Ingolstadt
"Hebammen in Kreißsälen sind gnadenlos unterbezahlt"

Bayerische Geburtshelferinnen tagen am Mittwoch in Ingolstadt - Verband setzt sich für Akademisierung der Ausbildung ein

15.10.2019 | Stand 23.09.2023, 9:00 Uhr
Geburtshilfe unter schweren Bedingungen: In Bayern ist es üblich, dass eine Hebamme drei bis fünf Frauen gleichzeitig bei der Entbindung betreut. −Foto: Deck/dpa

Ingolstadt (DK) Der Beruf der Hebamme wird viel zu wenig wertgeschätzt - das beklagt der Bayerische Hebammen-Landesverband.

Seine Mitglieder treffen sich am Mittwoch zu einer Tagung in Ingolstadt. Die stellvertretende Vorsitzende, Susanne Weyherter, sagt: "Angestellte Hebammen in Kreißsälen sind gnadenlos unterbezahlt für ihre Arbeit. " Obwohl die Geburtshelferinnen im Schichtdienst und auch am Wochenende arbeiten, blieben am Ende nur rund 2000 Euro netto monatlich übrig.

Aber die geringe Bezahlung ist für Weyherter und ihre Kolleginnen nicht einmal das Hauptproblem. Viel mehr litten die Hebammen unter den Arbeitsbedingungen in den Kreißsälen. "Es ist an der Tagesordnung, dass Hebammen drei bis fünf Frauen gleichzeitig betreuen müssen", schreibt der Verband. Das liegt, wie Susanne Weyherter erklärt, zum einen an den gestiegenen Geburtenzahlen. Seit 2012 kommen in Bayern jedes Jahr mehr Babys zur Welt. Wie Erhebungen des Bayerischen Landesamts für Statistik zeigen, haben die Geburtenzahlen ab 2012 von 107 039 auf 126 191 im Jahr 2017 zugenommen. Das entspricht einer Steigerung um fast 18 Prozent.

Zum anderen zahlen die Krankenkassen den Kliniken pro Geburt eine "Fallpauschale". Dabei spiele es keine Rolle, ob eine Entbindung eine Stunde oder 36 Stunden dauere, sagt Susanne Weyherter. Bei einer einfachen Geburt bekomme die Klinik etwa 1700 Euro, dieser Betrag beinhalte einen Anteil von knapp 322 Euro für die Hebamme. Wegen des Kostendrucks versuchten Kliniken häufig am Personal zu sparen, obwohl es besser wäre, wenn eine Hebamme nur eine Gebärende betreuen würde, sagt Weyherter.

Zusätzlich verschärft werde die Situation durch die Schließung von kleinen Kliniken. Es bräuchte deshalb auch mehr Räume in den übrigen Krankenhäusern. "Wenn alle Kreißsäle voll belegt sind und die Frauen Schlange stehen an der Tür, ist schnell die Indikation für einen Kaiserschnitt ausgesprochen", sagt Susanne Weyherter. Aktuell liegt die Kaiserschnittrate in Bayern bei über 30 Prozent. "Eine Geburt braucht Ruhe, Zeit und Raum und keine Hebamme, die zwischen drei, vier, fünf Frauen hin- und herflitzt. "

Der Bayerische Hebammen-Landesverband fordert daher ein Gesetz, das festlegt, dass eine Hebamme immer nur eine Frau während der Geburt betreuen darf. Somit wären die Klinikbetreiber verpflichtet, mehr Personal in den Kreißsälen einzusetzen. Außerdem spricht sich der Verband für die Akademisierung der Hebammenausbildung aus. Der Beruf wäre dann nur noch durch ein Studium und nicht mehr an einer Fachschule zu erlernen.

Die Fürther Hebamme Susanne Weyherter hat selbst Abitur. Sie sagt: "Die Anforderungen an den Beruf sind in den letzten Jahrzehnten gestiegen" und es gebe einen Mangel an geeigneten Bewerberinnen. Frauen mit Mittelschulabschluss oder Mittlerer Reife seien der anspruchsvollen Ausbildung häufig nicht gewachsen. Frauen mit Abitur und Fachabitur fehlen jedoch häufig die Aufstiegschancen. Mit einem Bachelorabschluss gebe es in Zukunft die Möglichkeit, auch im Bereich Forschung und Lehre zu arbeiten. Bisher bieten zwei Hochschulen in Bayern einen Hebammenstudiengang an, die Ostbayerische Technische Hochschule in Regensburg und die Katholische Stiftungshochschule in München.

Ein Gesetz, das die Hebammenausbildung reformiert, hat der Bundestag am 26. September verabschiedet. Damit es 2020 in Kraft tritt, muss jedoch noch der Bundesrat zustimmen. Hier sträuben sich jedoch noch einige Landesregierungen, denn bisher wurde der Großteil der Ausbildungskosten von den Krankenkassen getragen. Aber bei einem Studium fällt die Finanzierung in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Für Bayern bedeute das Kosten "im mehrfachen Millionenbereich", schätzt Weyherter.
 

Bianca Hofmann