Söder kritisiert Aiwangers Forderung nach Öffnung von Hotels

22.01.2021 | Stand 31.01.2021, 3:33 Uhr
Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Wirtschaftsminister in Bayern. −Foto: Matthias Balk/dpa

Die Corona-Lockdowns haben kaum eine Branche so hart getroffen wie den Tourismus und das Gastgewerbe. Bayerns Wirtschaftsminister hat mal wieder Forderungen zur Lockerung, zum großen Ärger seines Chefs.

München (dpa(lby) - Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat die Forderung seines Stellvertreters Hubert Aiwanger (Freie Wähler) nach einer Öffnung von Skiliften und Hotels ab Februar wieder einkassiert. Ohne seinen Namen zu nennen, griff der CSU-Chef die Forderung seines Wirtschaftsministers direkt auf machte deutlich, dass für ihn die Debatte zur Unzeit komme. Die aktuellen Corona-Maßnahmen würden zunächst bist Mitte Februar gelten, was danach komme bleibe abzuwarten. Leider gebe es immer wieder Politiker, die gerne erklärten, „wann ganz sicher was geöffnet wird“.

Das seien aber auch die Politiker, die früher sagten, Corona sei nicht gefährlich und es werde auch nie eine zweite Welle geben, betonte Söder in Anspielung auf entsprechende Aussagen von Aiwanger in den vergangenen Monaten. Söder erwähnte auch Aiwangers Aussagen zu einem Oktoberfest in der Pandemie und die Öffnung von Geschäften vor Weihnachten. „Mein dringender Rat ist, wir sollten tun, was notwendig ist“, sagte Söder. Um das Vertrauen der Menschen nicht zu beschädigen, sei es wichtig, dass Politiker das richtige wollten und auch das richtige tun.

Aiwanger hatte am Freitag in München gefordert, die Hotels und Skilifte im Februar wieder zu öffnen. Gemeinsam sollten die Wirtschaftsminister „auch auf Bundesebene diese Öffnungsschritte einfordern“ und nicht „wieder wie Kaninchen vor der Schlange warten, was von Frau Merkel und der Ministerpräsidentenkonferenz aus Berlin kommt“, sagte Aiwanger am Freitag in München.

„Bei Hotels seh' ich überhaupt keinen Grund, nicht öffnen zu dürfen“, sagte der stellvertretende bayerische Ministerpräsident und Bundesvorsitzende der Freien Wähler. Die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin sollten „akzeptieren, dass man sich in einem Hotel nicht infiziert“.

Er sei auch überzeugt, „dass wir die Skilifte zeitnah öffnen können“. Die Österreicher zeigten, dass das gehe. Mit FFP2-Masken an den Liften und Online-Buchungen vorab, um einen Andrang zu verhindern könnten die Pisten noch im Februar öffnen. Und auch die Heilbäder könnten mit guten Hygienekonzepten und Corona-Schnelltests am Eingang im Frühjahr wieder Gäste empfangen, sagte er auf einem Tourismus-Forum der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw).

Scharf kritisierte Aiwanger Hass und Hetze gegen Münchner Ausflügler im bayerischen Oberland. „Die Leute, die heute bespuckt werden, brauchen wir in ein paar Monaten wieder“, als zahlende Gäste. Er frage sich, warum die Gemeinden nicht mehr Parkplätze für Ausflügler schafften, die in die freie Natur wollten, und Parkgebühren kassierten. „Leute auszusperren und zu beschimpfen, ist nicht der richtige Weg.“

Bayern-Tourismus-Geschäftsführerin Barbara Radomski sagte, in der Branche herrsche „ein bisschen Hoffnungslosigkeit, weil die Perspektive fehlt“. Der Münchner Wirt Jakob Portenlänger sagte: „Uns geht langsam die Puste aus. Die Novemberhilfe ist leider größtenteils immer noch nicht da.“ Angela Inselkammer, Präsidentin des bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, forderte, die Mehrwertsteuer in den Gastwirtschaften auf 7 Prozent zu senken und „die irrsinnige Bürokratie und Hemmnisse abzuschaffen - das wäre jetzt der richtige Zeitpunkt“.

Eine baldige Rückkehr zu früheren Geschäftszahlen erwartet Radomski nicht. Auf dem Land werde das Gastgewerbe von mehr Inlandstourismus profitieren, und für Heilbäder sei eine größere Nachfrage nach Gesundheit, Kur und Wellness eine Riesenchance. Aber die ausländischen Gäste dürften im bayerischen Städtetourismus sehr fehlen. Und „die klassische Geschäftsreise wird nicht mehr stattfinden“.

Vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt sagte, die Industrieunternehmen sparten enorm Reisekosten und fänden das cool. Der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König erwartet dauerhaft 20 Prozent weniger Geschäftsreisende in der Messestadt.

Dagegen zeigte sich Aiwanger optimistisch: „Wir sind Ende dieses Jahres wieder bei der alten Stärke“, sagte er voraus und verwies auf die Impfungen und „die Sehnsucht nach Tapetenwechsel“. Er sehe keinen Grund, Trübsal zu blasen: „Wenn wir wieder öffnen dürfen, füllen sich die Tourismusregionen automatisch.“

Brossardt äußerte „tiefsten Respekt, dass unser Wirtschaftsminister so fightet“. Inselkammer fand es „toll, wie unser Wirtschaftsminister kämpft für uns“. Ein Sprecher der Staatskanzlei sagte auf Anfrage: „Aus unserer Sicht ist alles dazu gesagt mit der Pressekonferenz vom Mittwoch“. Dort hatte Söder gesagt, wann Lockerungen möglich seien, hänge nur von den Infektionszahlen ab. Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sprach von einer „Debatte zu Unzeiten und aus Absurdistan“.

Heute bangten drei Viertel der Gastwirte um ihre Existenz, „viele befinden sich am Rande des Ruins“, sagte Brossardt. Deshalb erwarte die bayerische Wirtschaft von der Bundesregierung und von der bayerischen Staatsregierung „ein Gesamtpaket für den Tourismus der Zukunft“. Dazu gehörten auch bessere digitale Netze und Angebote und eine viel bessere Zusammenarbeit der regionalen Tourismusregionen.

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dpa