Neumarkt
Geldstrafe wegen Nazi-Parolen

Kaminkehrermeister muss 8400 Euro zahlen, weil er als Ausbilder das Horst-Wessel-Lied sang

11.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:41 Uhr
Hier kam es zu den abendlichen Ausfällen: An der Kaminkehrerschule im Dietfurter Ortsteil Mühlbach hatte ein Ausbilder unter anderem das Horst-Wessel gesungen und die Nazi-Parole "Ein Volk, ein Reich, ein Führer"gerufen. −Foto: Kirschner

Neumarkt/Dietfurt (DK) Sein Verhalten kann er sich nach eigenen Worten "selber nicht erklären": Ein Schornsteinfeger aus dem oberfränkischen Hof hatte als Ausbilder an der Kaminkehrerschule im Dietfurter Ortsteil Mühlbach (Landkreis Neumarkt) Nazi-Lieder gesungen und NS-Parolen gegrölt. Deshalb muss er jetzt 8400 Euro zahlen.

Nach nur gut einer halben Stunde war der Prozess am Neumarkter Amtsgericht zu Ende: Der 50-jährige Angeklagte zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen mit jeweils 70 Euro verurteilt. Der Angeklagte zeigte sich in vollem Umfang geständig, weshalb schließlich Amtsrichter Rainer Würth von einer Freiheitsstrafe Abstand nahm.

Nach dem 18. Januar dieses Jahres war der Friede im Kaminkehrerschulungszentrum im idyllischen Mühlbach an der Altmühl empfindlich gestört. Die jungen Kaminkehrer aus den Regierungsbezirken Oberpfalz, Ober- und Unterfranken werden dort ausgebildet und sollen lernen, wie man Feuerstellen reinigt und welche Brandschutzrichtlinien zu befolgen sind. Ungefähr 15 bis 20 Schüler - nicht alle kannten den Beschuldigten - trafen sich am Abend in der sogenannten "Räucherkammer" zum Ausklang des Tages. Der verheiratete Ausbilder gesellte sich dazu und so gegen 22.15 Uhr - so die Staatsanwältin in der Anklageschrift - begann er unter anderem das Horst-Wessel-Lied, das Lied der Sturmabteilung (SA) der NSDAP und die spätere Parteihymne der Nazis, zu grölen. Der 50-jährige Schornsteinfegermeister forderte die jungen Männer mit Nachdruck zum Mitsingen aus und rief die Parole "Ein Volk, ein Reich, ein Führer". Außerdem erzählte der Angeklagte Judenwitze und imitierte die Stimme Adolf Hitlers. Einem Schüler war das alles nicht mehr geheuer und er drehte unbemerkt ein Video, das er dem Bayerischen Fernsehen (BR) und der "Bild"-Zeitung zukommen ließ. Dadurch kam der Fall ins Rollen und Mühlbach mit seiner Kaminkehrerschule geriet in die Schlagzeilen.

Der Angeklagte blickte beim Verlesen der Anklageschrift nach unten und hielt seine Hände immer wieder vor sein Gesicht. Der 50-Jährige gab nur kurze Auskünfte zu seiner Person und seinem Einkommen. Dafür gab sein Rechtsanwalt eine Erklärung ab, die er mit seinem Mandanten abgesprochen hatte.:Der Angeklagte sei sich seiner Schuld bewusst, aber auf keinen Fall "dem rechten Gedankengut zugehörig". Ob das eine Entschuldigung, fragte der Richter. "Ja", antwortete der Rechtsanwalt und der Angeklagte pflichtete nickend bei. Der Angeklagte, der wegen der Entgleisungen schon seit längerer Zeit in psychotherapeutischer Behandlung sei, verstehe seine Handlung selbst nicht, so der Anwalt. Drei bis vier Bier habe er am besagten Abend getrunken und die Wirkung sei anders gewesen als sonst, habe ihm der Angeklagte geschildert.

Die Staatsanwältin forderte eine sechsmonatige Freiheitsstrafe, zur Bewährung ausgesetzt, dazu 3000 ?Euro Geldstrafe. Der Verteidiger des Kaminkehrers sagte in seinem Plädoyer, dass die Nazi-Parolen nicht unter den Tisch gekehrt werden dürften, aber sein Mandant kein tief verwurzeltes rechtes Gedankengut besitze. "Er ist der demokratischen Grundordnung treu." Das geforderte Strafmaß sei deshalb zu hoch, meinte der Anwalt. Der Beschuldigte habe sich außerdem selbst angezeigt und sei aus der Lehrerschaft ausgeschlossen worden. "Dass ich nicht weiter unterrichten darf, ist meine größte Strafe", sagte der Angeklagte in seinem Schlusswort. "Dass ich so etwas gemacht habe, kann ich mir selber nicht erklären", so der 50-Jährige.

Richter Rainer Würth begründete sein Urteil damit, dass beim Schornsteinfeger Schuldeinsicht vorhanden sei und keine Nazi-Gesinnung in dessen Gesamtpersönlichkeit eingebettet sei. Vor Heranwachsenden aber in die Nazi-Schublade zu greifen, sei "unschön" gewesen. Der Angeklagte nahm das Urteil sofort an.