Regensburg
Bezirke greifen massiv die AfD an

Verbandspräsident Josef Mederer wirft den Rechtspopulisten wegen deren Anfragen zu Behinderten "üble Polemik" vor

17.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:16 Uhr
"Besondere historische Verantwortung": Der Bezirketagspräsident von Oberbayern, Josef Mederer (CSU), attackierte die AfD. Hintergrund: Die Bezirke kümmern sich vor allem um Behinderte. −Foto: Gebert/dpa

Regensburg (DK) Parteien spielen in Kommunalparlamenten, anders als im Bundes- oder Landtag, kaum eine Rolle - das ist in den Stadt- und Gemeinderäten so und erst Recht im Bezirkstag, dem Inbegriff der politischen Konsensorientierung.

Und die Chefs der kommunalen Spitzenverbände bemühen sich erst Recht, sich nur zu Sachthemen zu äußern und jede parteipolitische Färbung zu vermeiden.

Umso bemerkenswerter ist, was sich gestern bei der Sitzung des Hauptausschusses des Bayerischen Bezirketags zugetragen hat. Denn da griff Josef Mederer, der Präsident des Bezirketags - das ist der Zusammenschluss der sieben Bezirke - die AfD massiv an. Mit ihren beiden parlamentarischen Anfragen im Bundestag zu Schwerbehinderten und zur Entwicklung mehrerer Krankheiten in Deutschland hätten die Rechtskonservativen "mehr als nur eine Grenze überschritten", schimpfte Mederer. Denn damit, so der CSU-Politiker, habe die AfD-Fraktion versucht, "die Ursachen und die Zunahme der Häufigkeit von Behinderungen und Infektionskrankheiten in Deutschland einseitig mit einer hohen Zahl einwandernder Flüchtlinge und dem Fortpflanzungsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund in Verbindung zu bringen". Das sei "üble Polemik".

Deutschland - und damit auch der Freistaat Bayern und die ihn tragenden Organisationen und Institutionen - hätten eine "besondere historische Verantwortung". Im Nationalsozialismus, so Mederer, "wurden rund 300000 Menschen mit Behinderung ermordet, nachdem man sie zuvor als sogenanntes lebensunwertes Leben aus der menschlichen Gemeinschaft ausgegrenzt hatte. Ebenso wurden rund 400000 Menschen gegen ihren Willen ihrer Fruchtbarkeit beraubt und in ihrer körperlichen und seelischen Integrität auf Dauer geschädigt - weil man sie im Dritten Reich als erbbiologisch-minderwertig bezeichnet hatte". Die Bezirke kümmern sich institutionell vor allem um Behinderte, betreiben unter anderem entsprechende Kliniken und Werkstätten.

Mederers Angriff - dem sich der gesamte Hauptausschuss einstimmig anschloss - ist aber nicht ohne Risiko. Denn die AfD liegt derzeit in den Umfragen zur bayerischen Landtagswahl bei rund 13 Prozent. Die sieben Bezirkstage werden gleichzeitig mit dem Landtag gewählt. Es ist also davon auszugehen, dass die Partei auch in allen Parlamenten der dritten kommunalen Ebene vertreten sein wird. Und als womöglich zweitstärkste Fraktion hätte sie einen Anspruch auf den Posten des Vizepräsidenten. Gut möglich also, dass Mederer mit einem Stellvertreter jener Partei klarkommen muss, die ihm persönlich zutiefst zuwider ist.

Andre Paul