Freising
Im Steilflug nach oben

Heue vor 25 Jahren hob der erste Flieger ab

15.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:07 Uhr

Foto: DK

Freising (DK) Der Umzug des Münchner Flughafens von Riem ins Erdinger Moos vor exakt 25 Jahren bedeutete eine logistische Meisterleistung. Viele Anlieger am neuen Standort sahen ihre Heimat als verloren an. Die meisten haben sich heute mit dem Nachbarn abgefunden.

Gespannt blickte die Welt nach München. Genau heute vor 25 Jahren war der Tag gekommen, von dem sie in Berlin noch eine Weile träumen werden: Der Umzug des Flughafens stand an, vom Stadtbezirk Riem, wo die Maschinen seit 1939 gestartet waren, ging es ins Erdinger Moos bei Freising, in nur 19 Stunden. Eine logistische Meisterleistung. Noch vor Sonnenaufgang in der Nacht zum 17. Mai 1992 erfolgten die ersten Starts und Landungen auf dem nagelneuen Airport. Was die Macher des Projekts mit Stolz erfüllte, kam für viele Menschen im Umfeld dem Verlust ihrer Heimat gleich. Jahrelang hatten sie gegen die Zerstörung der Natur gekämpft, nun hatten sie verloren. Ein Vierteljahrhundert später haben sich viele mit dem Flughafen arrangiert.

Rund 5000 Menschen vollbringen in jener Nacht ein wahres "Wunderwerk". Sie packen Einrichtung, Mobiliar und die vielen Spezialfahrzeuge auf rund 700 Lastwagen, und ab geht das Flughafeninventar ins 30 Kilometer entfernte Erdinger Moos. Höhenkontrollen stellen sicher, dass niemand ungewollt eine Brücke "küsst". Die Polizei ist mit großem Aufgebot dabei, auch aus Ingolstadt. In Riem läuft der Betrieb derweil weiter, die letzte Maschine hebt kurz vor 23 Uhr ab. Am Ende rücken Souvenirjäger an und nehmen mit, was sie kriegen können. Trudering-Riem feiert freudig den Abschied vom Turbinenlärm. Ein richtiges kleines Volksfest.

Volkstrauer ist zur selben Zeit in den Umlandgemeinden bei Freising angesagt. Viele Anlieger wirken verzweifelt. Jahre zuvor hatte es hier und da schon keine Baugenehmigungen für Privathäuser mehr gegeben, um die Flughafenpläne nicht zu gefährden. "Die wollen unsere Ortschaften aushungern", sagt ein zorniger Bauer in ein Reportermikrofon. In Hallbergmoos (siehe Bericht unten) haben Naturschützer und Bürgerinitiativen zur Abschiedsfeier eingeladen. Abschied vom Moos. "Franz-Josef-Strauß-Schmiergeldfluchhafen" steht in großen Lettern auf einem Transparent. Die Bewohner in Achering treffen sich zu einer Trauermesse und anschließend in einem Gerätehaus. "Der letzte ruhige Tag" steht an der Wand, dort hängen Fotos mit alten Dorfansichten. Idylle, wie es sie heute nicht mehr gibt. Da und dort fließen Tränen. Ihren Maibaum haben sie schwarz angemalt. Auf den Straßen rundherum rollt derweil der Umzugskonvoi an.

Der Bürgerwiderstand hatte das Projekt zumindest ausgebremst. Nicht alles war so rasant verlaufen wie der Einzug in den neuen Flughafen. Im August 1969 hatte die bayerische Staatsregierung das Erdinger Moos als neuen Airportstandort verkündet. Dem Baubeginn im November 1980 folgte ein gerichtlich verfügter Baustopp, der bis März 1985 dauern sollte. Aber alle Rechtsmittel von Anliegern blieben vergeblich, mit kleinerer Planung ging der Bau weiter. Der Flughafen hat manches kaputtgemacht, aber auch neue Chancen gebracht. Städte und Gemeinden rundherum profitieren bis heute vom wirtschaftlichen Aufschwung, den der Airport brachte. Neue Arbeitsplätze entstanden, nicht nur für die Menschen aus der Gegend. Selbst aus dem Ingolstädter Raum pendeln Mitarbeiter täglich zum Flughafen. Wolfgang Bock aus Mändlfeld (Kreis Neuburg-Schrobenhausen), Moritz Riedl aus Hohenwart (Kreis Pfaffenhofen) und Christian Ringel aus Ingolstadt-Hagau gehören dazu. "Es ist schon etwas Besonderes hier, es wird nie langweilig", sagt Bock. Mit Herzblut seien sie dabei, es mache großen Spaß. "Und du arbeitest immer mit modernster Technik." Die täglich neue Herausforderung entschädigt für manche Stunde im Stau bei der Heimfahrt. Wäre Audi nicht näher und eine Alternative gewesen? "Der Wohlfühlfaktor ist uns lieber als vielleicht ein paar Euro mehr", sagen sie unisono.

Manche sind wegen des Lärms fortgezogen. Andere kommen freiwillig hierher. Wie Birgit Haller. Seit 13 Jahren lebt sie direkt am Airport. "Gänse- und Enteneier zu verkaufen", heißt es an der Einfahrt des Anwesens nur 250 Meter vom Südzaun des Flughafens entfernt. Neben dem Federvieh hält sie fünf Schafe und zwei Hunde. "Fluglärm? Der macht mir nichts, die fliegen doch am Haus vorbei und nicht drüber", meint die 52-Jährige. Krach sei subjektiv, stellen die Unempfindlichen fest. Andere, wie Jürgen Steiner von der Hallbergmooser Bürgerinitiative (BI) gegen Fluglärm, bedauern, "dass wir seit 25 Jahren nicht mal bei gekipptem Fenster schlafen können". Nun wolle man darauf schauen, dass die dritte Startbahn nicht doch kommt.

Eine alte Dame sitzt im Rollstuhl am Airportzaun. "Anfangs war ich dagegen, aber dann habe ich mich gefreut, dass ich wegfliegen kann." Wohin ist sie denn gereist? "Nach Namibia", antwortet sie, und die hellen Augen der 83-Jährigen strahlen. Als ein Jet startet, streckt sie den Arm zum Himmel, als wollte sie ihn fangen. Dann kullern Tränen. "Jetzt kann ich nichts mehr allein machen." Ihre Betreuerin schiebt sie fort. Michaela Jakob aus Hallbergmoos berichtet von "ganzen Horden", die an sonnigen Wochenenden aus München anreisen, um am Zaun Picknick zu machen. "Mir gefällt es hier ", sagt die 54-Jährige.

Die Flughafengesellschaft hat allen Grund zum Feiern. Bester Flughafen Europas, bestes Terminal der Welt, solche Auszeichnungen machen den Verantwortlichen Freude. Auch wirtschaftlich hält der Steilflug nach oben an: Für 2016 gebe es einen Rekordgewinn von rund 150 Millionen Euro, hieß es kürzlich. Punktlandung zum Jubiläum.