München
Mehr Kinder, weniger Hebammen: Mangel könnte größer werden

11.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:53 Uhr
Astrid Giesen, Hebamme, hält in einem Kreissaal der Hedwigsklinik einen neugeborenen Säugling. −Foto: Armin Weigel/Archiv

Eigentlich könnte man sich freuen: Es werden wieder mehr Kinder geboren. Doch kurz vor der Geburt sind viele Mütter im Stress: Sie haben Probleme, eine Hebamme zu finden. Und die Lage könnte noch schlimmer werden, warnt der Berufsverband der Hebammen.

Der Mangel an Hebammen in Bayern könnte sich noch verschärfen: Viele überlegen nämlich, weniger zu arbeiten.

Mit Blick auf eine jüngst vom Gesundheitsministerium veröffentlichte Studie zur Hebammenversorgung sagte die Vorsitzende des Bayerischen Hebammen-Landesverbandes (BHLV), Astrid Giesen: „Die Studie sagt sehr deutlich, dass 80 Prozent der Hebammen mehr arbeiten, als sie wollen, und viele für die nächste Zeit planen, das zu reduzieren.“ Das könnte gravierende Folgen haben: „Wenn die das wirklich alle machen, dann sehe ich eine große Lücke auf uns zukommen.“ Und das in einer Situation, in der in Städten wie München wieder mehr Kinder geboren werden. Giesen sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf.

Der Studie zufolge erwägen rund 50 Prozent der angestellten und 60 Prozent der freiberuflichen Hebammen, die Arbeitszeit zu reduzieren. Als Hauptgründe nennen sie eine zu hohe Arbeitsbelastung, geringes Einkommen sowie die Arbeitsbedingungen.

Schon jetzt haben es junge Mütter schwer, eine Hebamme zu finden, die sie vor oder nach der Geburt betreut: Jede vierte hatte laut Studie bei der Suche Probleme. Besonders hart trifft es die Münchnerinnen. Hier war es für rund 40 Prozent der befragten Frauen schwierig oder sehr schwierig, eine Geburtshilfe-Betreuung zu bekommen.

Um den Beruf attraktiver zu machen, erneuerte der BHLV die Forderung, die Ausbildung an die Hochschulen zu verlagern, auch mit Blick auf eine EU-Richtlinie. Die verlangt, dass Berufsanfänger ab 2020 eine zwölfjährige allgemeine Schulbildung nachweisen müssen. „Diejenigen, die das haben, wollen dann natürlich auch studieren“, erklärte Giesen. „Wir verlieren da in Zukunft unseren Nachwuchs und das können wir uns bei der angespannten Situation nicht leisten.“ Deshalb müsse man „mit Volldampf in die Reform der Berufsausbildung gehen“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in München weiter. Schon jetzt haben laut Giesen 90 Prozent der Berufseinsteiger Abitur.

Besonders schwierig ist die Stimmung in der Geburtshilfe. Laut Studie hatte die Mehrheit der Kliniken Probleme, freie Hebammenstellen zu besetzen. Die Folge: Auf den anderen Entbindungshelferinnen lastet immer mehr Arbeit. „Da ist ein Teufelskreis entstanden: Die Hebammen haben immer weniger Zeit für die gebärenden Frauen und das frustriert sie immer mehr“, erklärte die Chefin des Hebammen-Landesverbands.

Ein Viertel ihrer Zeit müssten sie zudem mit berufsfremden Arbeiten verbringen wie Putzen, Pflege der Instrumente und Dokumentation. Dazu sagte Giesen: „Das wäre ein Leichtes, die Hebammen davon zu befreien, etwa indem man ihnen rund um die Uhr eine Putzfrau zur Verfügung stellt.“ Laut Studie hatten nur 7 Prozent der angestellten Hebammen genug Zeit, die Frauen so zu betreuen, wie sie es für richtig hielten. Bei den Freiberuflichen waren es 31 Prozent.

Nach kürzlich veröffentlichten Zahlen des Statistischen Landesamts wurde in Bayern im vergangenen Jahr die höchste Geburtenzahl seit 1998 registriert. Demnach kamen 126 191 Kinder oder 0,4 Prozent mehr als 2016 zur Welt - das sind im Schnitt 345 Neugeborene pro Tag.

Bayerischer Hebammen Landesverband

Studie zur Hebammenversorgung in Bayern

Kurzfassung Hebammenstudie Bayern

Mitteilung vom Statistischen Landesamt zu Geburten

dpa