Addis Abeba
Fußball, Kaffee - und echte Löwen

Ereignisreiche Äthiopienreise des bayerischen Ministerpräsidenten Söder geht zu Ende

17.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:41 Uhr
Ungeröstete Kaffeebohnen inspizierte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (Mitte) bei seinem Besuch der "Bagersh Coffee Factory" in Addis Abeba. Neben ihm steht die Mitinhaberin der Firma Dallmayr KG, Marianne Wille, sowie Alexander König, der stellvertretende Vorsitzende der CSU-Fraktion im Landtag (rechts). Im Hintergrund Peter Renner, Vorstand von "Menschen für Menschen". −Foto: Kneffel/dpa

Addis Abeba (DK/dpa) Man darf sich nichts vormachen, die VIP-Loge des Fußballstadions im äthiopischen Addis Abeba würde in der Allianz-Arena nicht mal als Rumpelkammer verwendet.

Gebaut wurde das Stadion mit 35000 Plätzen 1940, mehrfach fand hier der Afrikacup statt. Benannt wurde es nach dem 15-maligen äthiopischen Nationalspieler Ydnekachew Tessema, der 1987 gestorben ist, Gründer des äthiopischen und Präsident des afrikanischen Fußballverbandes war - und als erster Äthiopier mit Fußballschuhen gespielt haben soll.

Die VIP-Loge in den Katakomben des Stadions ist nicht nur alt, sondern zudem, wie es in Äthiopien bei festlichen Anlässen Brauch ist, weihrauch-geschwängert und mit Buschgras ausgelegt. Kurzum: Fertig für eine traditionelle Kaffee-Zeremonie. Auf einem kleinen Feuer, auch im geschlossenen Raum, werden Kaffeebohnen frisch geröstet, gestoßen, schließlich Kaffee gebraut, der in kleinen Schälchen von der Köchin serviert wird.

Da sitzen sie am Mittwoch nun beisammen, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der Vorstand für Internationales beim FC Bayern, Jörg Wacker und die äthiopischen Vertreter von Fußballverband bis Sportministerium. Sie feiern nochmal in kleinem Kreis die Eröffnung der FC-Bayern-Fußballschule in Addis Abeba - gleich mit einem U-17-Turnier, bei dem acht Mannschaften gegeneinander antreten. FC-Bayern-Legende Giovane Elber leitet das Turnier, übergibt am Nachmittag den Pokal.

Was FC-Bayern-Vorstand Wacker zuvor gesehen hat, hat ihn tief beeindruckt: "Die Burschen können richtig, richtig gut spielen. " Man darf vermuten, dem FCB geht es mit der Maßnahme nicht nur darum, den Verein in dem 100-Millionen-Einwohnerland am Horn von Afrika zu vermarkten - sondern auch, den einen oder anderen Nachwuchsspieler zu entdecken. Mit der neu eröffneten Fußballschule ist Äthiopien neben den USA, China, Thailand, Japan und Singapur nun das sechste Land, in dem der FC Bayern eine derartige Institution ins Leben gerufen hat. Söder betont in seiner Stadion-Rede, warum ihm die FCB-Fußballschule ein Anliegen ist: Zum einen, weil der rote Traditionsverein "einer der Botschafter Bayerns" sei. Zum anderen, weil Fußball weltweit in den jungen Menschen für Hoffnung stehe und eine Brücke in die Zukunft sei.

Zwei andere weiß-blaue Institutionen stehen später am Tag auf der Agenda der bayerischen Äthiopien-Delegation: Das Kaffee-Kooperationsprojekt mit Dallmayr und "Menschen für Menschen". Ersteres, den Kaffee der Münchner Feinkost-Dynastie Dallmayr, kennt praktisch jeder aus der TV-Werbung. Zweiteres kennen alle, die in den 1970-er Jahren oder früher geboren wurden - 1981 hatte der in Bayern wohnende Schauspieler Karlheinz Böhm (Kaiser Franz aus "Sissi") angesichts einer furchtbaren Hungerskrise in Äthiopien live während der TV-Show "Wetten dass?" die Karlheinz-Böhm-Äthiopienhilfe "Menschen für Menschen" ins Leben gerufen - mit der Wette, nicht mal jeder dritte Zuschauer werde eine Mark spenden. Er gewann zwar, trotzdem kamen damals auf einen Schlag rund 600000 Euro zusammen, die den Beginn der Hilfsorganisation darstellten.

Zusammen, und nun auch mit Hilfe des Freistaats, wird ein Projekt gestartet, kleinbäuerliche Kaffeestrukturen in Äthiopien zu fördern. "Kein Projekt, bei dem es um Profit geht", so Söder. Bayern stellt dafür in den kommenden drei Jahren 150000 Euro zur Verfügung. 3000 Menschen sollen bei der Zucht von Setzlingen und der Anlage von Plantagen bis zur Bewirtschaftung der Felder, Bohnenernte und Weiterverarbeitung geschult werden - und so im Rahmen einer Kooperation eine Chance auf selbstbestimmtes Leben erhalten. Dallmayr will dort künftig einkaufen, aber auch jedem anderen Unternehmen stehe das offen. Äthiopien ist Afrikas wichtigster und weltweit sechstgrößter Kaffeeproduzent, und zusammen mit dem Sudan Ursprungsland der Arabica-Bohne, die auf 1500 bis 2500 Meter Höhe ideal gedeiht. 40 Prozent des in Afrika produzierten Kaffees stammen aus dem Land. Alleine 2018 wurden 423000 Tonnen produziert. An der Wertschöpfungskette hängen 15 Millionen Arbeitsplätze.

Zusammen mit Marianne Wille, Mitinhaberin der Firma Alois Dallmayr KG, und Peter Renner, Vorstand "Menschen für Menschen" Karlheinz Böhm Äthiopienhilfe, besuchte Söder die "Bagersh coffee factory" - das älteste Kaffeelagerhaus in Addis Abeba. Dort wird Kaffee für den Export verarbeitet. Es ist seit 70 Jahren im Betrieb und seit mehreren Generationen im Besitz der Familie Bagersh. Seit Jahrzehnten arbeitet Dallmayr mit der Familie zusammen, wie Wille sagt, und zwar immer "ökonomisch einwandfrei" - so wie Dallmayr überhaupt Äthiopien immer treu geblieben sei und das Land das auch gedankt habe. Ihr Unternehmen importiere allein für 70 Millionen Dollar pro Jahr Kaffee aus Äthiopien.

Vor dem Rückflug nach München am Mittwochabend waren für Söder auch noch weitere, politische Termine auf dem Programm gestanden: Im Nationalpalast traf er die äthiopische Staatspräsidentin Sahle-Work Zewde, die ihm die Ehre zuteil werden ließ, mit ihr in den Palastgarten zu gehen, wo sie unter anderem zwei echte Löwen hält - eine kleine Replik auf den bayerischen Porzellan-Löwen, den Söder als Gastgeschenk mitbrachte. Und weil Addis Abeba zudem Sitz der Afrikanischen Union (AU) ist, traf sich Söder auch mit Moussa Faki, den Vorsitzenden der Kommission der AU. Der war, der Einfachheit halber, bereits zur Eröffnung der Fußballschule des FC Bayern gekommen. Fußball verbindet eben, überall auf der Welt.

Alexander Kain