Ingolstadt
Viel Arbeit, zu wenige Polizisten

Immer neue Aufgaben zwingen zur Improvisation in bayerischen Inspektionen Burn-outs als Folge

02.02.2016 | Stand 02.12.2020, 20:15 Uhr

Sportveranstaltungen wie die Bundesliga-Spiele sind ein Bereich, der die Polizei nicht nur in Ingolstadt belastet. Die Flüchtlingsthematik sorgt ebenfalls für viele Einsatzstunden. Nach Gewerkschaftsangaben sind viele bayerische Dienststellen weit unter der Sollstärke besetzt. - Foto: Hübner/Imago

Ingolstadt (DK) Die Personallage bei der Polizei in Bayern bleibt weiter prekär. Während auf den Dienststellen davon die Rede ist, dass nicht einmal alle Ruheständler ersetzt würden, spricht das Innenministerium von mehr bestehenden Stellen als je zuvor. Zum 1. März gibt es wieder neue Zuweisungen.

Es ist ein Dauerthema, das die Polizei landauf, landab bewegt. Die Sparpolitik von Edmund Stoiber und Günther Beckstein und die Einführung der 42-Stunden-Woche hatte einst zu der Misere geführt, die mittlerweile rund zehn Jahre zurückreicht. Immer weniger Leute sollten immer mehr Arbeit leisten, doch das ging nicht gut. Die Ingolstädter Inspektion hatte 2008 schließlich ein Krisenpapier verfasst und wollte in der Not ihren Bürgerservice einschränken. Immerhin war die Öffentlichkeit damit aufgerüttelt, die Politik musste reagieren.

Einiges ist seither geschehen, allein mehr als 900 Stellen mussten beschlossen werden, um die Rückkehr zur alten 40-Stunden-Regelung zu ermöglichen. Horst Seehofer hatte bei seinem Amtsantritt als Ministerpräsident 1000 weitere Stellen schaffen lassen, und das Innenministerium in München verweist auf derzeit 41 370 Stellen, mehr als je zuvor. Allein zwischen 2009 und 2015 seien 2000 geschaffen worden.

Doch das Vakuum bleibt, glaubt man der Basis. "Im Prinzip ist so ziemlich jede Dienststelle weiter am Improvisieren", sagt Stefan Kemptner als Bezirksvorsitzender für Oberbayern bei der Deutschen Polizeigewerkschaft. Sollstärken und tatsächlich verfügbare Kräfte würden stark voneinander abweichen. Bei der Inspektion in Fürstenfeldbruck, die zum Präsidium Oberbayern-Nord in Ingolstadt gehört, betrage die tatsächliche Stärke nur 67 Prozent der Vorgabe. "Es gibt kaum Dienststellen, die 80 Prozent erreichen. Das ist wie ein Auto auf drei Rädern." Die Belastung für die Kollegen steige.

Als Paradebeispiel dieser unheilvollen Entwicklung mag immer noch die Inspektion in Ingolstadt gelten, deren Zuständigkeit bis ins Umland reicht. "Wir betreuen fast 200 000 Einwohner, mehr als jede andere Dienststelle", sagt Inspektionsleiter Peter Heigl. Bis zum vergangenen Herbst sah es so aus, dass ihm von 201 Planstellen nur 148 Kräfte tatsächlich zur Verfügung standen. Mit der Schaffung des Abschiebelagers in Oberstimm bekamen die Ingolstädter dann ab Oktober 20 zusätzliche Kräfte - je fünf aus der Oberpfalz und Mittelfranken sowie zehn aus anderen Dienststellen des Präsidiums. Die Sollstärke ist damit aber noch längst nicht erreicht. "Und was passiert, wenn ich bei der nächsten Zuweisung weniger bekomme", fragt Heigl. Er wünscht sich, dass die Verteilung neuer Kollegen nicht "in der Fläche" erfolge, sondern nach tatsächlicher Belastung.

Zweimal pro Jahr werden frisch ausgebildete Polizisten im Land verteilt, jeweils zum 1. März und zum 1. September. Ingolstadt hat sein Kontingent, wie erwähnt, bereits im Oktober erhalten, es erfolgt nur ein Tausch: Die 20 Abkommandierten gehen zurück in die Heimatdienststellen, die neuen nehmen ihre Posten ein. Der Schlüssel für die Zuweisungen wird aus der Differenz zwischen der Sollstärke zum tatsächlich vorhandenen Personal errechnet. "Hilfreich wäre für uns also, wenn wir statt 201 mehr Stellen anerkannt bekämen. Dann würde ich auf Dauer mehr Kräfte kriegen", sagt Heigl. Zweifel daran, dass er die auch dringend brauchen wird, hegt er nicht. "Es wird so schnell keine Entspannung geben, gerade was die Flüchtlinge betrifft."

Heinz Rindlbacher ist als Leiter der Eichstätter Inspektion "grundsätzlich zufrieden mit der Personallage". 33 Beamte stehen ihm zur Verfügung, bei einem Soll von 39. "Es reicht gerade so, auch wenn es auf Kante genäht ist. Wenn wir aber ab Herbst für das geplante Abschiebegefängnis in Eichstätt zuständig sind, geht das auf gar keinen Fall mit dem jetzigen Stand." Dann gehören Fahrten zu Konsulaten in Berlin ebenso zum Aufgabenbereich seiner Kollegen wie Krankenbewachungen oder die Begleitung von Abschiebehäftlingen zum Arzt. "Wie das funktionieren soll, weiß ich noch nicht."

Flüchtlinge sind auch das große Thema bei der Schrobenhausener Polizei, wo nachts gerade mal eine Streifenwagenbesatzung im Einsatz ist. "Wenn es da mal eine Schlägerei in einem der Lager gibt, sind die zwei Kollegen zunächst völlig auf sich gestellt. So lange, bis Verstärkung da ist. Das ist mein größtes Problem." Schon jetzt würden Beamte aus Ingolstadt, Neuburg oder Pfaffenhofen aushelfen, wenn mehr als ein Einsatz zusammenkomme.

Der Druck auf die bayerische Polizei wächst ständig. "Es ist kein Lichtblick da", sagt Personalvertreter Stefan Kemptner. "Manche Kollegen schieben 300 und mehr Überstunden vor sich her. Die Zahl der Krankheitsfälle steigt ständig, auch wegen Burn-outs. Zum Glück sehen viele ihre Arbeit nicht als Job, sonder als Berufung an. Sonst ginge es längst nicht mehr."