Nürnberg
Der gemeinsame Weg ist das Ziel

300 Kilometer zu Fuß von Prag nach Nürnberg - Kerstin Gnodtke aus Nürnberg macht es bereits zum zweiten Mal

18.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:13 Uhr
Für Kerstin Gnodtke geht es am 7. Juli wieder los. −Foto: Foto: Gnodtke

Nürnberg (HK) Selbst viele Läufer finden diesen Mega-Marathon wohl etwas verrückt.

Am 7. Juli startet der Langstreckenlauf "Via Carolina" von Prag nach Nürnberg. Zwei Tage und eine Nacht werden die Teilnehmer in Teams auf der "Goldenen Straße" von der Moldau an die Pegnitz unterwegs sein. Wir haben mit Kerstin Gnodtke gesprochen, die bei dem Team-Staffellauf auf der historischen Handelsstraße zwischen Böhmen und Franken heuer schon zum zweiten Mal mitmachen will. Dabei berichtete die leidenschaftliche Läuferin aus Nürnberg nicht nur von atemberaubenden Momenten und tollen Landschaften während des 32-stündigen Etappenlaufs.

Frau Gnodtke, warum tut man sich das an?
Kerstin Gnodtke: Man läuft so eine große Strecke von Prag nach Nürnberg eigentlich nur mit dem Kopf. Man braucht mentale Stärke. Das ist eine tolle Erfahrung, wie Körper und Geist bei solchen Aufgaben in Einklang kommen. Man läuft sich wirklich frei. Man muss aber schon an seine Grenzen gehen. Wenn man den inneren Schweinehund überwunden und die Komfortzone verlassen hat, lernt man sich und andere am Ende des Langstreckenlaufs ganz anders kennen.

Sie haben im letzten Jahr schon einmal teilgenommen. Mit welchen Gefühlen sind Sie damals an den Start gegangen?
Gnodtke: Beim Start des Abenteuers in Prag herrscht große Aufregung. Die Anspannung wechselt in Euphorie, wenn die Teilnehmer gemeinsam über die Karlsbrücke laufen. Ich und viele andere hatten aber auch mächtig Respekt vor der Strecke - besonders vor der Nachtetappe. Dabei läuft man mit Stirnlampe durch die Dunkelheit. Man sieht höchstens zwei Punkte vor und zwei kleine Punkte hinter sich. Wenn man als erster an der Spitze des Feldes vorne weg läuft, darf man sich auf keinen Fall verlaufen, sonst führt man die ganze Gruppe auf den Holzweg (lacht). Zum Glück werden die meisten Läufer von Mannschaftskollegen auf dem Fahrrad begleitet. Für mich ist der Sonnenaufgang am allerschönsten gewesen. Das ist ein bewegender Moment. Wenn sich die Landschaft nach der langen Dunkelheit endlich vor einem öffnet. Das ist wie eine Horizonterweiterung. Das ist ein großer Moment.

Geht es bei dieser Veranstaltung eigentlich auch ums Gewinnen?
Gnodtke: Nein. Es geht darum, gemeinsam dieses Abenteuer zu erleben. Man läuft meistens in kleinen Gruppen. Wir unterhalten uns dann auch beim Laufen. Da habe ich tolle Begegnungen erlebt. Der gemeinsame Weg und das gleiche Ziel verbinden unheimlich. Da passieren auch menschlich tolle Momente.

Aber die ganze Strecke von Prag nach Nürnberg - das kann doch keiner alleine am Stück schaffen, oder?
Gnodtke: Nein. Das schafft kein Mensch. Wir haben diesmal aber einen Ausnahmeläufer dabei, der tatsächlich acht Etappen à zehn Kilometer laufen will. Die anderen Teilnehmer laufen aber alle weniger. Ich will zwischen vier und sechs Etappen laufen. Meine Mutter will in diesem Jahr auch zum ersten Mal mitmachen. Sie will zwei Etappen schaffen. Meine beiden Kinder wollen sie auf dem Fahrrad begleiten, um ihr den Weg zu zeigen. Und um sie ein bisschen anzufeuern, wenn ihr mal die Luft weg bleibt.

Apropos: Werden die Läufer am Streckenrand angefeuert ?
Gnodtke: Auf der Strecke meistens nicht. In Prag beim Start gibt es natürlich Publikum. In Nürnberg befindet sich das Ziel auf dem Hauptmarkt. Da freuen wir uns auch über viele Zuschauer, die uns auf den letzten Metern nach Hause am 8. Juli ab 20 Uhr anfeuern.

Laufen tschechische Läufer mit?
Gnodtke: Ja, das gibt es. Das ist auch der Sinn dahinter. Dieser Lauf soll die beiden Bruderstädte Prag und Nürnberg über die alte Handelsstraße wieder näher zusammenbringen. Die Verbindung zwischen den Städten funktioniert über die Menschen, die die Straße benutzen.

Wie schön ist die "Goldene Straße" wirklich?
Gnodtke: Die Strecke ist landschaftlich unheimlich reizvoll. Es gibt viele Wälder und viele Flüsse. Wir müssen zum Glück nicht auf den Hauptstraßen laufen. Zu Fuß auf der Goldenen Straße merkt man natürlich, wie groß die Distanz zwischen den beiden Städten ohne Auto wirklich ist. Diese Reise ist nicht kurz. Die Vorfreude steigt dadurch. Man nimmt die Veränderungen der Landschaft ganz anders wahr. Es geht nicht darum, schnell anzukommen. So eine Reise zu Fuß von Prag nach Nürnberg ist heute noch ein richtiges Abenteuer.

Gibt es generell einen Trend, auf längeren Strecken wieder zu Fuß unterwegs zu sein?
Gnodtke: Immer mehr Menschen laufen. Viele Leute suchen die Entschleunigung und das Ausbrechen aus dem Alltag. Viele suchen wieder die Herausforderung und das Abenteuer. Nicht im Sinne von Extremsport sondern als echtes Erlebnis, das man sich nicht so einfach kaufen kann. Laufen ist ja die natürlichste Fortbewegungsart des Menschen. Viele entdecken, dass der Weg das Ziel ist. Anstatt in die Ferne zu fliegen, wandern heute viele zum Beispiel in den Ferien über die Alpen. Das ist so ein Trend, der in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Man muss auch nicht immer angekommen. Sich auf den Weg machen ist das Ziel.

Welches Fernziel haben Sie zuletzt zu Fuß besucht?
Gnodtke: Ich habe zuletzt beim Mega-Marsch mitgemacht und bin von München nach Mittenwald nonstop gewandert. Nach 23 Stunden und 45 Minuten bin ich angekommen. Das war wirklich krass. Aber auch total schön. Im Ziel ist man natürlich schon total kaputt. Aber auch sehr glücklich über die eigene Leistung und die tollen Erlebnisse.

Das Gespräch führte

Nikolas Pelke