Erlbach
Mordopfer ohne Namen

11.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:49 Uhr

Foto: DK

Erlbach/Ingolstadt (DK) Zwei junge Frauen liegen tot in einem Wald bei Erlbach (Kreis Donau-Ries), beide ermordet. Exakt 20 Jahre ist das nun her, der oder die Täter sind bis heute nicht gefunden. Die Opfer hatten sich zuletzt im Raum Ingolstadt aufgehalten. Moderne Kriminaltechnik könnte den Fall jetzt klären.

Als Schwammerlsucher die zwei Toten am 15. September 1995 in dem Gehölz im Ries fanden, waren sie schon mindestens sechs bis zehn Wochen dort gelegen. Das stellten Gerichtsmediziner fest. Wie die Frauen ums Leben gekommen waren, ließ sich nicht mehr klären. „Dazu waren die Leichen schon zu sehr verfallen“, sagt der Dillinger Kripochef Peter Timko, in dessen Dienststelle der Doppelmord zur Bearbeitung liegt. Eines von vielen Rätseln in diesem mysteriösen Fall. Denn bis heute ließ sich nicht herausfinden, wie die Toten heißen und woher sie stammen.

Dabei hatte die Polizei alles Erdenkliche unternommen, um das Schicksal der Unbekannten zu klären. Eine Isotopenuntersuchung der Knochen hatte gezeigt, dass die Frauen vermutlich in Osteuropa aufgewachsen sind. 2011 war Hoffnung aufgekeimt, als ein Abgleich des Erbguts einer der Toten mit der DNA der Mutter einer vermissten Rumänin positiv verlief. Eines der Opfer schien identifiziert, doch ein Jahr später widerlegten tiefer gehende Analysen des Genmaterials diese Annahme. Die tot geglaubte Rumänin lebt noch, sie wurde in der Türkei ausgemacht. Das Rätselraten geht also weiter. Wer sind die zwei Frauen? Und wer hat sie umgebracht?

Fest steht, dass die Unbekannten bis kurz vor ihrem Tod im Raum Ingolstadt unterwegs gewesen waren. Das steht zweifelsfrei fest, weil die eine Frau mit ihrem für die Sommerzeit ungewöhnlichen Strickkleid – es war vorne linksseitig violett sowie mit aufgenähten Weinblättern besetzt und rechts in Dunkelblau gehalten – mehrfach aufgefallen war. Ende Juli 1995 war sie damit zusammen mit ihrer Begleiterin in einem Laden in Stammham (Kreis Eichstätt) erschienen, einige Tage später am Kreuztor in Ingolstadt aufgetaucht. Dort ließen die Frauen sich von einem damals 51-jährigen Taxifahrer ins Nordviertel bringen, wo sie nach Beobachtungen des Chauffeurs in einen sehr alten Mercedes mit zwei Männern stiegen. Eine von ihnen hatte sich als Lehrerin aus dem Moskauer Raum ausgegeben, beide hatten russisch miteinander gesprochen.

Wieder ein paar Tage danach hatte eine Autofahrerin aus Neuburg die mutmaßlichen Osteuropäerinnen als Anhalterinnen aufgenommen und nach Rain gebracht, angeblich wollten sie Bekannte bei Oettingen im Ries besuchen. In der Lechstadt verliert sich die Spur langsam. „Wir haben im großen Stil überprüft, ob die beiden eventuell irgendwo Arbeit gesucht haben, vielleicht beim Dehner oder als Helferinnen auf den vielen Feldern um Rain herum“, sagt der zuständige Kommissariatsleiter bei der Kripo Dillingen, Holger Duderstadt. „Aber leider war alles negativ.“ Zwei Hinweise gab es noch, wonach das Duo sich Anfang August in Wassertrüdingen aufgehalten haben soll. Am 15. September waren dann die stark verwesten Leichen entdeckt worden.

Der erfahrene Ermittler kennt den Fall vom ersten Tag an, mehrere tausend Seiten haben sich seither in den Akten angesammelt. Das Fahndungsplakat von damals hänge noch in seinem Büro, sagt der 59-Jährige. Eine stete Erinnerung, die aber unnötig ist, denn der Ehrgeiz, den mysteriösen Doppelmord zu klären, ist geblieben, er ist größer denn je. Stets aufs Neue hatten Duderstadt und seine Kollegen über die Jahre nachgefasst, Verdächtige und Zeugen wieder und wieder befragt.

„Einmal hat einer einen Zettel herausgezogen und uns das Kennzeichen eines Fahrzeugs mitgeteilt, das ihm am Leichenfundort aufgefallen war. 15 Jahre lang hat er das im Geldbeutel spazieren getragen“, sagt Duderstadt. Den Schlüssel zur Lösung brachte der Hinweis zwar nicht, aber trotzdem fragt er sich, warum manche Leute sich nicht mitteilen. Das ist aber auch die große Hoffnung der Kripo: Gibt es vielleicht noch Mitwisser der Tat, die den Ballast nach Jahren des Schweigens abwerfen wollen?

Daneben laufen aktuell kriminaltechnische Untersuchungen beim Landeskriminalamt in München. „Damals sind mit Klebebändern alle möglichen Spuren von der Kleidung der Toten gesichert worden. Eventuell ist eine Hautschuppe oder ein Haar des Täters dabei“, hofft Duderstadt. „Heute sind die Methoden viel ausgefeilter, da ist einiges möglich – vielleicht finden wir tatsächlich einen genetischen Fingerabdruck.“ Wenn der Mörder dann noch wegen eines anderen Delikts bereits in der Datenbank erfasst wäre, könnte der Kreis sich am Ende doch noch schließen.