Ingolstadt/München
Hat das Oktoberfest ein Methanproblem?

Werte auf Festgelände bis zu achtmal höher als normal

11.11.2019 | Stand 02.12.2020, 12:40 Uhr
Jia Chen nimmt Luftproben auf dem Okotberfest, um die Methanwerte zu bestimmen. −Foto: Jia Chen

Ingolstadt/München (DK) Etwa 1,5 Tonnen Methan werden etwa insgesamt während der Wiesn-Zeit ausgestoßen. Das haben Forscher der TU München in einer kürzlich erschienenen Studie herausgefunden. Auf dem Festgelände sind die Methanemissionen während des Volksfests bis zu achtmal höher als normal.

Seit Jahren bemühen sich Stadt, Wiesn-Wirte und Schausteller, das Oktoberfest möglichst umweltfreundlich zu halten: Solaranlagen auf den Zeltdächern, Ökostrom, Ökogas, Mülltrennung, kein Einweggeschirr, Wasser-Recycling. Dazu veröffentlicht München jedes Jahr eine Bilanz der Massenveranstaltung. Wie viele Besucher, wie viele Liter Bier, wie viel Wasserverbrauch, wie viel Kohlenstoffdioxid. 
Methanwerte wurden auf der Bilanz bislang nicht aufgeführt. Warum auch? 

„Normalerweise erwartet man nicht, dass ein Volksfest die Quelle von Methan ist“, sagt Jia Chen, Professorin für Umweltsensorik und Modellierung an der Technischen Universität München.  Sie  nimmt Luftproben auf dem Oktoberfest, um die Methanwerte zu bestimmen. Auf das Thema  aufmerksam geworden ist Chen erstmals 2017, als sie während der Wiesn-Zeit mit Forscherkollegen Messungen in München durchführte.

Methan ist schädlicher als Kohlenstoffdioxid

In der Umwelt bildet sich Methan – ein farb- und geruchloses Gas – immer dort, wo sich organisches Material unter Luftabschluss zersetzt, bei der Massentierhaltung, in der Forstwirtschaft, in Klärwerken und auf Mülldeponien. Auf den Klimawandel wirkt sich Methan (CH4) um ein vielfaches stärker aus als Kohlenstoffdioxid (CO2). Methan heizt etwa 25-mal mehr die Atmosphäre auf. Kohlenstoffdioxid wird aber weitaus öfter als Verursacher der Klimakrise genannt.

Seit 2018 beschäftigen sich Chen und ihre Kollegen ganz bewusst mit den Methanwerten auf dem Oktoberfest. Dabei haben sie herausgefunden, dass während des Oktoberfests zehnmal mehr Methan ausgestoßen wird als in der US-Stadt Boston im gleichen Zeitraum. Es ist die erste Studie dieser Art. Schlecht machen sollen die Ergebnisse den Wiesn-Besuch aber auf keinen Fall. „Wir wollen das Oktoberfest noch umweltfreundlicher und grüner machen, als es schon ist“, betont Chen. Ihre Forschungen sollen aufzeigen, wo man noch nachbessern kann, sodass die Besucher ohne schlechtes Gewissen genießen können. 

Die Kühe waren's nicht

Auf dem Oktoberfest wurden 2018 jede Sekunde im Schnitt 6,7 Mikrogramm Methan pro Quadratmeter ausgestoßen. Kühe sind die bekanntesten Methangaserzeuger im Tierreich, gehen aber bekanntermaßen lieber auf andere Wiesen. Und Menschen? Ob der vermehrte Biergenuss die Methanproduktion im Körper der täglich rund 300 000 Wiesn-Besucher gesteigert hat? „Dazu gibt es bislang keine wissenschaftliche Studie“, sagt Chen und lacht. „Wir sind ja auch keine Biologen oder Mediziner. Das wäre zwar interessant herauszufinden, aber wir wollen ja niemandem verbieten, Bier zu trinken.“ Nur maximal zehn Prozent der Methan-Emissionen könnten überhaupt auf die Wiesengänger selbst zurückgehen, schätzt sie. Die Hauptquelle der insgesamt 1,5-Tonnen-Mehtan-Emissionen liegt anderswo.

In ihrer nun veröffentlichtet Studie schätzen die Forscher, dass vor allem Gas-Geräte wie etwa Heizstrahler oder Grillöfen die Ursache für den hohen Methanausstoß sind. Die Geräte werden mit Erdgas betrieben. In München besteht das aus 96 Prozent Methan. 

Gleiches Problem bei den Weihnachtsmärkten?

Auch größere Weihnachtsmärkte und andere Volksfeste könnten Methanemissionen derart ansteigen lassen wie das Oktoberfest, wenn tatsächlich Gas-Geräte das Problem sind.
Auch dieses Jahr hat Chen die Methanwerte des Oktoberfests gemessen. Die Werte seien 2019 ähnlich wie die aus dem vorigen Jahr gewesen, sagt die Wissenschaftlerin. Diesmal war Chen mit ihren Messgeräten sogar in den Zelten unterwegs und hat dort Luftproben entnommen. Verwunderte Blicke der Besucher gab es kaum. „Der Rucksack ist nicht besonders auffällig. Die Leute sind so in Feierlaune, da schauen sie nicht so genau hin.“

Ob sie nun die Ursache bestimmen kann? „Mit relativ großer Sicherheit lässt sich sagen, dass das Methan von fossilen Quellen kommt“, sagt Chen. Genauer will sie sich erst äußern, wenn ihre Studien vollständig ausgewertet und publiziert sind.