerdings nicht lauten, wie steht Martin Schulz auf dem SPD-Parteitag da, sondern wie steht Deutschland in den kommenden vier Jahren da. Dafür muss unsere Zuwanderungspolitik auf neue Füße gestellt werden: Neben der Altersbestimmung geht es um schnellere Abschiebungen, um eine Kürzung der Sozialleistungen für Asylbewerber. Sonst ist der soziale Friede in unserem Land in Gefahr.

 

Ein Kernanliegen der SPD ist die Bürgerversicherung. Wird die Union sich hier bewegen?

Bär: Eine Bürgerversicherung würde uns nicht helfen, die Herausforderungen des Gesundheitssystems anzugehen. Die medizinische Versorgung würde insgesamt schlechter. Eine kommunistische Einheitsversicherung wird es mit der CSU nicht geben. Stattdessen müssen wir für eine schnellere Terminvergabe und eine flächendeckende Versorgung mit Landärzten sorgen. Dafür ist eine Bürgerversicherung der falsche Weg.

 

Auf dem CSU-Parteitag im Dezember wurde der Burgfrieden zwischen Horst Seehofer und Markus Söder besiegelt. Jetzt setzt Seehofer Söder mit dem Ziel der absoluten Mehrheit für die Landtagswahl unter Druck. Ziehen beide wirklich an einem Strang?

Bär: Niemand ruft die absolute Mehrheit als Ziel für die Landtagswahl im Herbst aus. Klar ist: Wir haben aus der Schlappe bei der Bundestagswahl gelernt. Nun sind wir auf Bewährung. Mittel- und langfristig wollen wir es schaffen, wieder auf über 40 Prozent zu kommen. Jetzt von der absoluten Mehrheit zu sprechen, würden unsere Wähler nicht nachvollziehen können, deswegen kann ich davor nur warnen.

 

Sie sind die neue starke Frau unter den stellvertretenden CSU-Vorsitzenden. Wie wollen Sie für mehr Frauenpower sorgen - und welche Akzente wollen Sie setzen?

Bär: Das wichtigste Signal ist: Auch Frauen können in der CSU alles erreichen! Und niemand darf sich entmutigen lassen, wenn es nicht über Nacht klappt. Ich habe mit 14 Jahren angefangen. Politik ist etwas, das man lernen muss. Meine Freundinnen bevorzugen in einer Abwägung lieber das Engagement im vorpolitischen Raum. In den Elternbeiräten oder in unseren örtlichen Vereinen. Das ist wichtig und richtig. Genauso wichtig wäre aber ein Engagement in den örtlichen Kommunalparlamenten. Als Gemeinde- oder Stadträtin und im Kreistag. Es muss nicht gleich jeder nach Berlin in den Bundestag, wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie das viele Pendeln eine zu große Hürde darstellt. Wichtig ist auch mehr Frauenpower in der Kommunalpolitik.

 

Die Fragen stellte

Tobias Schmidt.