Fränkischer Frohsinn und Politikerschelte vor bunter Rokoko-Kulisse

30.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:16 Uhr

Veitshöchheim (dpa) Frotzelnde Komiker, ein singendes Nilpferd, lästernde Oberpfalzer, ein auf Stoibers Spuren wandelnder Finanzminister und eine schießwütige Wirtschaftsministerin: Die "Fastnacht in Franken" hatte Faschingsfans am Freitagabend einiges zu bieten. Zum 29. Mal ist die Prunksitzung des Fastnacht-Verbandes Franken live im Bayerischen Fernsehen übertragen worden.

Der rund dreieinhalbstündige Mix aus Lästereien, Gesellschaftskritik, Faschingsunterhaltung, Hochleistungs-Tanzsport von Deutschen Meistern und teils vorbildlich verkleideten Bayern-Politikern, die tapfer über alle Witze auf ihre Kosten lachen, kommt an: Der Quotenschlager lockte zuletzt fast vier Millionen Menschen vor die Bildschirme.

Das zweitwichtigste Thema der „Fastnacht in Franken“, gleich nach dem Programm der Künstler, ist schon seit Jahren Bayerns Finanzminister Markus Söder. Sowohl auf als auch vor der Bühne bestimmt er die Gespräche. Zuletzt war er das grüne Monster „Shrek“, die dralle Blondine „Marilyn Monroe“, ein schnorrender Punk oder Gandhi. In diesem Jahr machte er den Stoiber und gab damit einmal mehr den Fastnacht-Künstlern Futter. Die lästern schon seit Jahren über Söders Ambitionen, Horst Seehofer als Ministerpräsident recht bald ablösen zu können.

„Stimmt es, dass ihr Kronprinz Söder erst an dem Tag ran darf, wenn Reiner Calmund seinen Diätplan einhält, der Berliner Flughafen eröffnet ist und Greuther Fürth Champions-League-Sieger ist?“, fragte Sitzungspräsident Bernd Händel provokant den noch amtierenden Bayern-Chef Horst Seehofer.

Aber auch andere Politiker warfen sich in Schale: Wirtschaftsministerin Ilse Aigner kam als emanzipierte und schießwütige „Star Wars“-Prinzessin Leia, Innenminister Joachim Herrmann wie immer als Sheriff, Staatskanzlei-Leiter Marcel Huber als 40 Jahre jüngeres Ich in Lederklamotte, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly als Mr. Spock und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer als Batman-Gehilfe Robin.

Doch auch die beste Verkleidung schützte nicht vor Lästereien. So wird Angela Merkel in Abwesenheit bei den Komikern mal eben zur „neuen SPD-Kanzlerkandidatin“, Horst Seehofer übernimmt den Vorsitz des Angela-Merkel-Fanclubs und die Vereinigung „HoGeSöda“ (Horst gegen die Söderisierung des Alpenlandes) wird zur stärkeren Bewegung als Pegida und die CSU trägt mit ihrem „frostigen Klima“ gegenüber der CDU ihren ganz eigenen Teil gegen die Erderwärmung bei.

Die bayerische SPD musste ebenso einstecken: Das Duo Volker Heißmann und Martin Rassau sagte den Besuch des Papstes bei den Sozialdemokraten voraus: „Denn der kommt immer dahin, wo das Elend am größten ist!“

Ob VW-Skandal, die Olympia-Absage Hamburgs oder die Bestechungen in der Sportwelt - die Künstler der fränkischen Fastnacht nahmen zahlreiche Themen der vergangenen Monate auf die Schippe. Auch um aktuelle Streitthemen wie die Asylpolitik machten die Künstler keinen Bogen. Im Gegenteil.

So hatte Kabarettist Peter Kuhn deutliche Worte für die derzeitige Lage: „Diesen Dreckschleudern, die ständig hetzen, muss man Obergrenzen setzen. Nicht ein bis zwei Grad Diskrepanz - nein, am besten Null Grad Toleranz“, forderte der redegewandte Schweinfurter in seiner Büttenrede.

Natürlich fehlten in Veitshöchheim, vor den Toren Würzburgs, auch die üblichen Frotzeleien der Franken in Richtung der Bayern nicht. Auf die Spitze aber trieben es wie immer die Musiker der Altneihauser Feierwehr-Kapell'n aus der Oberpfalz. Sie lästerten unter Buh-Rufen des Publikums umgekehrt über die Franken, die mittlerweile auch eine eigene Tatort-Produktion haben. „In einem Tatort, wo man fränkisch spricht, bräuchte es die Leiche nicht. Denn da flößt ja der Dialekt allein dem Zuschauer schon Schrecken ein.“

Für den mit größten Beifall im Saal sorgte übrigens eine spontane und hochaktuelle Ansage von Volker Heißmann während seines Auftritts als närrischer Lehrling: „Ich habe eine offizielle Mitteilung: Die deutschen Handballer sind im Finale!“

Die bayerischen Narren haben sich im Übrigen erneut erfolgreich gegen andere Freitagabend-Sendungen durchgesetzt. Die Live-Übertragung der „Fastnacht in Franken“ haben sich nach Angaben des Bayerischen Rundfunks (BR) bundesweit 3,9 Millionen Menschen angeschaut. Das ist ein Marktanteil von zwölf Prozent. Und die Konkurrenz war stark: Allein das Handball-Halbfinale sahen nach Angaben des Online-Branchendienstes „Meedia“ etwa 8,5 Millionen Menschen, die neue RTL-Sendung „Puppenstars“ wollten 4,17 Millionen Menschen sehen.

In Bayern selbst sind die Zahlen noch eindrucksvoller: Das Bayerische Fernsehen kommt dort mit seinem alljährlichen Quotenschlager auf einen Anteil von 47,2 Prozent. Das bedeutet, beinahe jeder zweite Fernsehzuschauer im Freistaat hat am Freitagabend die Prunksitzung des Fastnacht-Verbandes Franken vor dem Bildschirm verfolgt. Diese wird seit 1987 live im Bayerischen Fernsehen übertragen und gilt seit Jahren als erfolgreichste BR-Sendung.