Haftstrafen für Betrug bei Integrationstests

Prüfungen unter falschem Namen absolviert: Zwei Mitglieder einer Bande sollen mehrere Jahre hinter Gitter

24.07.2020 | Stand 23.09.2023, 13:07 Uhr
Zu vier Jahren Haft wurde dieser Angeklagte verurteilt. Er gilt als einer der beiden Drahtzieher beim massenhaften Betrug bei Sprach- und Einbürgerungstests. −Foto: Stäbler

München - Mit gefälschten Pässen hat eine Bande massenhaft Sprach- und Einbürgerungstests für Ausländer erschummelt.

Vier Mitglieder sind nun vom Landgericht München verurteilt worden - zwei von ihnen zu mehreren Jahren Gefängnis.

Das Zertifikat B1, so beschreibt es das Goethe-Institut, "bestätigt eine selbstständige Verwendung der deutschen Sprache". Es zeuge davon, dass sich der Besitzer "einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern" kann sowie die Hauptinformationen versteht, "wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht".

Kein Wunder also, dass dem 25-jährigen Deutschen die Aufgaben des B1-Tests "relativ leicht" fielen, wie er vor dem Münchner Landgericht erzählt hat. Der junge Mann - die schwarzen Haare sind nach hinten gegelt, sein Bart reicht bis zur Brust - hat die Prüfung an verschiedenen Sprachschulen absolviert. Stets unter falschem Namen und mit einem manipulierten Pass - stellvertretend für Ausländer, die das B1-Zertifikat benötigten, etwa für eine Aufenthaltsgenehmigung oder eine Einbürgerung.

Der 25-Jährige, der als Testschreiber 300 Euro je Prüfung erhielt, war Teil einer fünfköpfigen Schleuserbande, die sich vor dem Landgericht verantworten musste wegen des massenhaften Betrugs bei Sprach- und Einbürgerungstests. Gegen eine Zahlung von je 2500 bis 5000 Euro verhalf sie ihren Auftraggebern, die vorwiegend aus dem Kosovo stammten, zu den Zertifikaten. Für diese Taten ist ein 36-Jähriger am Freitagabend zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt worden - unter anderem wegen des Einschleusens von Ausländern und Urkundenfälschung, beides jeweils gewerbs- und bandenmäßig.

Der 36-Jährige und sein Kompagnon (32) waren als Drahtzieher der Bande für die Akquise zuständig; zudem überklebten sie die Ausweise ihrer Auftraggeber mit den Passfotos der Testschreiber und meldeten diese bei Sprachschulen an. Gegen den 32-Jährigen erging am Freitag kein Urteil. Sein Verfahren wurde abgetrennt, da hier noch ein Beweisantrag vorliegt.

Das Gericht sprach aber weitere Urteile gegen drei Testschreiber aus, die im Auftrag der Drahtzieher etliche Sprach- und Einbürgerungsprüfungen im gesamten Bundesgebiet absolviert hatten. Eine junge Mutter und der 25-jährige Deutsche kamen mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe davon. Beide hatten - wie die anderen Angeklagten - umfangreiche Geständnisse abgelegt. Gegen den fünften Angeklagten erging ein Urteil von drei Jahren und drei Monaten Haft, da er vorbestraft war und neben seiner Rolle als Testschreiber auch Kontakte zu Auftraggebern knüpfte.

In der Verhandlung hätten sich die Vorwürfe aus der Anklageschrift im Großen und Ganzen bestätigt, sagte Richter Frank Zimmer. Zuvor hatte die Staatsanwältin im Plädoyer betont: "Wir haben hier eine Bande sitzen, die sich ein Geschäft daraus gemacht hat, für Ausländer, die nahezu kein Wort Deutsch sprechen, B1-Tests und Einbürgerungstest zu beschaffen, damit diese Personen dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. " Es werde viele verwundern, dass die Anklage auf das Einschleusen von Ausländern laute. "Da gibt es ja keinen Lkw voller Flüchtlinge, die nachts über die Grenze geschafft werden", sagte die Staatsanwältin. Ihr zufolge sei der Betrug mit Sprachtest aber "mindestens gleich schlimm". Den Vergleich mit Schlepper-Lkw, "in denen Menschen wie Vieh verfrachtet werden", wiesen alle Verteidiger indes scharf zurück.

Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erreichen 90 Prozent der Teilnehmer an Integrationskursen im Abschlusstest das geforderte Sprachniveau A2 oder B1. Fälle von Identitätstäuschungen bei den Prüfungen seien zwar bekannt, vorsätzliche, mit hoher krimineller Energie vorgenommene Fälle, bei denen Banden Ausweise nahezu professionell fälschen, aber sehr selten.

Durch "gründliche Kontrollen", so eine Bamf-Sprecherin, würden einfache Betrugsversuche sofort auffallen. Derlei Fälle seien strafrechtlich nicht relevant, sondern führten bloß zum Ausschluss von der Prüfung. Ganz andere Konsequenzen hat der massenhafte Betrug für die Mitglieder der Schleuserbande. Zwei von ihnen werden nun für längere Zeit im Gefängnis bleiben. Noch sind die Urteile nicht rechtskräftig.

DK/dpa

Patrik Stäbler