Es drohen harte Sparmaßnahmen

Bayerns Kommunen müssen wegen fehlender Einnahmen aufgrund von Corona zahlreiche Projekte verschieben

27.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:47 Uhr
Auch Wallfahrten fielen 2020 aus: Das hat den Wallfahrtsort Altötting stark getroffen, sagt die dortige Tourismusdirektorin. −Foto: Weigel, dpa-Archiv

München/Ingolstadt - Noch steht die Katastrophe in den Städten und Gemeinden aus.

Trotz der coronabedingten Gewerbesteuerausfälle werden noch keine Schwimmbäder geschlossen oder städtische Gebühren erhöht. Das dürfte sich im nächsten Jahr ändern. Der Bayerische Gemeindetag jedenfalls erwartet die mögliche Finanz-Katastrophe ab dem Jahr 2021. Dann nämlich wird feststehen, wie hoch der Rückgang bei der Gewerbesteuer - das ist die wichtigste Einnahme der Kommunen - tatsächlich sein wird.

Rund 2,4 Milliarden Euro hat Finanzminister Albert Füracker (CSU) zur Kompensation zwar zugesagt. Aber: "Die Frage ist, ob das reicht", bangt Hans-Peter Mayer, Finanzreferent des Gemeindetags. Die Dauer der Kurzarbeit, Firmenpleiten - vieles spiele da mit hinein. Aktuelle Projekte sind laut Mayer in den kleineren Kommunen eher nicht gefährdet. Künftige Vorhaben aber sehr wohl.

Der Verband räumt ein, dass der Freistaat den Städten und Gemeinden viele Steine aus dem Weg geräumt hat, damit diese flexibel auf die Krise reagieren können: Beispielsweise sind einmalige Kreditaufnahmen leichter möglich, ohne dass ein Nachtragshaushalt aufgestellt werden muss; vorübergehende höhere Verschuldungen können aufgenommen werden, ohne dass die Rechtsaufsicht einschreitet. Besonders bedroht sind Heilbäder und Kurorte. Sie haben hohe Fixkosten für Strom, Wärme und Personal in den Bädern.

Das kann Markus Englert, Kämmerer der Stadt Neustadt (Landkreis Kelheim) bestätigen. Der Ortsteil Bad Gögging gehört zu den größten Kur- und Heilbädern Bayerns. Mit 400000 Euro jährlich beteiligt sich die knapp 13000 Einwohner zählende Stadt am Zweckverband der Therme. Dafür sind die Einnahmen aus dem Kurbeitrag und der Fremdenverkehrsabgabe nötig. Doch die werden wegen Corona heuer um mehr als die Hälfte zurückgehen.

Anders präsentiert sich die Problemlage im oberbayerischen Altötting. Dort können im Jahr 2020 keine organisierten Wallfahrten stattfinden. Dies, so Tourismusdirektorin Ulrike Kirnich, "hat Altötting natürlich sehr stark getroffen". Nun schaue man hoffnungsvoll auf die Adventszeit. Da ist Altötting Reiseziel für viele Pilger und Gäste aus aller Welt. Von der Staatsregierung wünscht sich die Kommune nun "klare Vorgaben und Perspektiven".

Sparen müssen vor allem die Großstädte im Freistaat. In München beispielsweise wurde die bis 2026 geplante Sanierung des 120 Jahre alten Stadtmuseums - des größten seiner Art in Deutschland - auf Eis gelegt. Direktorin Frauke von der Haar ist sauer: Die marode Substanz des Hauses verschlinge derzeit enorme Kosten, die für die eigentliche Arbeit fehlten. Die Sanierung wiederum hätte schätzungsweise 200 Millionen Euro gekostet.

In Augsburg sollten eigentlich ab dem Jahr 2020 die Sitzungssäle im Rathaus saniert und umgebaut werden. Damit verknüpft ist auch eine Verlagerung der Seminarräume der Stadt- und Führungsakademie (bisher im Rathaus) sowie der Umbau eines sogenannten Fürstenzimmers im Rathaus. Dafür waren 6,3 Millionen Euro vorgesehen. Auch die Sanierung des Römischen Museums beziehungsweise der Dominikanerkirche wird voraussichtlich um vier Jahre verschoben werden müssen, dafür waren 3,2 Millionen Euro vorgesehen.

In Nürnberg sind für 2020 verschiedene kleinere Baumaßnahmen, insbesondere Unterhaltsmaßnahmen im Hochbau, aber auch Straßenverbesserungsmaßnahmen, mit einem Volumen von etwa 4,8 Millionen Euro zurückgestellt worden. Anderes wird verschoben, etwa die Baumaßnahmen am Obstmarkt für elf Millionen Euro, die Sanierung des Jamnitzer Parks für 2,3 Millionen Euro und die Erneuerung des Verkehrsleitsystems für elf Millionen Euro. Den Neubau beziehungsweise die Sanierung der Feuerwehrgerätehäuser der freiwilligen Feuerwehren für 6,6 Millionen Euro trifft es auch. Zu den wenigen glücklichen Großstädten Bayerns, die noch keine konkreten Sparmaßnahmen veranlassen müssen, gehört Ingolstadt. Derzeit bestehe dazu keine Notwendigkeit, so Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD).

Erwartungen gibt es bei den Bezirken. So fordert Oberbayerns Bezirkstagspräsident Josef Mederer, "dass der Freistaat die durch das Infektionsgeschehen in den Einrichtungen und Diensten entstandenen Mehrkosten für Schutzausrüstung, Umsetzung von Quarantäne-Maßnahmen und ähnlichem übernimmt". Der Geschäftsführer des Bayerischen Landkreistags, Johann Keller, weist darauf hin, dass "wir mit unseren Krankenhäusern für die Verhinderung eines erneuten Lockdowns maßgeblich" sind. Man arbeite "seit nahezu sechs Monaten im Höchstbetrieb. Das wird allzu oft als selbstverständlich hingenommen. " Hintergrund: Der von der Staatsregierung im Frühjahr versprochene Bonus für Pflegekräfte in Höhe von 300 Euro ist vielerorts noch immer nicht angekommen.

In der Landespolitik ist die Botschaft angekommen. Als die Kommunalpartei schlechthin verstehen sich die Freien Wähler. Ihr Fraktionsvize im Landtag, Joachim Hanisch, wünscht sich deshalb Erleichterungen bei der kommunalen Kreditaufnahme sowie eine "Berücksichtigung der Corona-Pandemie bei den nächsten Verhandlungen zum kommunalen Finanzausgleich".

Das bayerische Innenministerium wiederum - es führt die Rechtsaufsicht über die Kommunen - verweist darauf, dass Auszahlung an die Kommunen "in großem Umfang vorgezogen" würden. Daneben verweist ein Ministeriumssprecher auf den Sonderfonds Corona-Pandemie in Höhe von 400 Millionen Euro. Um die Kommunen zu entlasten, übernehme man zudem die Kosten für die geplanten Testzentren in den Landkreisen und kreisfreien Städten.

DK


Andre Paul