Ingolstadt
Gedränge im Regionalexpress

Mal wieder Streik: Im Zug nach München geht es eng zu, doch der Ärger der Pendler hält sich in Grenzen

22.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:23 Uhr

Gedränge auf dem Bahnsteig: Im Regionalexpress 4001, der um sechs Uhr in Ingolstadt Richtung München losfährt, wurde es gestern richtig eng. Denn wegen des GDL-Streiks waren Züge entweder ausgefallen oder kamen später. In Pfaffenhofen (unser Bild) passten schon nicht mehr alle Pendler hinein - Foto: Schattenhofer

Ingolstadt (DK) Bahnpendler sind Kummer gewöhnt. Auch gestern Früh war Geduld nötig, als es wegen des GDL-Streiks auf der Strecke Ingolstadt–München Verspätungen und Zugausfälle gab. Viele kamen zu spät zur Arbeit, der Ärger hielt sich aber in Grenzen. Im RE 4001 wurde es richtig eng.

Kurz vor sechs Uhr am Ingolstädter Hauptbahnhof. Fast alle Bahnreisenden verfolgen via Smartphone die neuesten Meldungen über den Streik und die Folgen. Der bei Pendlern beliebte ICE um 6.27 Uhr nach München fällt wie angekündigt aus, für die Regionalbahn 59141, die um 5.36 Uhr losfahren sollte, meldet die Anzeige 40 Minuten Verspätung. Eine Frau schimpft: „Den Zug müsste ich nehmen. Nun komme ich schon wieder zu spät zur Arbeit.“

Alles drängelt sich jetzt in den Regionalexpress RE 4001, der tatsächlich Punkt 6 Uhr losfährt. Ein Bahnmitarbeiter, der einen Sitzplatz ergattert hat, gibt der Politik die Schuld an der Misere. „Früher waren alle wichtigen Leute bei der Bahn Beamte, auch die Lokführer. Da war das Thema Streik nicht relevant. Heute gibt es die AG, und das haben sie nun davon.“ Ein Bankangestellter meint verschlafen: „Ich fahr’ seit 1983 mit dem Zug – da lächelt man nur noch müde und schlägt sich irgendwie durch.“ Er ist wie viele Pendler heute vom ICE auf den früheren RE umgestiegen.

So wie der junge Mann, der in alter Gewohnheit – er kennt das so aus dem ICE – im Gang auf dem Boden sitzt. Er sagt, eigentlich solidarisiere er sich prinzipiell mit Streikenden. „Aber jetzt wird es schon langsam zäh. Dieser GDL-Chef Weselsky ist richtig erbarmungslos. Es würde mich nicht wundern, wenn in zwei Wochen wieder gestreikt wird.“ Sein Ärger hält sich noch in Grenzen. „Wenn man sich als Fahrgast gut vorbereitet, dann kommt man schon von A nach B.“

In Pfaffenhofen wird es im RE 4001 so voll, dass einige Leute freiwillig auf den nächsten Zug warten. Komisch nur, dass keiner aufs WC flüchtet, das wäre noch frei. Ein junger Mann, der eine Lehre als Elektroanlagenmonteur bei den Münchner Stadtwerken macht, quetscht sich durch: „Ich komme ständig zu spät. Die Kollegen warten noch bis halb acht, dann fahren sie ohne mich los auf Montage.“ Er möchte, sobald er im Juli 18 Jahre alt wird, aufs Auto umsteigen. „Ich tu’ mir das nicht mehr an mit der Bahn.“

In Petershausen steht eine leere S-Bahn, die statt um halb erst kurz vor sieben losfährt. Deshalb setzt ein Run auf den Regionalexpress ein, obwohl drinnen kaum noch Luft ist. „Bitte durchgehen“, rufen die Leute. „Da geht noch was.“ Eine Frau fleht: „Bitte, bitte, ich muss mit.“ Sie presst sich mit aller Kraft in die Wand aus Körpern und schafft es tatsächlich. „Ich wollte freinehmen wegen des Streiks, aber mein Chef hat abgelehnt. Grundsätzlich ist so ein Streik ja in Ordnung als letztes Mittel der Arbeitnehmer. Aber inzwischen. . .“ Ein Mann fällt ihr ins Wort: „Die sollen endlich mal den Geldbeutel aufmachen, dann ist Ruh’.“

Obwohl sich kein Mensch mehr rühren kann und die Luft immer dicker wird, setzt eine Diskussion ein. „Es geht denen von der GDL doch gar nicht ums Geld, sondern um die Macht“, schimpft ein Mann, der an der Uni arbeitet. „Ich bin richtig sauer, denn ich bezahle für die Bahn, also will ich auch transportiert werden. Wenn ich im Norden Münchens arbeiten würde, dann würde ich mit dem Auto fahren. Das spart viel Lebenszeit.“ Eine Frau widerspricht: „Ich bin zehn Jahre mit dem Auto von Pfaffenhofen nach München gependelt. So viele Staus, so viel Wartezeit. Das habe ich im Zug nie erlebt.“

So pendelt es hin und her, bis der Zug endlich, mit nur vier Minuten Verspätung am Münchener Hauptbahnhof hält. Die Menschen quellen regelrecht aus den überfüllten Abteilen und rennen los. Um 7.09 Uhr fährt der Zug zurück nach Ingolstadt. Ein Mann hastet in letzter Minute herbei und drückt auf den Türöffner – aber zu spät. Auf die Sekunde genau setzt sich der Zug in Bewegung. „Unverschämtheit“, schimpft der Mann. „Überpünktlich – und das an einem Streiktag.“

In der Tat fahren bis auf wenige Ausnahmen alle Nahverkehrszüge zwischen Ingolstadt und München oder zurück – und das mit nur geringen Verspätungen. Ein älterer Herr, Beamter und seit 40 Jahren Pendler, bringt es auf den Punkt: „An so einem Tag fährt man entweder später oder man bleibt gleich daheim. Alles andere kostet Nerven.“