Eichstätt
Bischof beendet "Experiment" in Egweil

Kaplan Johannes Weise muss Egweil im Sommer verlassen

27.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:46 Uhr
Harald Frey, Vertreter der Initiative "Pro Weise" und der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke. −Foto: Auer

Ein Kaplan und zwei Freunde machen im Pfarrhaus von Egweil im Landkreis Eichstätt eine fromme Wohngemeinschaft auf und begeistern als „Kreuzbrüder“ viele Menschen - viel mehr als der Pfarrer. Nun zieht der Bischof die Notbremse. Das ganze Dorf liegt im Streit.

Es ist gut möglich, dass sich der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke in diesen Tagen zurückwünscht in sein friedliches, ökologisch vorbildliches Benediktinerkloster Plankstetten, wo er viele Jahre mit großem Erfolg Abt war, bis er dann zum Bistumsoberhaupt wurde. Eben in diesen Tagen wird die Diözese Eichstätt von einem monströsen Finanzskandal erschüttert – es ist zu befürchten, dass 50 Millionen Euro in miesen Immobilienprojekten in den USA versenkt wurden, in Florida und Texas. Und jetzt auch noch Egweil! Ein ganzes Dorf ist in Aufruhr, wegen der katholischen Kirche, wegen Bischof Gregor Maria Hanke. Es hilft nichts: Der Bischof muss am Montagabend zur Pfarrversammlung nach Egweil.

Es geht um den Kaplan Johannes Weise und seine zwei Freunde. Die drei sind vor drei Jahren ins Pfarrhaus eingezogen und bilden eine Art fromme Männer-Wohngemeinschaft, ein geistliches Projekt. Es ist so etwas wie die Experimentierphase einer Ordensgründung. Die Männer nennen sich „Kreuzbrüder“, haben sich Ordensnamen gegeben, tragen schwarze Kapuzenpullis mit aufgedrucktem Kreuzsymbol, beten gemeinsam, halten Vorträge im Wirtshaus. Und nun kümmern sie sich auch noch um die Kommunionkinder. Sehr viele Egweiler sind begeistert von so viel frommer Zuwendung. Viele aber auch nicht. Und anscheinend schon gar nicht der reguläre Pfarrer, Slawomir Gluchowski. 
 
In Eichstätt registrierte man eine Art „Parallelstruktur“ zum offiziellen Pfarrangebot. Seit dem Jahreswechsel steht fest, dass Bischof Gregor Maria Hanke diesem Projekt ein Ende macht. Kaplan Johannes Weise (Bruder Martin) wird wider Erwarten nicht offiziell in den Eichstätter Klerus aufgenommen. Bis zum 31. Juli muss er Egweil verlassen – natürlich mit seinen Freunden. 
 
Seitdem geht es in Egweil rund: Die große Mehrheit der Kaplan-Unterstützer streitet sich mit der Minderheit seiner Gegner, Unterschriften werden gesammelt. Briefe geschrieben, es gibt Termine im Ordinariat, sogar der Bürgermeister fährt mit, denn es geht längst um mehr als die Kirche. Die Pfarrgemeinderatswahl ist wegen des völlig überhitzten Klimas auf unbestimmte Zeit verschoben. 



Und nun kommt Bischof Gregor Maria Hanke zur Pfarrversammlung ins 1100-Einwohner-Dorf im Schuttertal in der Pfarrkirche St. Martin. Etwa 250 Leute sind da, auch der Dekan Josef Funk aus Beilngries, Pfarrer Gluchowski spricht eine knappe Begrüßung. Man singt ohne Orgelbegleitung mit eher dünnen Stimmen das berühmte Lied, in dem der Heilige Geist um Hilfe gerufen wird: „Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein. . .“. Sämtliche sechs Strophen, es will schier kein Ende nehmen, die Stimmung ist beklemmend. Der Bischof stellt sich ans Lesepult, spricht ein Gebet für die Einheit der Christen. Er trägt einen schwarzen Mantel, ist hoch konzentriert. Jeder sieht: Das ist nicht der Abend für herzliche, warme Worte, eher wirkt es wie die Stunde des Inquisitors. Hanke ist bereit, sich allen Fragen zu stellen. Aber er sagt: „Ich denke und erwarte, dass hier kein Tumult entsteht. Sonst wäre es besser, den Abend zu beenden.“ In der über einstündigen Fragestunde sind Mitschreiben und Tonaufnahmen nicht erlaubt, nur bei der einleitenden Grundsatz-Erklärung des Bischofs. Und darin schildert Hanke den Egweilern ausführlich, was in ihrem Dorf in letzter Zeit aus Sicht der Diözesanleitung schief gelaufen ist. Jetzt gibt es für die „Kreuzbrüder“ keine Perspektive mehr, nicht in der Diözese Eichstätt. Der Bischof ist fest überzeugt, dass die drei Freunde auch bei keinem anderen Bischof in Deutschland noch eine Chance bekommen würden. Er sagt: „Das Experiment ist beendet.“ 
 
