"Den Vorwurf halte ich für abwegig"

07.05.2010 | Stand 03.12.2020, 4:02 Uhr

Augsburg/Eichstätt/Schrobenhausen (DK) Zuletzt hatte sich die Lage um den Augsburger Bischof Walter Mixa etwas beruhigt: Der 69-Jährige soll sich in ein Sanatorium in der Schweiz zurückgezogen haben, der Papst ließ sich mit einer Antwort auf das Rücktrittsgesuch Mixas Zeit, die Untersuchungen des Sonderermittlers zu den Prügel- und den Untreuevorwürfen im Schrobenhausener Kinderheim liefen im Stillen weiter. Doch dann überschlagen sich am Freitag binnen weniger Stunden die Ereignisse.



Zuerst wird bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Ingolstadt wegen des Verdachts auf Kindesmissbrauchs Vorermittlungen gegen Mixa aufgenommen hat, wenig später sickert durch, dass der Vatikan dem Rücktrittsangebot zugestimmt habe.

Hinweis aus Augsburg

Den Stein ins Rollen gebracht hat die Heimatdiözese Mixas, die in den ersten vier Monaten dieses Jahres über 5000 Kirchenaustritte registrierte. "Das Bistum hat Hinweise, die jetzt gegeben wurden, in Übereinstimmung mit den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz den zuständigen Stellen zur Kenntnis gebracht und angezeigt", bestätigt der Augsburger Generalvikar Karlheinz Knebel auf Anfrage. Der Vorwurf: Mixa soll in seiner Zeit als Bischof von Eichstätt (1996 bis 2005) einen Minderjährigen missbraucht haben.

Der Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, der das Amt 2006 von Mixa übernommen hatte, trifft die Meldung der Staatsanwaltschaft nicht unvorbereitet: Hanke habe am Montag von der Diözese Augsburg erfahren, dass es Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen Bischof Walter Mixa in seiner Eichstätter Zeit gebe, und dass diese zur Prüfung an die Generalstaatsanwaltschaft in München weitergeleitet würden, erklärt Pressesprecher Martin Swientek.

Eine Sprecherin im bayerischen Justizministerium bestätigt gegenüber dem DONAUKURIER, dass Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen Walter Mixa laut geworden sind. Die Staatsanwaltschaft in Ingolstadt gibt sich auf Anfrage jedoch vorsichtig, was den Stand der laufenden Untersuchungen betrifft: "Ich kann nur soviel sagen, dass es Vorermittlungen in Richtung Bischof Mixa gibt. Im jetzigen Stadium lässt sich aber nicht sagen, ob an den erhobenen Vorwürfen etwas dran ist und ob es überhaupt ein Ermittlungsverfahren geben wird", erklärt Behördenleiter Helmut Walter. Weitere Einzelheiten könne er nicht nennen, bat er um Verständnis – aus ermittlungstaktischen Gründen, wie er sagt. Die Kriminalpolizei sei bisher jedenfalls noch nicht eingeschaltet worden. Es müsse erst geklärt werden, ob es einen hinreichenden Verdacht gibt.

Führende Laienvertreter aus den Bistümern Augsburg und Eichstätt warnen denn auch vor einer Vorverurteilung Mixas. "Ich bin schockiert", sagte der Augsburger Diözesanratsvorsitzende Helmut Mangold über die Vorermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs. "Ich hoffe, dass der Staatsanwalt Schuld oder Unschuld zügig feststellt." Bisher gebe es aber nur den Anschein eines Verdachts. Während es früher eher geheißen habe, "einen Priester oder gar einen Bischof zeigt man nicht an", werde heute nach den neuen Richtlinien der Bischofskonferenz jeder Verdacht der Justiz angezeigt.

Die stellvertretende Vorsitzende des Diözesanrates in Eichstätt, Marlies Müller, sagt: "Ich kann es mir nicht vorstellen, wo etwas gewesen sein soll." Sie sei von der Nachricht völlig überrascht. Als Mixa Bischof in Eichstätt war, habe man im Diözesanrat nie Hinweise oder Gerüchte in dieser Richtung gehört.

