Ingolstadt
Flüchtlingsrettung statt Urlaub

Die Organisation Sea-Eye sticht wieder in See Zwei Männer aus dem Raum Ingolstadt sind mit an Bord

27.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:26 Uhr

Rettung: Beim Einsatz im Mittelmeer nimmt eine Sea-Eye-Ehrenamtliche ein Baby an Bord.

Ingolstadt/Malta (DK) Einen Monat lang hatte die Regensburger Organisation Sea-Eye ihre Mission auf dem Mittelmeer vor der libyschen Küste gestoppt. Nun laufen die beiden Schiffe "Sea-Eye" und "Seefuchs" wieder aus. Mit an Bord: zwei Männer aus dem Raum Ingolstadt.

Es ist ein Bild, das schon fast zur Gewohnheit geworden ist. Ein Bild, das man in den vergangenen zwei Jahren schon so oft gesehen hat, dass man beim Betrachten kaum mehr innehält. Und doch sind auf jedem einzelnen dieser Bilder Menschen zu sehen mit ganz individuellen Schicksalen, tragischen Geschichten und furchtbaren Erlebnissen. Wenn Menschen ihre Heimat verlassen, halbe Kontinente durchqueren, um an der libyschen Küste auf ein windiges Schlauchboot zu steigen, dann muss die Not groß sein. So groß, dass die Menschen in Kauf nehmen, im Mittelmeer auf dem Weg nach Europa zu ertrinken. Damit dieses Schreckensszenario nicht eintritt, darum kümmern sich private Organisationen wie beispielsweise Sea-Eye, aber auch Save the Children oder Ärzte ohne Grenzen. Ob sie auch dafür zuständig sind? Das wiederum steht auf einem ganz anderen Blatt. "Eigentlich sollte die Seenotrettung nicht die Aufgabe von privaten Organisationen sein", findet Michael Kraus aus Ingolstadt. "Sondern die von staatlichen." Der 38-Jährige hat vor einiger Zeit aus der Presse von dem Regensburger Verein erfahren und ist Mitglied geworden.

Nun ist er zum ersten Mal selbst bei einem Einsatz dabei. Zwei Wochen hat der gelernte Notfallsanitäter dafür freigenommen. "Das ist es mir wert." Beruflich macht er genau das, was man an Bord gut gebrauchen kann. Wenn Flüchtlinge aus dem Meer gerettet werden müssen, dann sind sie oft unterkühlt, dehydriert, hungrig. Sogar einen Bootsführerschein hat der Ingolstädter als Vorbereitung auf den Einsatz gemacht. "Und ich habe mich über die politischen Verhältnisse informiert." Derzeit würden viele Schiffe in Libyen zurückgehalten, berichtet Kraus. "Libyen wird von der Europäischen Union unterstützt. Aber inwieweit die Küstenwache tatsächlich unter der Kontrolle der libyschen Zentralregierung steht, das ist fraglich."

Dass die privaten Seenotretter der verlängerte Arm der Schleuser sind, das weist Michael Kraus entschieden zurück. "Es ist überhaupt nicht die Intention des Vereins, politischen Einfluss zu nehmen. Es geht schlicht und ergreifend darum, dass die Menschen nicht ertrinken." Die Menschen in Libyen zurückzuhalten ist für den Notfallsanitäter aber auch keine Lösung - angesichts der Situation in den Auffanglagern. "Vielleicht sollte man schon darüber nachdenken, legale Fluchtwege zu schaffen. Dass diejenigen, die asylberechtigt sind, sicher nach Europa kommen können." Außerdem müsse man Fluchtursachen bekämpfen, findet Kraus. "Damit die Leute die Reise erst gar nicht auf sich nehmen."

Genau dafür plädiert auch Franz Pollinger. Der 61-Jährige aus Wettstetten (Kreis Eichstätt) war bereits zweimal an Bord der "Seefuchs" - bei der Überführung nach Malta und bei einem Einsatz vor der libyschen Küste im Mai. "Das war schon brutal", erinnert sich der gelernte Maschinenschlosser, der auf dem Schiff als Maschinist dabei ist. "Da waren Frauen, Kinder und Babys dabei, die unser Schiff mitten in der Nacht aus dem Wasser gerettet hat. In diesen Schlauchbooten erreichen die niemals die italienische Küste. Die gehen bei Wellengang oder Sturm einfach unter." Genau das erzählt er auch Freunden und Bekannten, wenn die nicht verstehen, warum er den Menschen im Mittelmeer hilft. "Ich rede denen dann schon ins Gewissen", sagt der 61-Jährige. "Wenn man sich einmal vorgestellt hat, was man tun würde, wenn das die eigene Familie ist, die da in Seenot ist, dann ist die Antwort eigentlich klar."

Franz Pollinger hat in der Gunvor-Raffinierie gearbeitet und ist schon in Altersteilzeit. Weil sich nicht so viele Maschinisten als Freiwillige melden, greifen die Organisatoren des Vereins gerne auf ihn zurück. "Dieses Mal bin ich auch wieder ganz kurzfristig gefragt worden." Lange überlegt hat er aber nicht. Dass er den Flüchtlingen hilft, steht für ihn außer Frage. "Ich stehe auf der Sonnenseite des Lebens, da kann man für diese armen Teufel, die sonst im Meer ertrinken, schon was tun", sagt Franz Pollinger. "Als junger Mann hatte ich zwei Unfälle, jeder andere wäre da wahrscheinlich ums Leben gekommen, aber ich habe mir nichts getan. Jetzt gebe ich dem Leben etwas zurück."