Ingolstadt
„Ich merke, dass die Leute das Gefühl haben, nicht genügend wahrgenommen zu werden“

Eva Gottstein zum Ehrenamt

05.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:06 Uhr

Kommissarische Beauftragte fürs Ehrenamt: die FW-Landtagsabgeordnete Eva Gottstein aus Eichstätt.


Frau Gottstein, welcher war der erste Verein, in dem Sie Mitglied waren?
Eva Gottstein: Das war die katholische Jugend. Mit 16 wurde ich dort auch Gruppenführerin, habe die Kleineren betreut und Gruppenstunden geleitet. Man brauchte natürlich eine gewisse Disziplin, weil die Stunden  vorbereitet werden mussten.  Das  war eine Herausforderung, hat aber   auch Spaß gemacht. Ich habe viel gelernt, auch für meinen späteren  Beruf als Lehrerin.  

Wo bringen Sie sich heute neben Ihrem kommunalpolitischen Engagement ehrenamtlich ein? 
Gottstein: Ich bin wieder zu den katholischen Wurzeln zurückgekehrt, indem ich seit vier Jahren stellvertretende Vorsitzende im Familienpflegewerk bin, das ist eine Tochter des Katholischen Frauenbundes. Von letzterem bin ich ebenfalls Vize-Vorsitzende. Außerdem bin ich Beirätin beim Ingolstädter Verein „Wirbelwind“,  einer Fachberatungsstelle bei sexualisierter Gewalt.

Warum gerade in diesem Bereich?
Gottstein: Bei „Wirbelwind“ geht es mir klar um das Subsidiaritätsprinzip.  Der Staat muss sich nicht um alles kümmern, hier können  private Vereine oft niederschwelliger agieren. Solche Leute muss man unterstützen. 

Sie sind kommissarische Regierungsbeauftragte fürs  Ehrenamt. Warum braucht es dieses Amt?
Gottstein: Es geht um  Wertschätzung. Ich merke, dass die Leute das Gefühl haben, nicht genügend wahrgenommen zu werden. Das ist eine Anlaufstelle für Bürger, bei der Anliegen von Vereinen und Verbänden aufschlagen.  Die Leute erwarten zu Recht, dass nicht nur Sonntagsreden geschwungen werden, sondern dass die Wertschätzung auch in praktische Tätigkeit umgesetzt wird.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
Gottstein: Ich möchte noch mehr die Frauen im Ehrenamt in den Vordergrund rücken. 

Viele Vereine haben Nachwuchssorgen, vor allem, wenn es um Vorstandsposten geht. Warum ist es nicht cool, Schatzmeister  zu sein?
Gottstein: Mit dieser Frage werde ich mich befassen. Das muss man auch  professionell angehen und vielleicht wissenschaftlich evaluieren lassen.  Aber es ist heutzutage nun mal so, dass viele mit Familie und Beruf schon so sehr eingespannt sind, dass nicht mehr viel Zeit bleibt. Diese Nachwuchssorgen haben wir ja auch in der Politik.  

Braucht es eine Modernisierung?
Gottstein: Nicht unbedingt Modernisierung, aber eine Aktualisierung. Die Gesellschaft wird immer mehr zur Event-Gesellschaft, man muss neue Wege finden und Ideen entwickeln, um an die Leute ranzukommen. Der klassische Stammtisch ist vielleicht nicht mehr zeitgemäß.

Welche Möglichkeiten hat die Politik? 
Gottstein: Die Politik kann ihren Beitrag leisten, dass man auch im flachen Land noch Örtlichkeiten findet, wo man sich treffen kann – sprich die Infrastruktur verbessern. Man muss sich auch überlegen, ob die Politik finanzielle Unterstützung bieten kann,  zum Beispiel Vereine  bei einer Weihnachtsfeier unterstützen.  Und da ist noch der steuerliche Aspekt. Die Pauschale, die es als Aufwandsentschädigung gibt, ist möglicherweise nicht mehr zeitgemäß. Aber letzten Endes engagieren sich die Leute nicht wegen des Geldes, und dafür möchte ich allen Ehrenamtlichen danken. 

Das Gespräch führte Verena Belzer.