Ingolstadt
Münchner liegt weiter im Koma

Nach Schlaganfall stundenlang auf Ingolstädter Polizeiwache ausgeharrt - Staatsanwalt untersucht Fall

24.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:21 Uhr

Ingolstadt (DK) Der Zustand eines 57-jährigen Münchners, der nach einem Schlaganfall stundenlang auf einer Ingolstädter Polizeiwache ausharrte und für einen Drogenkonsumenten gehalten wurde, bleibt ernst. Er liegt im künstlichen Koma. "Wir müssen mit allem rechnen", sagte seine Verlobte gestern.

Während der Mann sich weiter im Klinikum Ingolstadt befindet, hat sich die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. "Wir lassen uns jetzt alle Unterlagen zukommen und prüfen, ob hier strafrechtlich relevante Versäumnisse vorliegen", sagt Jürgen Staudt von der Ermittlungsbehörde.

Der Münchner war, wie berichtet, am 15. Mai gegen 22.20 Uhr auf der A9 bei Denkendorf aufgefallen, weil er am Autosteuer mit nur etwa 40 Kilometer pro Stunden und in Schlangenlinien Richtung Süden fuhr. Eine Streife der Verkehrspolizei Ingolstadt stoppte ihn wenig später. Die Überprüfung auf Alkohol verlief negativ, ein Drogenschnelltest ergab ein positives Ergebnis.

Die Polizisten brachten den Münchner für eine Blutentnahme zu einem Arzt ins Klinikum Ingolstadt und danach zurück auf die Wache, wo seine Verlobte ihn abholen sollte. Da die Frau aber ihr Telefon abgestellt hatte, dauerte es, bis sie informiert und mit dem Zug angereist war. Um 7.50 Uhr kam sie an und stellte fest, dass mit dem 57-Jährigen etwas nicht in Ordnung war, eine Gesichtshälfte sei herabgehangen. Sie ließ den Rettungsdienst rufen, im Klinikum erhielt sie die Diagnose: ein Schlaganfall! Eine sofortige Notoperation rettete dem Mann das Leben, die Mediziner entfernten ein Blutgerinnsel in seinem Kopf.

Doch seither liegt der Münchner im künstlichen Koma. "Ein Teil seines Hirns ist wohl abgestorben und die rechte Hälfte noch immer geschwollen. Die Ärzte haben versucht, ihn aufzuwecken, aber das bereitet ihm zu viel Stress", sagt seine Verlobte. Die Frau unterstellt der Polizei, nicht rechtzeitig reagiert zu haben, ihre Kritik trifft aber vor allem den für die Blutentnahme zuständigen Klinikarzt: "Da hatte mein Verlobter schon einen Blutdruck von 240, wie er mir noch gesagt hat, und trotzdem hat man ihn gehen lassen."

Das Klinikum in Ingolstadt bat auf Anfrage "um Verständnis, dass wir aus patienten- und datenschutzrechtlichen Gründen hierzu keine Angaben machen können", erklärte Sprecherin Katja Vogel. Jürgen Voraberger, Leiter der Verkehrspolizei in Ingolstadt, reagierte mit großer Betroffenheit auf den Vorfall. "Wir bedauern den Zustand des Mannes wirklich sehr, das habe ich auch in einem Brief an die Verlobte zum Ausdruck gebracht. Ich kann aber keine Versäumnisse meiner Kollegen erkennen", sagte er gestern gegenüber unserer Zeitung. "Als wir den Mann aus dem Verkehr gezogen haben, war zufällig ein Rettungsassistent anwesend und hat uns geholfen. Er hat nachträglich bestätigt, dass von einem Schlaganfall nichts zu erkennen gewesen ist. Sonst hätten wir natürlich sofort ärztliche Hilfe gerufen." Voraberger begrüßt deshalb die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen des Vorfalls, "weil wir uns nichts vorzuwerfen haben".

Der Münchner hatte erst kürzlich zwei Operationen überstanden, unter anderem am Herzen. Hatte er vielleicht vor Fahrtantritt zunächst nur einen leichten, nicht offensichtlichen Schlaganfall erlitten, der erst am Morgen in eine Hirnblutung mündete? Er war jedenfalls von einem Campingplatz im Altmühltal gekommen und ließ seinen Wohnwagen offen und entgegen seiner Gewohnheit unordentlich zurück. "Vielleicht ist er schon desorientiert losgefahren", vermutet ein Freund des Mannes. "Mit Drogen hatte er noch nie was zu tun, er hat ja kaum mal ein Bier getrunken."

Ein von der Verlobten veranlasster Urintest fiel dahingehend "absolut negativ" aus, sagt sie. Die 53-Jährige bangt derweil um das Leben des Mannes - im August wollen sie heiraten.