"Skalpell statt Holzhammer"

FDP-Fraktionschef Martin Hagen fordert mehr Verhältnismäßigkeit bei Corona-Maßnahmen

22.06.2020 | Stand 02.12.2020, 11:07 Uhr
Martin Hagen. −Foto: Hase, dpa

Passau - Zuerst die 800-Quadratmeter-Regel im Handel, danach das Wellness-Verbot für Hotels, jetzt die Sperrstunde für Biergärten und Restaurants: Bayerische Gerichte haben in den letzten Wochen mehrere Verordnungen der Staatsregierung im Zuge der Corona-Maßnahmen gekippt.

Im Interview mit unserer Zeitung erklärt FDP-Fraktionschef Martin Hagen, wieso ihn das freut, und was er davon hält, dass Söder weiter mit "Notverordnungen" regiert.

Die Gerichte in Bayern wirken bei den Corona-Lockerungen progressiver als die Staatsregierung, oder?
Martin Hagen: Sie bringen die Regierung jedenfalls ganz schön in Verlegenheit. Die Corona-Sperrstunde war ja die vierte Verordnung innerhalb weniger Wochen, die gerichtlich gekippt wurde - nach der 800-Quadratmeter-Grenze für Einzelhändler, der 20-Uhr-Regel für Biergärten und dem Wellness-Verbot für Hotels.

Ärgert Sie das?
Hagen: Mich ärgert, dass CSU und Freie Wähler am laufenden Band rechtswidrige Verordnungen erlassen. Aber es freut mich, dass wir unabhängige Gerichte haben, die das korrigieren.

Ministerpräsident Markus Söder sagt umgekehrt, man habe in 98 Prozent der mehr als 300 gerichtlichen Überprüfungen gesiegt.
Hagen: Es geht doch hier nicht ums Siegen. Mit wem wähnt Söder sich im Wettkampf, mit der bayerischen Bevölkerung? Allein die hohe Zahl der Klagen zeigt doch, dass die Corona-Maßnahmen der Staatsregierung für viel Unmut sorgen.

Warum nimmt nicht der Landtag wieder das Heft in die Hand?
Hagen: Die FDP hat einen Gesetzentwurf eingebracht, um das Parlament in der Corona-Politik zu stärken: Wir wollen, dass die Volksvertreter bei allen Verordnungen das letzte Wort haben. Leider lehnen CSU und Freie Wähler das ab, die wollen weiterhin alles im stillen Kämmerlein entscheiden.

Auch die AfD moniert, für die nach wie vor vorhandenen Einschränkungen gäbe es keine ausreichenden Gründe mehr. Ziehen Sie da an einem Strang?
Hagen: Wir ziehen an einem Strang mit der Regierung, wenn es um notwendige Schutzmaßnahmen geht - deshalb haben wir zu Beginn der Krise auch die Einschränkungen unterstützt. Heute, bei weniger als 1000 aktiven Corona-Fällen in Bayern, ist aber vieles nicht mehr verhältnismäßig. Wir sollten jetzt differenzierter vorgehen - Skalpell statt Holzhammer.

Im Landtag verweigert sich die AfD offenbar weitgehend der Ansage, einen Mundschutz zu tragen. Ein legitimes politisches Statement?
Hagen: Die AfD lebt von der Provokation. Wir sollten sie links liegen lassen. Beziehungsweise rechts.

DK

Das Interview führte Alexander Kain

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