Ingolstadt
Schuldzuweisungen an einen Toten

Berufungsprozess um Geisenfelder Bootsunglück: Revierbesitzer sieht sich nicht in der Verantwortung

21.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:17 Uhr

Gespenstisches Szenario auf dem Einberger Weiher im Januar 2014: Die Polizisten suchen mit dem Sonarboot am Grund des Sees nach dem Leichnam eines Ertrunkenen - und werden fündig. - Foto: Ermert

Ingolstadt/Geisenfeld (DK) Wer ist für den Tod zweier Jäger in einem Geisenfelder Fischweiher am Silvestertag 2013 verantwortlich? Im Berufungsprozess gegen den Revierbesitzer vor dem Landgericht hat der Angeklagte gestern zum Auftakt einem der damals ertrunkenen Männer die Schuld zugewiesen.

Es sollte eine muntere Entenjagd zum Jahresabschluss werden, doch die zunächst offenbar lustige Überfahrt einer kleinen Jagdgesellschaft zu mehreren verankerten Plattformen im sogenannten Unterweiher zwischen Geisenfeld und Münchsmünster endete vor zwei Jahren für zwei Männer tödlich: Nach dem bis heute nicht völlig geklärten plötzlichen Untergang des mit fünf Personen besetzten Metallbootes ertrank ein 33-jähriger Geisenfelder unmittelbar, ein 70-jähriger Schweitenkirchener, der zunächst reanimiert worden war, starb zwei Tage später im Krankenhaus.

Das Unglück ist bis heute Gesprächsstoff in Geisenfeld; der Strafprozess gegen den Revierbesitzer und den damaligen Bootsführer vor dem Pfaffenhofener Landgericht hatte Ende 2014 ebenfalls hohe Wellen geschlagen. Seinerzeit waren beide Männer wegen fahrlässiger Tötung und eines gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr zu Geldstrafen verurteilt worden, nachdem sie zunächst ergangene Strafbefehle der Ingolstädter Staatsanwaltschaft nicht akzeptiert hatten.

Während der heute 38-jährige Bootsfahrer das Urteil annahm, ging der bald 71-jährige Besitzer der Teichanlagen bei dem zu Geisenfeld gehörenden Örtchen Einberg in die Revision. Der Mann will nicht etwa nur eine Milderung der verhängten Geldstrafe von fast 20 000 Euro (140 Tagessätze zu 140 Euro) erreichen, sondern einen glatten Freispruch. Offenbar geht es ihm auch um seinen bei einer rechtkräftigen Verurteilung gefährdeten Jagdschein und um seinen ebenfalls im Feuer stehenden regulären Waffenbesitz. Die 3. Kammer des Landgerichts unter Vorsitz von Konrad Riedel hat zur Klärung der Sachlage bis Ende Februar vier Verhandlungstage angesetzt.

Der angeklagte Landwirt bietet nach eigener Darstellung seit rund 30 Jahren das Gebiet um seinen Fischweiher als Jagdrevier an und hat daraus ein regelrechtes Geschäftsmodell entwickelt, das offenbar auch ganz einträglich ist. Bei der Organisation der Jagden soll ihm nach seinen Worten maßgeblich jener vor zwei Jahren ertrunkene Schweitenkirchener geholfen haben. Auch die Jagdgesellschaft vom Unglückstag soll demnach der 70-jährige gute Freund eingeladen haben. Er habe sich darauf verlassen, dass der Geschäftspartner alles Organisatorische abgewickelt habe, sagte der Angeklagte gestern aus - eben auch, was die Sicherheitsaspekte anging. Er selbst will an jenem Silvestertag nur eine kurze Ansprache zur Sicherheit der Jagdwaffen gehalten und den Gästen sogar Schwimmwesten angeboten haben. Die Gesellschaft habe aber mit Hinweis auf die dicke Winterkleidung aller Jagdteilnehmer dankend abgelehnt.

Der damalige Bootsführer, seinerzeit noch recht frisch in einem Ausbildungsverhältnis zum Fischereiwirt beim Revierbesitzer und nicht im Besitz des notwendigen Bootsführerscheins, hatte nach gestriger Aussage hingegen seinen Chef als Organisator des Jagdausflugs auf den See wahrgenommen. Vage will auch er etwas vom Hinweis auf die Schwimmwesten mitbekommen haben, doch insgesamt hatte er sich offenbar keine großen Gedanken um die Sicherheit auf dem Weiher gemacht: "Das Boot lag wie ein Brett im Wasser."

Oberstaatsanwalt Nicolas Kaczynski fand es sehr befremdlich, dass der Angeklagte gestern das Hauptaugenmerk auf den Part seines tödlich verunglückten Partners lenkte: "Sie versuchen gerade, auf dem Rücken Ihres sehr guten Freundes die Verantwortung abzuladen!" Das will der Anklagevertreter dem Landwirt offensichtlich nicht durchgehen lassen. Vorsitzender Riedel wies den Mann auf der Anklagebank nach dessen wiederholt vorgebrachten Zweifeln an der Sinnhaftigkeit von Ermittlungsfragen mehrfach deutlich darauf hin, dass er sich nicht auf Diskussionen über seine Verhandlungsführung einlassen will. Der Prozess wird am nächsten Dienstag mit der Vernehmung von zwei Frauen fortgesetzt, die sich seinerzeit wie der Bootsführer ans Ufer retten konnten.