Interview
Impfpflicht: Holetschek will kein "Sonderopfer" in der Pflege

Gesundheitsminister für eine allgemeine Impfpflicht - Eigene Vollzugsregeln für Bayern möglich

27.01.2022 | Stand 22.09.2023, 23:29 Uhr
Klaus Holetschek gibt sich besorgt bezüglich eines möglichen Pflegenotstandes. −Foto: dpa

Für Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ist klar: auf die einrichtungsbezogene muss eine allgemeine Impfpflicht folgen.

Bayern hat der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zugestimmt. Beschäftigte von Kliniken, Pflegeheimen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Rettungs- und Pflegediensten, Geburtshäusern und dergleichen müssen bis 15. März nachweisen, dass sie gegen Corona geimpft sind. War das eine richtige Entscheidung?
Klaus Holetschek: Die Entscheidung war richtig. Es geht um den Schutz besonders vulnerabler Gruppen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht kann nur der erste Schritt sein, hin zu einer allgemeinen Impfpflicht. Solange die allgemeine Impfpflicht nicht konkret auf dem Weg ist, sieht es so aus, als würde man ein Sonderopfer von diesen Beschäftigten fordern, die doch in der Pandemie so Herausragendes geleistet haben.

"Es geht um den Schutz vulnerabler Gruppen"

Bei vielen Beschäftigten in diesen Einrichtungen regt sich nun offenbar Widerstand gegen die Impfpflicht - bis hin zur Drohung, den Beruf aufzugeben. Für wie real halten Sie diese Drohung? Und handelt es sich nach Ihrer Einschätzung um eine große Gruppe? Oder nur das laute Getöse einiger weniger?
Holetschek: Vorweg: Sehr, sehr viele Beschäftigte in diesen Einrichtungen sind schon geimpft. Gerade im Bereich der Krankenhäuser gibt es hohe Impfquoten - und die Forderung der geimpften Beschäftigten, dass die Ungeimpften sich jetzt bitte auch langsam impfen lassen. Schließlich geht es um den Schutz vulnerabler Gruppen, um den Selbstschutz der Beschäftigten und um den Schutz des gesamten Gesundheits- und Pflegesystems. Gleichwohl hören und sehen wir die Sorgen und natürlich auch den angekündigten Widerstand.

Halten Sie es für möglich, dass radikale Impfgegner diese Gruppe der Pflegenden gekapert haben?
Holetschek: Dazu habe ich keine gesicherten näheren Erkenntnisse. Jedenfalls scheint einiges System zu haben.

Was ist aus Ihrer Sicht jetzt zu tun?
Holetschek: Erstens ist es wichtig, dass die allgemeine Impfpflicht jetzt auf die Schienen gesetzt wird. Zweitens muss der Bund zeitnah erklären, wie er sich den Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vorstellt.

Weil uns sonst am 15. März schlagartig die Pflege- und medizinischen Versorgungskräfte ausgehen?
Holetschek: Es muss einen Abwägungsprozess geben. Denn auf der einen Seite steht zwar die Impfpflicht, auf der anderen Seite geht es aber natürlich auch um die Versorgungssicherheit. Wir müssen wissen, welche Übergangs- und Umsetzungszeiten beim Aussprechen von Tätigkeitsverboten gelten. Wir können das doch nicht bei den ohnehin hochbelasteten Gesundheitsämtern oder den Arbeitgebern abladen, nach dem Motto: Lasst Euch etwas einfallen. Wenn der Bund schon ein Gesetz auf den Weg bringt, dann muss er auch sagen, wie er sich die Dinge konkret vorstellt. Hier brauchen wir sehr rasch Details.

"Vollzug soll einfach und praktikabel sein"

Erwarten Sie wegen der Impfpflicht einen Notstand in der Pflege und Krankenversorgung? Und hat Bayern ein Notfallszenario?
Holetschek: Für mich ist wichtig, dass der Vollzug einfach und praktikabel ist. Das habe ich aus den Gesprächen mit Verantwortlichen aus Medizin und Pflege, Oberbürgermeistern und Landräten mitgenommen, deren Gesundheitsämter vor Ort die Entscheidungen treffen müssen und die die Einrichtungen vor Ort kennen oder sie bisweilen sogar selbst betreiben.

Und wenn das nicht befriedigend ist, was der Bund vorlegt?
Holetschek: Dann müssen wir selbst überlegen, wie wir eigene Vollzugsregeln definieren, damit die Versorgung nicht zu gefährdet ist. Ein Freifahrtschein für Ungeimpfte ist das natürlich nicht.

Alexander Kain