Diskussion im Landtag
Markus Söder erntet Kritik für Corona-Öffnungsstrategie

Heftige Vorwürfe von allen Seiten

05.03.2021 | Stand 13.03.2021, 3:33 Uhr
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) −Foto: Peter Kneffel/dpa

Auch Bayern lockert die Corona-Regeln und setzt einen Öffnungsplan in Stufen um - trotz wieder leicht steigender Infektionszahlen. Markus Söder verteidigt im Landtag den neuen Kurs. Die Kritik ist zum Teil so massiv wie lange nicht - und das aus unterschiedlichen Gründen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat für die neue Öffnungsstrategie aus dem Corona-Lockdown im Landtag heftige Kritik einstecken müssen - und zwar von verschiedenen Seiten. Die Grünen warfen Söder am Freitag eine gefährliche "Kehrtwende", zu umfassende Lockerungen ohne ausreichende Schutzkonzepte und eine Kapitulation vor dem Virus und dem Druck verschiedener Interessen vor. Die FDP kritisierte den "Kurswechsel" dagegen als zu zaghaft, die SPD nannte das Regelwerk zu kompliziert und forderte Perspektiven auch für die Jugendarbeit. Die AfD verlangte das Ende des Lockdowns.

Obwohl die Corona-Zahlen zuletzt wieder leicht gestiegen sind, soll es von Montag an eine Lockerung der Kontaktregeln und stufenweise regionale Öffnungen geben. Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 sind mehr Lockerungen möglich, etwa in Handel, Kultur oder Sport. Zwischen 50 und 100 sind Öffnungen unter Auflagen möglich, etwa Terminshopping. Steigt die Inzidenz wieder über 100, greift eine Notbremse, die wieder den bisherigen Lockdown in Kraft setzt. Ab dem 15. März sollen nach Grundschülern und Abschlussklassen zudem auch Schüler der weiterführenden Klassen wieder in die Schule gehen dürfen, im Wechselunterricht und bei einer Inzidenz unter 100. Flankiert werden soll das Vorgehen durch mehr Corona-Tests.

Söder verteidigte das von Bayern übernommene Konzept von Bund und Ländern. Es gebe keinen Blindflug, sondern eine "atmende Matrix", die auch wieder zu Schließungen führen könne, wenn dies angemessen sei. "Jeder weiß, dass das alles unter Bewährung steht." Zuerst kämen Vorsicht und Sicherheit, dann Öffnen und Hoffen. "Wir dürfen erkämpfte Erfolge nicht verspielen." Die Öffnungen rechtfertige Söder auch damit, dass man die Menschen "mitnehmen" müsse. "Wir müssen Corona-Konzepte mit den Bürgern machen, und nicht gegen sie."

Für die besonders von der Corona-Krise betroffenen Regionen an der bayerisch-tschechischen Grenze kündigte Söder noch einmal 50.000 zusätzliche Dosen Impfstoff an. Man werde niemandem etwas wegnehmen, aber mit dem Anstieg der Liefermengen etwas mehr dorthin geben.
Grünen-Landtagsfraktionschefin Katharina Schulze griff Söder scharf an: "Wenn Sie eine Kehrtwende machen, dann kommunizieren Sie das wenigstens auch ehrlich", sagte sie. Was das Kabinett beschlossen habe, sei "keine Strategie gegen das Coronavirus". Söder handle vielmehr nach dem Prinzip Hoffnung und "wir wurschteln mal weiter". "Sie lockern erst - und dann schaffen Sie erst die Voraussetzungen."

Schulze kritisierte zum einen, dass als erstes die Baumärkte öffnen durften. Zum anderen klagte sie, dass es vor den weiteren, für 15. März geplanten Schulöffnungen an ausreichenden Schutzmaßnahmen fehle - etwa an Tests auch für Schülerinnen und Schüler unter 15. Es sei zwar überfällig, dass jetzt ein Fokus auf Schulen und Kitas gelegt werde. Wenn aber gleichzeitig zu viel auf einmal geöffnet werde ohne die passenden Schutzmaßnahmen, "dann laufen wir doch sehenden Auges in die nächste Welle rein". Dies sei ein "gefährliches Vorgehen".

Schulze hielt Söder vor, dieser hätte längst die Voraussetzungen für Lockerungen schaffen müssen - mit flächendeckenden Schnelltests, einer besseren Kontaktnachverfolgung durch die Gesundheitsämter und mehr Tempo beim Impfen. Söder mache es genau umgekehrt. Wenn die Zahlen dann stiegen, sei der einzelne schuld - das sei perfide.
CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer sagte zu Schulze: "Was wir erlebt haben, war der plumpe Start eines grünen Bundestagswahlkampfes." Er
fügte hinzu: "Anscheinend sind alle Regierungen auf der Welt Blindgänger, nur die Kollegin Schulze nicht." Auch Florian Streibl (Freie Wähler) verteidigte den neuen Öffnungskurs gegen Kritik.

FDP-Fraktionschef Martin Hagen sagte, man begrüße den Kurswechsel - dieser sei aber zu zaghaft und nur halbherzig. "Warum darf man ab Montag Bücher kaufen, aber keine Kleidung", fragte er beispielsweise.
SPD-Fraktionschef Horst Arnold sagte, die neuen Regelungen gingen in die richtige Richtung, seien aber "sehr kompliziert". Vor allem sei noch immer keine Strategie erkennbar. "Sie bleiben der Ministerpräsident der markigen Schlagworte", sagte Arnold zu Söder.

AfD-Fraktionschef Ingo Hahn sprach Söders Anti-Corona-Kurs die Verhältnismäßigkeit ab und kritisierte die Teststrategie der Regierung. "Wollen Sie die Inzidenzen herbeitesten?", fragte er. Die Regierung nehme keine Rücksicht auf Bildung, Wirtschaft und Kultur.

Söder schloss in der Debatte - nach der umstrittenen Streichung der Faschingsferien - eine Verkürzung der Osterferien noch einmal aus. Zu weiteren Ferien, zu Pfingsten oder im Sommer, äußerte er sich nicht. Es müsse aber im Laufe des Jahres überlegt werden, ob und wie das Wissen der Schüler vielleicht ergänzt und verbessert werden könne.

Zudem kündigte Söder an, gemeinsam mit dem Kultusminister über "ein Angebot" für Schüler in Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 überlegen zu wollen. In solchen Regionen ist bislang - auch laut dem neuen Kabinettsbeschluss - ausschließlich Distanzunterricht möglich.

dpa

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