Hohenems
Eine Arche Noah voller Schätze

Die Privatsammlung des früheren Textilunternehmers Hans Bäumler in Österreich

26.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:12 Uhr
War schon in der Arche Noah: Ingolstadts Kulturreferent Gabriel Engert. −Foto: Arche Noah

Ingolstadt/Hohenems - Die Privatsammlung des früheren Textilunternehmers Hans Bäumler aus Ingolstadt ist in einer Fabrikhalle in Österreich ausgestellt. Leser unserer Zeitung besuchten das Museum und waren hin- und hergerissen.

Sie wandeln durch die Arche Noah, erfüllt von heftigen, aber völlig gegensätzlichen Gefühlen: auf der einen Seite helle Begeisterung, auf der anderen trübselige Traurigkeit - bisweilen sogar Wut. "Überwältigend", flüstern sie beim Anblick der Exponate. "So etwas habe ich noch nie gesehen." Zwischendurch immer wieder Kopfschütteln: "So schade." Oder vorwurfsvoll: "Wie kann man nur so dumm sein?"
 

Eine Gruppe von Lesern unserer Zeitung machte sich am Samstag auf die Fahrt nach Vorarlberg (Österreich), um das Museum Arche Noah - Sammlung Kunst und Natur zu besichtigen, das der frühere Textilfabrikant Hans Bäumler aus Ingolstadt 2019 in einer ehemaligen Produktionsstätte eröffnet hat. Genauer gesagt in Hohenems, einer Kleinstadt nahe des Bodensees. Wäre es nach Bäumler gegangen, hätte die Arche Noah in seine Heimstadt gehört. Aber daraus wurde nichts: Eine vertane Chance, sagen Kritiker, die der Stadtregierung vorwerfen, sich nicht genug bemüht zu haben. Die weist solche Vorwürfe vehement von sich.

Die Geschichte der Bäumler-Sammlung - wahrlich kein Einzelfall in der Kunstszene. Aber womöglich gibt es doch noch eine Chance für Ingolstadt? Ein Grund mehr für die neugierigen Kunstliebhaber aus Ingolstadt und Umgebung, sich selbst ein Bild zu machen von jenen Bildern, die als wahre Kunstschätze gelten (siehe Kulturteil).

Es knistert vor Spannung, als eine Mitarbeiterin die massive Tresortür öffnet und ein erster Blick ins Innere der Arche Noah fällt. Aber da ist erst einmal nur ganz viel Schwarz. Eine Schwärze, die das Auge in einen Abgrund zieht. Dann plötzlich tauchen aus der Tiefe wie funkelnde Juwelen die Exponate auf: von Pierre-Auguste Renoir, Paul Gaugin, Édouard Manet, Claude Monet, Lovis Corinth, Max Liebermann, Alexej Jawlensky, August Macke, Franz Marc und wie sie alle heißen. Wie Traumwandler laufen die Besucher von einem Bild zum anderen, angeführt von Christa Bohle, die viel erklärt und erzählt. Zum Beispiel, wie der leidenschaftliche Sammler ein Werk von Corinth ("Die Hexen") einem Wiener Museum bei einer Auktion vor der Nase wegschnappte. "Manchmal kommt Herr Bäumler her, setzt sich aufs Sofa und genießt ganz still den Blick auf drei seiner Lieblingsbilder von Gaugin und Monet." Die hingen früher in seiner Wohnung, jetzt kann jeder sie genießen.

Überrascht werden die Besucher von der Sammlung Natur, die eigentlich nur eine Nebenrolle spielt. Doch Gernot Heigl, Geschäftsführer des Jagdverbands Vorarlberg, wartet mit so vielen Anekdoten und überraschenden Fakten zu den Präparaten auf, dass die Besucher auch diesen Teil der Arche Noah genießen: Da steht ein drei Meter hoher Eisbär, der erlegt werden musste, weil er trotz mehrfacher Vergrämung und Umsiedlung immer wieder in Dörfer der Menschen einfiel. Noch mehr Staunen erregt jedoch ein Winzling - die Etruskerspitzmaus, mit 1600 Herzschlägen pro Minute Weltrekordhalter.

Auch die Herzen der Besucher schlagen hoch und höher. Am Schluss versammeln sich alle zum Gruppenbild vor einem Picasso. Als der Bus den Bäumler-Park verlässt, hat so mancher längst entschieden wiederzukommen. Denn die Arche Noah ist ein wunderbarer Ort.

