Bayerische Cannabis-Patienten im Nachteil?

Hersteller für medizinischen Wirkstoff bisher nur in Nord- und Ostdeutschland - Heuer erste Ernte

20.03.2020 | Stand 23.09.2023, 11:19 Uhr
Ein Marienkäfer sitzt auf einem Cannabisfeld im sächsischen Naundorf auf einem Blatt. −Foto: Woitas,dpa

München - Viele Menschen mit chronischen Schmerzen atmeten damals auf: Vor genau drei Jahren trat das Gesetz "Cannabis als Medizin" deutschlandweit in Kraft.

Seitdem dürfen Haus- und Fachärzte Cannabis verordnen. Doch in Bayern gibt es noch keine medizinische Produktion.

Die Krankenkassen übernehmen im Regelfall die Kosten für die Therapie, allerdings muss der Patient vor der ersten Anwendung eine Genehmigung einholen. Innerhalb von 30 Tagen dürfen die Ärzte dann für einen Patienten bis zu 100 Gramm Cannabis in Form getrockneter Blüten oder alternativ bis zu 1000 Milligramm Cannabisextrakt (bezogen auf den Delta-9-THC-Gehalt) verschreiben.

Noch kommen diese Mittel fast ausschließlich aus dem Ausland. Letztes Jahr wurden aber Lizenzen an deutsche Unternehmen vergeben, die insgesamt pro Jahr 2,6 Tonnen abliefern sollen. Mit der ersten Ernte wird Ende 2020 gerechnet. Den Zuschlag erhielten zum einen die beiden kanadischen Unternehmen Aurora und Aphria mit entsprechenden Filialen im Bundesgebiet. Ihre Blüten kommen aus Leuna in Sachsen-Anhalt und Neumünster in Schleswig-Holstein. Dritter Anbieter ist Demecan bei Dresden. Die Produktions- und Lagerstätten gleichen mit ihren Stahlbetonhüllen und schusssicheren Fenstern von außen militärischen Hochsicherheitstrakten. