Berlin
"Bei der Unterbringung gibt es Handlungsbedarf"

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will Zwangseinweisungen auf gravierende Fälle beschränken

07.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:48 Uhr

Berlin (DK) Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hält sich im Fall Mollath mit Kritik an ihrer bayerischen Amtskollegin Beate Merk (CSU) zurück. Aber Zwangseinweisungen in die Psychiatrie sollten künftig „auf wirklich gravierende Fälle beschränkt“ werden und Fehlentscheidungen schneller korrigiert werden, sagte sie unserem Berliner Korrespondenten Rasmus Buchsteiner.

Frau Leutheusser-Schnarrenberger, wie sehr hat der Fall Mollath dem Ansehen der bayerischen Justiz geschadet?

Leutheusser-Schnarrenberger: Die bayerische Justiz hat vor allem gezeigt, dass sie dazu in der Lage ist, Entscheidungen auch wieder zu korrigieren. Die gute Nachricht ist: Der Rechtsstaat funktioniert auch in einer emotional aufgeheizten Debatte. Was mich besorgt, ist, wie lange das Verfahren gedauert hat. Sieben Jahre Unterbringung sind eine sehr lange Zeit. Deshalb muss das Verfahren für die psychiatrische Unterbringung rasch geändert werden. Wir brauchen ein Verfahren, in dem mögliche Fehlentscheidungen früher korrigiert werden können.

 

Haben die bayerische Staatsregierung und vor allem Justizministerin Beate Merk (CSU) die Bedeutung des Falls unterschätzt?

Leutheusser-Schnarrenberger: Es hat einen Untersuchungsausschuss gegeben, in dem alles Notwendige zum Verhalten der Staatsregierung gesagt worden ist. Generell kann ich aus meiner Erfahrung als Bundesjustizministerin nur zur Zurückhaltung bei Eingriffen in die Justiz raten. Der Rechtsstaat beweist sich gerade auch durch die Unabhängigkeit der Justiz.

 

Mollath erhält nun eine zweite Chance. Rechnen Sie damit, dass er wieder voll rehabilitiert und auch entschädigt wird?

Leutheusser-Schnarrenberger: Das Wiederaufnahmeverfahren bietet die Chance, den Fall mit allen seinen Aspekten vor einer neuen Strafkammer noch mal neu zu verhandeln. Auch Herr Mollath wird die Gelegenheit erhalten, seine Sichtweise zum Ausdruck zu bringen. Stellt sich am Ende eines Wiederaufnahmeverfahrens heraus, dass jemand zu Unrecht verurteilt und damit auch zu Unrecht in die Psychiatrie eingewiesen wurde, sieht unsere Rechtsordnung grundsätzlich eine Entschädigung vor.

 

Welche Konsequenzen sollten aus dem Fall Mollath gezogen werden?

Leutheusser-Schnarrenberger: Es ist gut, dass der Fall viel Aufmerksamkeit auf das System der psychiatrischen Unterbringung gelenkt hat. Hier gibt es Handlungsbedarf. Mit den von mir vorgelegten Eckpunkten soll sichergestellt werden, dass die Unterbringung auf wirklich gravierende Fälle beschränkt und schneller als bislang überprüft wird.

 

Wann könnte die Reform in Kraft treten?

Leutheusser-Schnarrenberger: Ich bin in meinen Gesprächen quer durch alle Parteien auf eine große Bereitschaft gestoßen, bestehende Missstände abzubauen. Wir suchen derzeit das intensive Gespräch mit den Experten. Wir wollen die Arbeiten an einem Referentenentwurf rasch vorantreiben, so dass in der neuen Legislaturperiode das Gesetz zügig beraten und beschlossen werden kann.