Gegenpetition will Donaulied für Bierzelte erhalten

09.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:12 Uhr
Ein Notenblatt mit dem Liedtext »Einst ging ich am Ufer der Donau entlang« wird am Donauufer gehalten. −Foto: Armin Weigel/dpa/Archivbild

Weg mit dem Donaulied? Das will zumindest die Passauer Studentin Corinna Schütz und mittlerweile über 31.000 Unterstützer ihrer Online-Petition, die den Bierzelt-Sexismus anprangert. Doch es regt sich Widerstand. Die Argumentation ist jedoch dürftig.

Der 29-jährige Ralph Seider hat gemeinsam mit drei Gleichgesinnten eine seit Sonntag laufende Online-Petition mit dem Namen "Rettet das Donaulied" gestartet, wie die PNP berichtet

Corinna Schütz will mit ihrer Unterschriftenaktion "#Bierzeltsexismus Aktion gegen das Donaulied" erreichen, dass das Lied nicht mehr in Passauer Bierzelten und Kneipen gespielt wird. Denn der Text verharmlose mit Zeilen wie "Ich machte mich über die Schlafende her" eine explizite Vergewaltigung. Unterstützung hat ihr schon Passaus Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD) zugesagt. 

Ralph Seider, Mario Süß, Fabian Bruckmeier und Fabian Fenzl wollen mit ihrer Petition das Passauer Stadtoberhaupt zum Umlenken bringen. Dass sich die vier jedoch tiefer mit dem Inhalt des Donaulieds auseinandergesetzt hätten, scheint nicht der Fall, wenn man sich ihre Forderungen durchliest.

Kulturgut - zumindest fast

"Dieses Lied, das erstmals 1826 (!) erwähnt wurde, gehört einfach zur Bierzelt- und Kneipenstimmung!", ist ein Hauptargument zur Erhaltung des Lieds. Tatsächlich scheint aus den älteren Versionen nur die schlafende junge Frau an der Donau gleich geblieben, den Rest haben Kulturgut-Wahrer anscheinend vergessen. Um die alten Liedtexte geht es Corinna Schütz aber nicht spezifisch. Die älteren, weit weniger zotigen Versionen von Johann Lewalter und Tobias Krummschnabel, die tatsächlich den Sex nur andeuten und ohne das schunkelige "Ohlalala" auskommen, sind kaum bekannt.  Zum Mitgrölen in Bierzelten eher ungeeignet. Wann sich der Wandel vollzog, ist nicht genau bekannt. Fest steht jedoch: Die heute gespielte Versionen sind deutlich aktueller, zum einen die von Micky Krause aus dem Jahr 2012, oder aber die aus einer Liedersammlung von 1992, aus der auch Textzeilen stammen wie "Du hast mich im Schlafe zur Mutter gemacht". 

Kein Mann denkt an eine Vergewaltigung?

Eine aufgeheizte Stimmung im Bierzelt bedeutet für Männer und Frauen nicht unbedingt das gleiche, die Situation kann dementsprechend anders wahrgenommen werden. 

"Wir sind uns sicher, dass KEIN MENSCH bis vor kurzem bei diesem Lied an eine Vergewaltigung gedacht hat", schreiben Seider, Süß. Bruckmeier und Fenzl. Doch: Corinna Schütz ist ein Mensch. Sie hat daran gedacht. Stellen die vier Männer sich tatsächlich so einvernehmlichen Geschlechtsverkehr vor? Immerhin betonen sie, dass sie gegen jegliche Vergewaltigung und Straftat sind. 

"Dass im Suff sicherlich niemand an eine Vergewaltigung gedacht hatte, ist schon bezeichnend dafür, dass Sexismus und Schamlosigkeit für die Unterzeichner eine willkommene Kultur ist. Bei all den Vergewaltigungsfällen bei Oktoberfesten und anderen Saufveranstaltungen", schreibt jemand in der zur Petition zugehörigen Debatte. 

Geschmack ist noch keine Zensur

Bierzelt-Musik gilt nicht gerade als Hochkultur. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten. Deswegen werden die Lieder aber noch lange nicht verboten, auch wenn einige unter die Gürtellinie zielen. Das letzte Argument der Initiatoren spielt auf Zensur an, findet aber nicht ganz die richtigen Worte.

"Wenn man will, findet man bei nahezu JEDEM Lied etwas, was zum Verbot dieses Liedes führt. Irgendwann dürfen wir „Mia san vom Woid dahoam“ nicht mehr singen, weil es einen nationalsozialistischen Hintergrund haben könnte!", schreiben sie und weichen damit vom eigentlichen Thema ab. Über "Mia san vom Woid dahoam" hat niemand eine Debatte gestartet. Es geht ja nicht darum, absichtlich alle Stimmung im Bierzelt kaputt zu machen. Das Thema ist ja immer noch: Soll man guten Gewissens öffentlich ein Lied spielen, das eine Vergewaltigung verharmlost? Darüber kann man mal nachdenken.

Die Petition von Corinna Schütz will das Donaulied auch nicht auf einen Index setzen lassen, sondern sie appelliert vielmehr an Wirte, in Bierzelt oder Kneipen, freiwillig dieses Lied nicht mehr zu spielen. Und freiwillig verzichten die Wirte schon auf einige Lieder, weil die bei vielen eben nicht gut ankommen - sei es wegen dem Text oder der Melodie. Das heißt ja nicht mal, dass sie verboten oder zensiert sind. Die Leute wollen sie eben  - in diesem Zusammenhang - nicht hören.