München
Deutliche Signale pro Islamunterricht

Kultusminister Piazolo spricht von einer "guten Sache" - die auch nach dem Modellprojekt wohl weitergeht

15.02.2019 | Stand 23.09.2023, 5:58 Uhr
Der Islamunterricht in Bayern wird vermutlich bald flächendeckend an den Schulen angeboten werden. Noch immer wird der laufende Probeunterricht analysiert - das Gesamtergebnis steht aus. Aber Kultusminister Michael Piazolo (FW) äußert sich bereits im Vorfeld positiv. −Foto: Berg, Mirgeler/dpa

München (DK) Kultusminister Michael Piazolo (FW) hat sich in der Diskussion um einen Islamunterricht an den bayerischen Schulen überraschend deutlich positioniert - noch bevor das Ergebnis einer Studie zu einem landesweit laufenden Pilotprojekt vorliegt. Auf Anfrage unserer Zeitung sagte er: "Ich persönlich habe schon immer gesagt, dass es vom Grundsatz her eine gute Sache ist. "

Der Islamunterricht habe "eine integrative Wirkung, die wichtig ist", sagte Piazolo weiter. So hatte er sich zuvor auch schon gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" geäußert.

Derzeit gibt es etwa 100 Lehrer, die im Rahmen eines seit zehn Jahren laufenden Pilotprojekts Islamunterricht an Bayerns Schulen erteilen. Parallel dazu werden die Ergebnisse analysiert. Das Resultat der Gutachter lässt noch auf sich warten. Gleichzeitig aber wächst an den Schulen und vor allem bei den Lehrern die Ungeduld, wie es denn nun weitergehen soll.

Das Modellprojekt läuft Ende Juli aus - dann hängen die Lehrer in der Luft. Würde der staatliche Islamunterricht eingestellt, weil die Gutachter den Daumen senken, dann stünden sie ab August auf der Straße. Piazolos Aussagen machen nun relativ deutlich, dass es weitergehen wird - gleichzeitig kann der Minister natürlich nicht die Gutachter vor den Kopf stoßen, indem er die Veröffentlichung ihrer mühsam gesammelten Erkenntnisse nicht abwartet.

An Bayerns Schulen gibt es über 100000 muslimische Schülerinnen und Schüler. Etwa 16000 von ihnen erhalten im Rahmen des Modellversuchs derzeit Islamunterricht. 350 Schulen machen mit.

Stark in diese Materie eingestiegen ist der Landkreis Eichstätt. Dort gibt es laut Schulamtsdirektor Rudolf Färber flächendeckend Islam-Unterreicht an 15 Grund- oder Mittelschulen. Eine Islam-Lehrerin pendelt dabei von Schule zu Schule. Muslime, die nicht teilnehmen wollen, erhalten Ethikunterricht. Aber auch an diversen anderen Schulen im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung läuft der Modellversuch. So an der Ludwig-Steub-Grundschule in Aichach oder an der Neuburger Mittelschule und der dortigen Grundschule Ost. Aber auch an einigen Realschulen und Mittelschulen läuft der Versuch. Andernorts ist es eher mau: So gibt es in Riedenburg (Kreis Kelheim) an keiner Schule Islam-Unterricht. Im ganzen Kreis Neumarkt/Oberpfalz machen nur zwei Schulen, beide in der Kreisstadt selbst, mit.

In der Stadt Ingolstadt, seit Jahrzehnten eine "Multi-Kulti-Hochburg", erhalten aktuell 368 Grundschüler in 22 Gruppen und 128 Mittelschüler in acht Gruppen die sogenannte "islamische Unterweisung", wie Schulrat Edmund Rieger erklärt. Rieger geht wie wohl die meisten seiner Kollegen davon aus, dass die Entscheidung der Landespolitik am Ende positiv ausfallen wird. Seine Erfahrungen seien jedenfalls gut, sagt er. Er sehe das Angebot auch als "Signal, dass wir als Gesellschaft dieses Thema ernst nehmen".

Rein aus praktisch-organisatorischen Gründen hofft Rieger, dass die Entscheidung so schnell wie möglich fällt. Und gleichfalls aus schulpraktischen Gründen würde er sich wünschen, dass die "Lehrbefähigung" für den Islam-Unterricht im Rahmen eines ganz normalen Lehramt-Studiums überall erworben werden könnte und nicht als aufwendige Spezialausbildung. Dann könnten auch viele Klassenleitungen auf ganz selbstverständliche Weise diese Materie vermitteln.

Gestartet wurde der Schulversuch bereits im Jahr 2009, fünf Jahre später wurde er durch einen Beschluss des Ministerrats um weitere fünf Jahre verlängert. "Der islamische Unterricht ist kein konfessioneller Religionsunterricht und erfolgt in deutscher Sprache", heißt es in der Beschreibung des Kultusministeriums. Die Unterrichtsinhalte wurden von der Universität Erlangen-Nürnberg zusammen mit dem Ministerium entwickelt. In Erlangen ist auch die einzige Universität, an der das Fach Islamunterricht als Lehramtsstudium angeboten wird. Entsprechend nervös wartet man auch dort auf die Entscheidung, ob und wie es weitergeht.

Diese unsichere Situation ruft inzwischen auch Teile der Landtags-Opposition - mit Ausnahme der AfD - auf den Plan. In einem Dringlichkeitsantrag hat die Grünen-Landtagsfraktion gefordert, die Zukunft des islamischen Religionsunterrichts in Bayern sicherzustellen. Die FDP-Fraktion kritisierte die "mangelnde Klarheit" und die "Hängepartie" der Staatsregierung.

Auch der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband fordert seit Jahren die Verankerung des Angebots, da der Islamunterricht Identität schaffe, Radikalisierung vorbeuge und für Sensibilität für die eigene Religion sowie Respekt vor anderen Religionen sorge.

Richard Auer