Ingolstadt
Die Supernasen auf vier Beinen

Spürhunde aus Ingolstadt stöbern entlaufene Haustiere auf

02.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:03 Uhr
"Anyu", der holländische Entenlockhund (Nederlandse Kooikerhondje), liebt die Arbeit als Spürhund. Der siebenjährige Rüde – im Bild mit Frauchen Andrea Reinhardt – kann auch zur Suche von entlaufenen Haustieren eingesetzt werden. Im Hintergurnd folgt Hundetrainer Siegfried Weidner, Leiter des K9-Suchhunde-Stützpunkts Ingolstadt. (Foto: Richter) −Foto: Richter Horst, Ingolstadt (hri)

Ingolstadt (DK) Das Tempo ist enorm. Mischlingshündin "Josy" zieht heftig an der langen Leine, bis ihr Frauchen Claudia Herzing kaum noch hinterherkommt.

Sie wischt um die Ecke, schnuppert kurz am Boden und schon geht es weiter. Was für Außenstehende vielleicht nach einem unfolgsamen Vierbeiner aussehen mag, ist in Wirklichkeit gewollt. "Josy" macht gerade eine Ausbildung zum Suchhund, da ist nichts mit gemächlich dahintrotten und "bei Fuß" gehen. Mit dem "Duft" eines Vermissten in der Nase flitzt sie nur so durch die Gegend und hat den Mann wenig später in einem Gebüsch aufgespürt. Es ist nur eine Übung, aber im Ernstfall liefe es kaum anders. Es gibt großes Lob, Leckerlis und Streicheleinheiten für den Vierbeiner, der als griechischer Straßenhund auf Umwegen im Neuburger Tierheim landete und nun bei Claudia Herzing lebt. "Er liebt dieses Training", sagt die Ingolstädterin.

Die Frau ist mit ihrer schwarzen Hündin eine von knapp 30 Tierhaltern, die sich dem K9-Suchhunde-Stützpunkt Ingolstadt angeschlossen haben. Siegfried Weidner hat die Einrichtung gegründet (suchhunde-ingolstadt.de). "Die Nasenarbeit ist für den Hund die wahrscheinlich artgerechteste Form der Auslastung", lautet das Credo des 61-Jährigen. Das Besondere: Es geht nicht nur darum, Menschen zu finden, auch verschwundene Haustiere gehören zur Zielgruppe. Ist der Hund oder die Katze entlaufen, sind die Besitzer untröstlich, es handelt sich schließlich um liebgewonnene Familienmitglieder. Da ist die Verzweiflung groß. "Wir wollen den Betroffenen helfen", sagt Weidner.

Nicht selten löst sich das Problem rasch von selbst, wenn die Halter entlaufener Tiere die Ratschläge des Suchteams annehmen. "Ist ein Hund beim Gassigehen plötzlich weg, sollte man dort, wo er zuletzt war, warten", sagt Weidner. "Meistens kehrt er von selbst zurück." Passiert das nicht, empfiehlt es sich, ein Kleidungsstück von sich liegenzulassen, bevor man geht. "Kommt der Hund später doch, bleibt er oft dort sitzen." Hilfreich sei auch, vom letzten Sichtungsort sternförmig einige hundert Meter in gerader Linie wegzugehen, immer von der Mitte nach außen und zurück. "Damit legt man eine Spur, die der Hund bis zum Ursprungsort verfolgt, wenn er auf den vertrauten Geruch trifft. "

Bei Katzen ist die Sache ungleich schwieriger, weil sie keine Grundstücksgrenzen kennen und über Mauern und Zäune springen. "Sie können überall sein, auch da, wo ein Hund nicht hinkommt", weiß Siegfried Weidner. Ist der Stubentiger verschwunden, rät er dazu, erst einmal die Nachbarschaft zu informieren und Suchzettel auszuhängen. "Oft führen diese Tipps schon zum Erfolg."

Und wenn nicht? Dann können Betroffene sich an den K9-Suchhund-Stützpunkt wenden. "Wir versuchen mit unseren Hunden, die vermissten Tiere aufzuspüren", sagt Weidner. "Dazu brauchen wir eine Geruchsprobe, das kann ein Halsband, eine Decke oder alles sein, das nach dem entlaufenen Hund riecht." Dort, wo das Tier verschwunden ist, beginnt das "Trailing", also die Spurverfolgung. "Manchmal reicht es, die Richtung zu wissen, wohin ein Haustier verschwunden ist. Wir können dann eine Lebendfalle aufstellen", berichtet Weidner. Anfragen kommen etwa alle 14 Tage, er hilft, wo er kann. "Die größten Chancen bestehen, wenn ein Tier irgendwo krank oder verletzt liegt und nicht weg kann. Ein gesunder Hund wird dagegen immer scheuer, je länger er auf sich gestellt ist."

Weidner trainiert die Suchhunde jede Woche freitags und samstags in Parks oder Nebenstraßen, mitmachen kann jeder interessierte Halter. "Gut wäre, wenn wir noch irgendwo eine Halle zur Verfügung gestellt bekämen", sagt er. Andrea Reinhardt aus Gaimersheim gehört mit ihrem Rüden "Anyu" ebenfalls zum Team. "Ich habe eine Auslastung für ihn gesucht. Er hat vorher große Angst vor anderen Hunden und Menschen gehabt, das ist viel besser geworden, seit er hier mitmacht." Christine Böhm aus Ingolstadt findet ihre andalusischen Straßenhündin "Elfie" jetzt "viel ruhiger und ausgeglichener". Die Hunde lieben die Nasenarbeit, "das ist wie eine Droge für sie", sagt Trainer Weidner. Michael Kuczyk aus Gaimersheim kann das für seinen Flatcoated Retriever "Timmy" nur bestätigen: "Wenn ich die Suchleine und das Brustgeschirr heraushole, dann springt er schon vor lauter Freude los", sagt er.

Horst Richter