Ingolstadt
"Wo ist meine Tochter geblieben?"

Chettana Taprap aus Ingolstadt ist seit 2012 verschwunden - Mutter wartet vergeblich auf Antworten

28.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:20 Uhr
Chettana Taprap aus Ingolstadt, links zwei Bilder von ihr, gilt seit 2012 als vermisst. Ihre Mutter (gr. Bild, v.l.), eine Schwester und ihre Tante (vorne eine Nichte) rätseln seither über ihren Verbleib. −Foto: privat

Ingolstadt (DK) Die Zeit vergeht, doch sie heilt die Wunden nicht: Im fernen Thailand sehnt sich eine Mutter nach ihrer vermissten Tochter, Fragen plagen sie, doch Antworten erhält sie nicht. Sechs Jahre ist es nun her, dass Chettana Taprap aus Ingolstadt spurlos verschwand. Ihre Familie bleibt in Trauer und hilflos zurück. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen hat sie fast schon aufgegeben.

Die Vermisste hatte zuletzt mit ihren zwei kleinen Töchtern im Ingolstädter Nordostviertel gelebt, für den Vater der Mädchen bestand nach diversen ihm vorgeworfenen Übergriffen ein Kontaktverbot. Trotzdem war die damals 31-Jährige am 4. Juni 2012 mit ihm und den Kindern zu einem Kroatien-Urlaub aufgebrochen. Auf der Insel Rab soll die Frau nach Angaben des Mannes verschwunden sein. Seither fehlt jedes Lebenszeichen.

"Wo ist meine Tochter geblieben?", fragt Chettanas Mutter im fernen Thailand auf einem Video, das sie unserer Zeitung zukommen ließ. Sie und die übrigen Angehörigen haben weder die Mittel noch die Möglichkeiten, selbst Nachforschungen anzustellen oder mit den Behörden in Deutschland zu kommunizieren. Eine Tante und ein Onkel Chettanas - das Ehepaar lebt in Niederösterreich - ist für sie das einzige Bindeglied nach Europa. Als die beiden jetzt zu Besuch in Thailand waren, bekamen sie viele Fragen gestellt: Habt ihr etwas von Chettana gehört? Was tut die Polizei? Wo leben unsere zwei Enkelkinder? Warum dürfen wir keinen Kontakt zu ihnen haben? Antworten erhielten sie nicht. "Uns geht es ja ähnlich", sagt der Onkel. "Auch wir wissen nicht, wo die beiden Töchter unserer Nichte sind, ein Besuch ist uns verwehrt worden." Seit Jahren moniert er, dass er sich von der hiesigen Polizei mehr Nachdruck gewünscht hätte, was die Ermittlungen betrifft. "Ich bin fest überzeugt, dass Chettana ermordet worden ist, und der Täter läuft weiter frei herum."

So einfach ist die Angelegenheit freilich nicht. Ohne eine Leiche oder andere handfeste Beweise lässt sich schwer ein Mordvorwurf konstruieren. Die Umstände hatten den heute 40-jährigen Ex-Partner der Frau aber von Anfang zum Verdächtigen gemacht. Auf der Fahrt nach Kroatien hatte der VW-Camper der Familie einen Motorschaden, sie suchte eine Autowerkstatt im österreichischen Radstadt bei Salzburg auf. Da ein Ersatzteil fehlte, mussten die Urlauber mehrere Tage warten. Allerdings gibt es keine Zeugen, die Chettana Taprap nachweislich irgendwo gesehen hätten.

Die Kinder hatten später berichtet, die Mama sei schwer krank, regungslos und stumm im Fahrzeug gelegen, habe nur geschlafen und nichts gegessen. Trotzdem fuhr ihr Vater noch rund 430 Kilometer mit dem defekten VW in teils äußerst abgelegenen Gegenden herum. Was wollte er dort? Das Auto kaputt, die Frau schwer krank, auf der Rückbank zwei Kleinkinder - jeder andere wäre umgekehrt.

Doch der Ingolstädter nimmt sich einen Leihwagen, als es ihm mit der Werkstatt zu lange dauert, und setzt die Reise fort. Chettana - nach seinen Angaben mit an Bord - bleibt für andere indes ein Phantom. Sie wird weder an der Grenze gesichtet (die Überwachungskamera hält einen leeren Beifahrersitz fest), noch erinnert sich später im Hotel auf der Insel Rab jemand an sie. Am 12. Juni 2012 meldet der Ex-Lebensgefährte die Frau als vermisst, sie sei von einem Spaziergang nicht heimgekehrt. Anschließend verlässt er fluchtartig das Land. Die Polizei fasst ihn zwar, kann aber keine Beweise bringen, dass er mit dem Verschwinden Chettanas etwas zu tun hat. Nach kurzer Zeit in Haft kommt er frei.

Die Ingolstädter Kripo ermittelt weiter, tritt aber zunehmend auf der Stelle. Chettana Tapraps Töchter sind heute elf und neun Jahre alt und könnten möglicherweise etwas zur Aufklärung beitragen, aber der Fall ruht nun schon eine ganze Weile. Ob die Mädchen sich überhaupt noch erinnern, wo sie damals doch noch so klein waren? Als sicher gilt: Ein traumatisches Erlebnis wie der Verlust der Mutter dürfte die eine oder andere Spur im Gedächtnis hinterlassen haben.

Zuletzt suchte ein Medium aus Berlin in Österreich nach der Vermissten, das vorerst letzte Kapitel in dieser tragischen Geschichte. Die Frau geht von einer Gewalttat aus: "Chettana ist tot, das spüre ich." Sie glaubt auch zu wissen, wo die Leiche liegt, hat dort - bei Schladming - gegraben und einen Knochen gefunden. Die Untersuchungen und der Abgleich, ob er wirklich von Chettana Taprap stammt, dauern noch immer an.