Ingolstadt
Flugtaxi Ingolstadt weiter gut im Rennen

Initiative zieht Forschungsprojekt zur Urban Air Mobility an Land - Der City-Airbus soll bald abheben

09.01.2019 | Stand 23.09.2023, 5:35 Uhr
Bislang nur eine Simulation: Der City-Airbus soll voraussichtlich im ersten Quartal zu Testflügen starten. −Foto: Airbus

Ingolstadt (DK) Wenn die Straßen mal wieder verstopft sind - warum nicht einfach in die Luft gehen, im Flugtaxi?

Vor einem Jahr noch machte man sich mit solchen Visionen schnell zur Zielscheibe von Spott und Hohn. So wie Dorothee Bär (CSU), Staatsministerin für Digitalisierung, nach einem TV-Interview. Auch Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel (CSU) musste sich wegen seiner Begeisterung für das Thema Kritik gefallen lassen. Doch Spötter und Kritiker werden womöglich eines Besseren belehrt: Das Flugtaxi kommt schneller als vermutet, sagt eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger. Bereits 2020 könnte der Flugbetrieb in Metropolen wie Dubai, Los Angeles oder Singapur starten.

Auch Ingolstadt liegt weiter gut im Rennen, was die Bestandsaufnahme der Initiative "Flugtaxi Ingolstadt" zeigt. Ingolstadt ist bekanntlich Pionier für Urban Air Mobility (UAM). Dass Bayerns Boomtown so zeitig an den Start gegangen und jetzt eine der Modellregionen für Flugtaxis ist, wirkt sich inzwischen positiv aus. Die Stadt ist Teil eines europaweiten Netzwerks, das zur Entwicklung der Zukunftstechnologie geknüpft wurde. Audi und Airbus sind natürlich mit an Bord, die Technische Hochschule (THI) und die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt ebenso. Wenn Medien über Passagierdrohnen berichten, wird Ingolstadt fast immer erwähnt.

Zudem fließen Fördergelder in die Region. So startete im Januar ein Projekt des bayerischen Wirtschaftsministeriums, das Anwendungspotenziale der UAM in Oberbayern erkunden soll. THI-Professor Harry Wagner, der Mann am Steuer von "Flugtaxi Ingolstadt", hat es an Land gezogen. Die Fördersumme beläuft sich auf üppige 680000 Euro.

Im Rahmen des Forschungsprojekts soll das langfristige Einsatzpotenzial von UAM für die Region Ingolstadt und Oberbayern erkundet werden, um die Verkehrssituation und die Anbindung des ländlichen Raumes zu verbessern. Dabei sei Luftmobilität auch als Ergänzung zum ÖPNV zu untersuchen, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Es gilt zudem, Dienstleistungsangebote sowie Geschäfts- und Betreibermodelle zu entwickeln. Schließlich geht es auch um den gesellschaftlichen Mehrwert - um wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte der UAM.

Ingolstadts OB möchte bei den verschiedensten Zukunftstechnologien den Fuß in die Tür bekommen - ob Flugtaxi, autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz oder Biosensorik. "Denn es geht um die Arbeitsplätze unserer Kinder und Enkel", meint Lösel. "Gott und die Welt wollen solche Autos und Drohnen bauen - wir müssen schauen, dass wir uns diese qualifizierte und gut bezahlte Beschäftigung sichern. " Ingolstadt soll schließlich auch in Zukunft ein bedeutsamer Mobilitätsstandort bleiben.

Denn nur zu gut sieht Lösel die dunklen Wolken, die sich über der Autostadt und der ganzen Region zusammenbrauen. Automatisierung, Digitalisierung und neue Technologien vernichten Arbeitsplätze, das steht für ihn fest. "Ein Achtzylindermotor hat 1200 Teile, die montiert werden müssen", zitiert er einen VW-Personalchef, "ein Elektromotor nur 25." Das zu Audi. Und was Airbus betrifft, den Luft- und Raumfahrtkonzern mit seinem Standort in Manching bei Ingolstadt, hat Lösel auch Zahlen parat. Ein Kilogramm Weltraumfracht kostet in der europäischen Ariane 7800 Dollar, bei der Falcon Heavy von Elon Musks SpaceX nur 1400 Dollar. Solche Zahlen bringen den OB ins Grübeln - die Angst, Europa könne abgehängt werden, macht ihm schwer zu schaffen.
Auch bei den Drohnen und ähnlichen Fluggeräten hat der Wettlauf längst begonnen - wer künftig Flugtaxis betreibt, ist noch offen. Der bayerische City-Airbus sollte eigentlich im Dezember seinen Erstflug absolvieren, doch der Start wurde verschoben. "Der City-Airbus ist gebaut, jetzt stehen noch Tests am Boden an", erklärt ein Konzernsprecher gegenüber unserer Zeitung. "Wann er zum ersten Mal abhebt, kann man noch nicht genau sagen - voraussichtlich aber im ersten Quartal. " Das Jahr 2019 wird für die Ingolstädter UAM-Initiative also von großer Bedeutung sein. Laut Projektleiter Harry Wagner soll im März das Memorandum of Understanding zwischen den europäischen Partnern unterzeichnet werden. "Dann wird alles verbindlicher und relativ konkret", betont er. Weitere Partner sollen bis dahin dazukommen, laut Lösel große, namhafte Unternehmen.

Außerdem soll brigkAIR in Manching, spezialisiert auf dreidimensionale Mobilität, bald den finalen Zuschlag erhalten - es wäre das zweite digitale Gründerzentrum in der Region. Christian Lösel ist denn auch sehr zufrieden, was sich in Sachen UAM im vergangenen Jahr getan hat. "Ich hatte nicht gedacht, dass wir so viel erreichen, und wir werden auch 2019 mit voller Kraft dranbleiben. "

Aber wann und wo fliegen sie endlich auch bei uns - die Flugtaxis? Harry Wagner kann sich gut eine Verbindung von Ingolstadt zum Flughafen München vorstellen. "Das hätte einen echten Mehrwert. " Und er wagt eine Prognose: "Wir werden eher einen Menschen im Flugtaxi in der Luft sehen als auf der Straße in einem vollautonomen Fahrzeug ohne Lenkrad. "

 

Suzanne Schattenhofer