Corona-Pandemie
Chefarzt erklärt: So gefährlich ist Corona für Kinder

Kaum andere Atemwegsinfektionen

18.04.2021 | Stand 26.04.2021, 3:33 Uhr
Immer mehr Kinder erkranken am Coronavirus: Mit einem Schnelltest durch einen Nasenabstrich können Infektionen erkannt werden. −Foto: Christoph Soeder/dpa

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet steigende Infektionszahlen auch bei Kindern und Jugendlichen.

Wie es ihnen gesundheitlich in der Corona-Pandemie geht, schildert ein Traunsteiner Chefarzt.

"Mehr als ein Jahr nach Beginn der weltweiten Corona-Pandemie gibt es mittlerweile viele internationale Daten, welche Auswirkungen die Pandemie auf Kinder hat", so Dr. Gerhard Wolf, Chefarzt der Kinderklinik in Traunstein, in einer Pressemitteilung der Kliniken Südostbayern. "Zum Glück erkranken Kinder weitaus weniger oft und weniger schwer als Erwachsene. Wenn Kinder am Coronavirus erkranken, dann haben die meisten nur leichte oder gar keine Symptome. Dennoch erkranken einige wenige Kinder auch sehr schwer. Im Vordergrund steht hier sicherlich eine zum Teil heftige Entzündungsreaktion, die Kinder zwei bis sechs Wochen nach einer Coronavirus-Infektion befallen kann. " Diese Erkrankung heiße "PIMS" und steht für "Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrom" - auf Deutsch: "Kindliche entzündliche Multisystem-Erkrankung".

Immunsystem greift Kreislaufsystem an

Es erkrankten an diesem Syndrom, bei dem das eigene Immunsystem quasi überreagiert und das eigene Herz- und Kreislaufsystem angreift, zwar nur wenige Kinder in Deutschland, die eine Coronavirus-Infektion durchgemacht hatten, so Wolf weiter. Dennoch könne diese PIMS-Erkrankung schwer verlaufen. "In Deutschland sind bisher 200 bis 300 Kinder an PIMS erkrankt. " Eine neue Studie aus den USA untersuchte über 1700 Kinder, welche an PIMS erkrankten. "Viele dieser Kinder zeigten nicht nur Bauchschmerzen, einen Ausschlag oder eine Bindehautentzündung, sondern auch akutes Herzversagen und Kreislaufschock. Mehr als die Hälfte der Kinder mit PIMS mussten auf der Kinderintensivstation behandelt werden", so Wolf, der Kinderintensivmediziner ist. "Auch an der Kinderklinik Traunstein hatten wir bislang einige Fälle von PIMS bei Kindern. Unsere kleinen Patienten mussten auch auf der Kinderintensivstation behandelt werden. Zum Glück können wir in Traunstein eine sehr gute Intensivtherapie für sie anbieten. So sind alle unsere Patienten wieder vollständig gesund und konnten nach Hause entlassen werden. "

Und wie geht es den Kindern sonst? "An der Kinderklinik Traunstein sind diesen Winter nur ganz wenige Kinder mit anderen Atemwegserkrankungen wie Influenza, also Grippe, oder Respiratory Syncytial (RS-)Virus stationär aufgenommen worden", so Wolf. Wo in den Vorjahren die Kinderstationen im Januar und Februar übervoll waren, hatten die Ärzte diesen Winter kaum Patienten mit Atemwegsinfektionen stationär zu versorgen. Dieses Phänomen sei auch weltweit beschrieben worden: in der Region Paris mussten beispielsweise wegen Bronchiolitis, einer meist virusbedingten Entzündung der kleinen Atemwege bei Kindern, einer neuen Studie nach viel weniger Kinder als in den Vorjahren auf der Kinderintensivstation behandelt werden.

Kinder meistens zu Hause

"Vermutlich beruht dieser Effekt darauf, dass die Kinder meistens zu Hause sind, in der Öffentlichkeit Mundschutz tragen, was ja nicht nur vor dem Coronavirus, sondern auch vor anderen Atemwegsinfektion effektiv schützt. Eine deutliche Zunahme sehen wir jedoch bei den psychischen Erkrankungen von Kindern", erklärt Wolf. "Häufiger als sonst sehen wir Kinder mit depressiven Verstimmungen, Angststörungen, und Essstörungen, welche wir auch im Rahmen einer akuten Krisenintervention stationär behandeln müssen. Der Lockdown führt sicherlich auch dazu, dass bestimmte Situationen im häuslichen Umfeld eskalieren", so Wolf.

"Ein erstaunlicher Effekt des Lockdowns scheint sich bei Frühgeborenen abzuzeichnen", erklärt Wolf weiter. "Erste Studien aus Holland und anderen Ländern zeigten, dass weniger frühgeborene Kinder zur Welt kamen". Über die Gründe kann man nur mutmaßen. "Die Autoren der Studie aus Holland spekulieren zum Beispiel, dass eine verminderte mütterliche Belastung durch Pendeln zum Arbeitsplatz und weniger Reisetätigkeit und sogar eine verbesserte Luftqualität eine Rolle spielen könnte. " Die Autoren meinen laut Wolf zudem, dass die insgesamt verbesserte Hygiene durch Abstand, Atemschutz, und Händedesinfektion zu allgemein weniger mütterlichen Infektionskrankheiten führte, welche für Frühgeburten verantwortlich sein können.

Elternteil darf immer auf Station bei Kind bleiben

Alle ambulanten Sprechstunden in der Kinderklinik Traunstein laufen auch während der Corona-Pandemie weiter. Ebenfalls ist eine stationäre Aufnahme von Kindern jederzeit möglich und sicher. Dabei darf ein Elternteil weiterhin beim Kind bleiben. Besuche von beiden Eltern sind problemlos möglich, wenn auch nach Möglichkeit abwechselnd. Jedes kranke Kind kann in einer Akut-Situation mit einem Elternteil ohne vorherigen Corona-Test Tag und Nacht in die Kinderklinik kommen.

red