München
15-Kilometer-Regel mit Handy überwachen? Idee sorgt für Empörung

Politiker und Internetnutzer äußern Kritik zum Vorstoß von Gemeindetagspräsident Uwe Brandl

11.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:21 Uhr
Uwe Brandl gibt eine Pressekonferenz. −Foto: Britta Pedersen/dpa/Archivbild

Mit seinem Vorschlag, die Einhaltung der neuen 15-Kilometer-Regel mittels Handydatenauswertung zu kontrollieren, ruft Gemeindetagschef Uwe Brandl (CSU) Empörung hervor. Kritiker sprechen von "Tabubruch" und "Schnapsidee" und warnen vor einem Überwachungsstaat.

Zum Überwachen der 15-Kilometer-Regel in Corona-Hotspots kann sich Gemeindetagspräsident Uwe Brandl auch das Nutzen von Handydaten vorstellen – ein Vorschlag, der prompt breiten Widerstand auf politischer Ebene hervorgerufen hat. In der bayerischen Staatsregierung stieß der Vorstoß dem Vernehmen nach nur auf Kopfschütteln und Skepsis. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte lehnt den Vorschlag strikt ab.

"Wir könnten heute Bewegungsprofile aus den Handys auslesen und auf diese Weise sehr treffsicher feststellen, wo sich die Menschen aufhalten. Wir müssen uns halt jetzt entscheiden, was wichtiger ist, der Gesundheitsschutz oder der Datenschutz", hatte Brandl am Montagmorgen im Bayerischen Rundfunk gesagt.

"Ich glaube, wir müssen einfach mehr Mut haben dazu, dass man die digitalen Möglichkeiten nutzt", sagte Brandl. Auch die Polizei habe zur Kontrolle der 15-Kilometer-Regel nur begrenzte Ressourcen. "Also wird es nur zu Stichprobenkontrollen kommen. (...) Und ich glaube halt, dass jede Regelung nur so gut ist, wie sie exekutiert und überwacht werden kann."

Kritik von Seiten der Politik

Während aus der Staatsregierung zunächst niemand Brandls Aussage offiziell kommentieren wollte, äußerten sich Vertreter von Grünen, SPD, FDP und AfD mit Empörung. Aus Sicht der Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Katharina Schulze, handelt es sich bei Brandls Vorschlag um eine "Schnapsidee", die Verunsicherung und Misstrauen in der Bevölkerung befeuere. Das Erheben pauschaler Bewegungsprofile der Bürger sei in einer freiheitlichen Demokratie nicht vorstellbar und verstoße gegen das Grundgesetz.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Hagen bezeichnete den Vorschlag als "Tabubruch". Deutschland dürfe kein Überwachungsstaat werden, der seinen Bürgern digitale Fußfesseln anlege. "Die Bewegungsdaten von 83 Millionen Menschen auszuspionieren, um eine ohnehin fragwürdige Regelung zu kontrollieren – das wird auf den erbitterten Widerstand von uns Liberalen treffen."

Auch die SPD reagierte empört: Fraktionsvorsitzender Horst Arnold warnte vor einer Verunsicherung der Bürger und betonte: "Das ist ohne jegliche rechtliche Basis – und absolut unverhältnismäßig. Nicht akzeptabel und eine Offenbarung der Hilflosigkeit und Unkenntnis." Der digitalpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Gerd Mannes, sagte: "Wir verurteilen diese Tendenz, in einem freiheitlichen und demokratischen Staat Überwachungsmethoden anzudenken, die wohl eher in totalitären Staaten beheimatet ist."

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sagte der "Augsburger Allgemeinen": "GPS-Daten können noch nicht mal zwischen Tiefgarage und viertem Stock in einem Haus unterscheiden. In Gebäuden funktioniert GPS nicht." Auch eine Funkzellenabfrage zeige noch nicht einmal verlässlich, in welcher Straße eine Person gewesen sei. "Also was soll das? Das ist keine Lösung."

Überwiegend Kritik im Netz

Auf Twitter äußern sich auch zahlreiche Nutzer kritisch zu dem Vorstoß von Uwe Brandl. 

Bei dem ein oder anderen Twitteruser findet die Idee von Brandl auch Anklang.

Brandl rechtfertigt sich nach der Kritik

Nach angaben des Bayerischen Rundfunks verteidigte Brandl seine Aussage am Montag Mittag noch einmal. Ihm sei bewusst, dass es für eine Umsetzung der Handyüberwachung "im Vorlauf ein rechtsstaatliches Verfahren" brauche. Aber da die personellen Ressourcen im Gesundheitsbereich und bei der Polizei erschöpft seien, müsse es in einer Demokratie erlaubt sein, über solche Vorschläge zu diskutieren. 

So funktioniert die 15-km-Regel

In den Corona-Hotspots in Bayern gilt seit Wochenbeginn: Wer in einer Gegend mit besonders hohen Infektionszahlen wohnt, darf sich bei Ausflügen nur noch in einem Radius von 15 Kilometern rund um seinen Wohnort bewegen. Welche Kommunen betroffen sind, richtet sich nach den Zahlen, die das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht.

Die Regel gilt automatisch in Landkreisen und kreisfreien Städten, die den Wert von 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche überschreiten. Wer etwa Einkaufen geht, zur Arbeit fährt oder einen Arzt aufsuchen will, für den gilt die Einschränkung nicht.

dpa, Laura Csapó