"Die FDP muss ihre Positionen wieder mutiger vertreten"

Martin Hagen im Interview

10.09.2019 | Stand 02.12.2020, 13:06 Uhr
Der 38-jährige Martin Hagen sitzt seit 2018 für die FDP im bayerischen Landtag. −Foto: Hase/dpa

Der Landtags-Fraktionschef der FDP, Martin Hagen, spricht im Vorfeld der Klausurtagung der Liberalen in Bamberg über die Rolle der Partei im Landtag, grüne Politik und aktuelle Themen in Bayern.

Herr Hagen, die FDP sitzt in Bayern im Landtag - und keiner merkt es. Warum?
Martin Hagen: Sie müssen mehr Interviews mit uns führen (lacht). Im Ernst, die FDP hat im Landtag mit Gesetzentwurfen zum Ladenschluss oder einer unabhängigen Justiz schon Akzente setzen können. Aber das erste halbe Jahr waren wir natürlich auch stark mit dem Aufbau der neuen Fraktion beschäftigt. Jetzt können wir durchstarten.

Im Grunde ist die FDP die einzige bürgerliche Oppositionspartei im Landtag. Angesichts der bürgerlichen CSU und den bürgerlichen Freien Wählern braucht man die FDP eigentlich gar nicht, oder?
Hagen: CSU und Freie Wähler sind zwar bürgerlich, aber auch sehr spießbürgerlich. Dazu haben wir mit Grünen und SPD zwei Oppositionsparteien, die weit links stehen. Klar braucht es da die FDP als liberales Gegengewicht! Nur wir kämpfen gleichermaßen für persönliche und wirtschaftliche Freiheit. Während alle anderen primär den Staat als Problemlöser sehen, wollen wir den Einzelnen stark machen.

Früher war die FDP die Partei, die wenigstens versucht hat, den Staat in Zaum zu halten, die FDP war die Partei, die wollte, dass sich Leistung für den Einzelnen auch lohnt. Warum ist sie bei diesen Themen auf Tauchstation gegangen?
Hagen: Ist sie das? Wir haben im Bundestag die vollständige Abschaffung des Soli beantragt. Alle anderen Fraktionen haben das abgelehnt, auch die CSU übrigens. Jetzt bereiten wir eine Klage vor dem Verfassungsgericht vor. Die SPD-Pläne für eine Vermögenssteuer sind Gift für unsere mittelständische Wirtschaft. Mit Debatten über Enteignung und Verstaatlichung wird die Axt an die Grundlagen unseres Wohlstands angelegt. All das sagen wir klipp und klar - vielleicht müssen wir es noch lauter tun.

Christian Lindner, so Kritiker, ist ja regelrecht abgetaucht.
Hagen: Sind das dieselben Kritiker, die vor Kurzem noch gemeckert haben, Lindner mache die FDP durch seine Omnipräsenz zu einer One-Man-Show? Ich halte beide Vorwürfe für unzutreffend. Die FDP insgesamt muss ihre Positionen wieder mutiger vertreten und deutlich machen, dass wir die Kraft der Erneuerung sind - damit waren wir 2017 sehr erfolgreich.

Die Grünen verstehen es, mit ihrem Thema die Staatsregierung vor sich herzutreiben. CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder versucht mittlerweile sogar, der grünste aller Grünen zu sein. Warum gelingt derlei der FDP nicht bei ihren Themen?
Hagen: Die "Ergrünung" der CSU ist in der Tat bemerkenswert. Wenn Alexander Dobrindt Strafsteuern auf Flugtickets fordert, die seiner Meinung nach zu billig sind, kann ich nur noch den Kopf schütteln. Aber wir freuen uns, dass die CSU mitunter auch gute Ideen der FDP übernimmt - beispielsweise unsere Forderung, auf die Grunderwerbsteuer für die erste eigene Immobilie zu verzichten. Das erleichtert jungen Familien den Erwerb von Wohneigentum, und Bauminister Hans Reichhart will das jetzt neuerdings auch. Nur zu!

War es ein Fehler, dass die FDP im Bund nicht in die Regierung gegangen ist?
Hagen: Jamaika hätte eine Chance sein können, wenn die beteiligten Parteien zuerst mal eine gemeinsame Vision entwickelt hätten, wohin sie unser Land führen wollen. Stattdessen hat man sich in Differenzen verheddert. Schade - ich bin nämlich jemand, der gerne gestaltet, und das geht in der Regierung besser als in der Opposition.

Und mit welchen Themen wollen Sie nun in Bayern punkten?
Hagen: Auf unserer Klausurtagung (Anm. d. Red. : Start heute) werden wir uns bewusst um Themen kümmern, die momentan in der öffentlichen Debatte zu kurz kommen. Pflege beispielsweise, ein absolutes Megathema: Bis 2030 fehlen uns in Bayern 60000 Pflegekräfte. Oder die Digitalisierung: Bayern verliert hier international den Anschluss, die Netzabdeckung im ländlichen Raum ist erbärmlich. Außerdem arbeiten wir aktuell an einem Bildungskonzept, das den Schulen mehr Freiheit lässt und durch Wettbewerb zu besseren Ergebnissen kommt. Wir haben jede Menge Ideen.

DK



Das Interview führt

Alexander Kain.