Er habe Fehler gemacht, räumt Hanke offen ein. Er habe zu lange zugeschaut, hätte gehofft, dass sich die rein private Dreier-Gemeinschaft auf sich selbst, nach innen, konzentriert. Seine Mitarbeiter hätten ihn von Anfang an gewarnt, dass das nicht gut gehen werde. Aber der Bischof kannte Johannes Weise vom Studium. Er gab ihm die Chance, zu dritt nach Egweil zu kommen. Reiner Zufall, denn das Pfarrhaus war gerade frei. „Göttliche Fügung“, meint einer aus dem Publikum.
 
Die Misere hat, wie sich im Laufe dieses Abends zeigte, ihre Wurzeln in der Kirchenhierarchie. Pfarrer der umliegenden Pfarreien ist Slawomir Gluchowski mit Sitz in Nassenfels. Und in Eichstätt hat man wohl zunehmend den Eindruck gewonnen, dass der seit 2014 im Egweiler Pfarrhaus wohnende Kaplan mit seinen Freunden dem Chef das Wasser abgräbt. Der Bischof stellt ihn zur Rede. Es hilft nichts. Alle drei „Kreuzbrüder“ machen sich in der Pfarrei nützlich, wo es nur geht. Der freundliche Kaplan trifft oft den richtigen Ton, in der Versammlung stehen Menschen auf und bekennen, dass sie sich auf jeden einzelnen Sonntagsgottesdienst mit ihm freuen. Davon können Priester sonst bloß träumen – und für den Pfarrer, Pater Slawomir Gluchowski, gilt das wohl auch. Er wird dann von einem Gläubigen immerhin gnädig als „Arbeiter im Weinberg des Herrn“ charakterisiert. Wenn es aber um dessen Forderung geht, dass Kommunionkinder regelmäßig die Sonntagsmesse besuchen sollten, hört man hämisches Lachen. 
 
Das ist genau das Klima, von dem man dem Bischof in Eichstätt in letzter Zeit berichtet hat. Jetzt sieht er sich bestätigt. In Egweil, so sein Urteil, gibt es „Hinweise auf eine Parallel-Pastoralarbeit, die den Pfarrer vor vollendete Tatsachen stellt.“ Er gibt „neidlos“ zu, dass es da „pfiffige Ideen und gute Sachen vor Ort“ gebe, aber das dürfe alles nur in Unterordnung unter den Pfarrer geschehen und mit Blick auf die Einheit der Gemeinde. 
 
Davon ist Egweil Lichtjahre entfernt, der Konflikt reicht, wie einer schildert, bis in die Vereine. In der Kirche gibt es mal Applaus für den Bischof, mal für die Anhänger der „Kreuzbrüder“. Noch etwas kommt hinzu, was den Bischof als Benediktiner-Mönch ernsthaft ärgert: Vielen ist es herzlich egal, ob die „Kreuzbrüder“ einem echten Orden angehören oder bloß Mitglieder eines Privatprojekts sind, die regelmäßig ihr Gelübde erneuern, vor aller Augen in der Kirche. Der Bischof versteht da keinen Spaß: „Ich bin selbst Ordensmann. Mit solchen Dingen spielt man nicht. Das ist Amtsanmaßung!“ Jemand fragt, ob auch die Jünger Jesu einem genehmigten Orden angehörten. Hanke blickt noch strenger als ohnehin. 
 
Den Egweilern schreibt er ins Stammbuch: „Es gibt außer dem Pfarrer keine Autorität. Und die Autorität liegt nicht bei dem, der am lautesten schreit.“ Da gibt es dann auch ziemlich viel Applaus. Harald Frey von der Initiative „Pro Weise“ übergibt noch einen Ordner mit 600 Unterschriften für den Verbleib der Kreuzbrüder in Egweil. 
 
Und dann ist der denkwürdige Abend auch schon fast zu Ende. Der Bischof wirkt erschöpft: „Wir müssen Möglichkeiten finden, diese Gräben zuzuschütten“, sagte er zum Schluss. Sein Rat heißt: miteinander beten. Und so beten alle noch gemeinsam das Vaterunser. Dann strömen die Menschen zügig hinaus. Es wird angeblich die kälteste Nacht des Jahres.