Auch sonst genießt Mixa in seinem früheren Bistum nach wie vor großen Rückhalt: Peter Nothaft, der von 1997 bis 2003 Sekretär des Bischofs war, reagiert vollkommen überrascht. Er könne sich derartige Übergriffe des Bischofs nicht vorstellen, sagt er. Ihm sei auch nie etwas in dieser Art aufgefallen. Auch Jugendpfarrer Martin Geistbeck, der bei den jährlichen Jugendfahrten des Bischofs stets dabei war, hat eigenen Angaben zufolge nie etwas Auffälliges mitbekommen. "Ansonsten", so Geistbeck, "wäre ich eingeschritten". Keine Auskunft dagegen will der seit 2000 tätige Ministrantenreferent des Bistums Eichstätt, Markus Wittmann, geben.

Feucht-fröhliche Feste

Auch Mitglieder des von Mixa im Jahr 1998 in der Diözese Eichstätt ins Leben gerufenen "Interessentenkreises für Glaubens- und Lebensfragen", dessen Ziel die "bewusste Förderung geistlicher Berufe" ist, äußern starke Zweifel am Wahrheitsgehalt der Vorwürfe. "Mir ist nie etwas aufgefallen", erklärt ein ehemaliges Mitglied, das sich entsetzt über die Vorwürfe zeigt. Der Kreis hat jährliche Ausflüge unternommen und sich im Jahr an sechs Wochenenden getroffen – meist mit Beteiligung des Eichstätter Oberhirten. Allerdings hat es immer wieder einmal Gerüchte über möglicherweise zu enge Kontakte Mixas zu Interessenten am Priesteramt oder auch zu Priesteramtskandidaten gegeben. Sowohl im Bischofshaus als auch im Priesterseminar sollen zudem feucht-fröhliche Feste gefeiert worden sein, bei denen Mixa in "auffälliger Weise die nötige Distanz" zu Kandidaten habe vermissen lassen, wie es ein Insider formuliert. Dennoch: "Den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs halte ich für abwegig."

Weitere Ermittlungen

Schnell werden am Freitag Spekulationen über die Hintergründe der Vorwürfe laut. Noch kurz vor Bekanntwerden der Ermittlungen sagt ein Informant aus Kirchenkreisen im Gespräch mit einem Redakteur des DONAUKURIER: "Es gibt wohl eine Aussage vom Vatikan, nach der der Papst den Rücktritt Mixas nicht annehmen wird, wenn es bei diesen Prügelvorwürfen bleibt." Und: "Zurzeit liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Mixa im Amt bleibt, bei über 50 Prozent, weil der Vatikan sich nicht von Medien vorschreiben lassen will, was er zu tun oder zu lassen hat", so seine Einschätzung.

"Jetzt will man ihn endgültig los werden", mutmaßt denn auch am Freitag ein ehemaliger Ministrant aus Schrobenhausen – bevor sich die Meldung verbreitet, der Vatikan habe den Rücktritt Mixas angenommen. "Auf mich hat Walter Mixa immer völlig asexuell gewirkt", sagt ein anderer Messdiener, "das ist doch absurd".

Sonderermittler Sebastian Knott, der im Auftrag der Schrobenhausener Waisenhausstiftung die Prügelvorwürfe aus den Jahren 1976 bis 1995 sowie die Veruntreuung von Stiftungsgeldern untersucht, erfährt von den Missbrauchsvorwürfen aus den Medien. Ihm liegen dazu keine weiteren Informationen vor, sagt er und kündigt zugleich an, er werde frühestens Ende nächster Woche mit einem neuen Zwischenbericht an die Öffentlichkeit gehen. Die Frage ist nur, wieviele sich angesichts der neuen Vorwürfe für diesen Themenbereich noch interessieren werden.