"Es wäre begrüßenswert, die Ausstellung auf Tour zu schicken"

Herr Bäumler, Ihr Vater hat  Ihnen die Leitung  der Arche Noah übertragen.  Er lernte die Liebe zur Kunst von seinem Vater  –  war das bei Ihnen auch so?

Frederik Bäumler: Ich komme aus einem kunstaffinen Elternhaus – vor allem auch durch meine Mutter, die  selbst Künstlerin ist in Ingolstadt. Ich habe auch eine Ausbildung in dem Bereich genossen – zwar mehr im Modebereich, aber dazu gehören auch immer die Bildenden Künste. Daher war ich immer an Kunst interessiert.

Das Museum ist schon einige  Monate geöffnet. Wie kommt  es bei Besuchern an?

Bäumler: Ausgesprochen gut. Das positive Feedback übertrifft unsere Erwartungen. Das liegt neben der hohen Qualität der Exponate und dem sehr intimen Führungskonzept vielleicht auch an dem Überraschungseffekt. In der Architektur vermutet man erst einmal kein Museum. Bis vor 14 Jahren liefen hier noch die Produktionbänder für unser damaliges Bekleidungsunternehmen. Und dann kommt man rein und ist geplättet über das, was sich in diesen Räumlichkeiten abspielt

Wie viele  Besucher erwarten Sie?

Bäumler: Wenn man nur das Museum für sich betrachtet, bewegen wir uns im mittleren dreistelligen Bereich. Dazu kommen in Zukunft Schulklassen und Besucher über eine Veranstaltungsreihe, die wir aktuell planen. Außerdem bieten wir das Museum nun auch als Event-Location an. Von Unternehmensschulungen hin zu Weihnachtsfeiern gibt es hier immer mehr Interesse in der Region. Die Besichtigung der Ausstellungen  ist dabei ein interessantes Rahmenprogramm

Das Nebeneinander von Kunst und Natur spiegelt die Leidenschaften Ihres Vaters wider. Aber es ist ein ungewöhnliches Konzept. Wie reagieren die Besucher darauf?

Bäumler: Im Zentrum steht die Kunstausstellung. Sie bringt die meisten Besucher zu uns. Die Naturausstellung ist eine Draufgabe – aber die Menschen sind dann doch sehr überrascht, was es alles  zu entdecken ist. 

Der Eintritt liegt mit 40 Euro ziemlich hoch. Dennoch dürfte es unmöglich sein, so ein Museum ohne öffentliche Zuschüsse zu finanzieren. Wie wollen Sie das schaffen?

Bäumler: (lacht) Wenn man einen Mäzen hat, der tief in die Tasche greift, dann kann man auch ohne öffentliche Mittel ein Museum führen. In den nächsten Jahren wird mein Vater das Museum am Laufen halten, aber er erwartet auch, dass sich die öffentliche Hand irgendwann beteiligt. Wir entwickeln momentan eine Event-Reihe zum Thema Nachhaltigkeit und Artenschutz. Dabei versuchen wir, neben Künstlern und Schulen auch das Land Vorarlberg und die  Stadt Hohenems ins Boot zu holen. 

Besteht noch die Chance, Teile der Sammlung nach Ingolstadt zu bringen?

Bäumler: Das ist eine Entscheidung, die sich mein Vater vorbehält. Aus meiner Sicht wäre es begrüßenswert, wenn wir die Ausstellung auch mal auf Tour schicken. Das fördert die Bekanntheit und den Wert. Also: Sag niemals nie.

Es wäre doch eine Win-Win-Situation, wenn dieses Museum zwei Standorte hätte, wenn es also auch in Ingolstadt einen Ausstellungsort gäbe, wo man Teile der Sammlung sehen könnte. Zum Beispiel ab 2022 in der Tränktorkaserne, wenn  das Museum für Konkrete Kunst ausgezogen ist?

Bäumler: Natürlich. Vielleicht kann man Exponate auch mal mit   Werken aus Ingolstadt austauschen. Alles ist möglich. Aber wie gesagt: Das  sind  Dinge, die mein Vater als Gründer, Inhaber und Geschäftsführer des Museums entscheiden muss.

Sammelt Ihr Vater noch Kunst?

Bäumler: Nein, damit hat er abgeschlossen. Aber wer weiß? Vielleicht packt es ihn ja irgendwann wieder.
 

Suzanne Schattenhofer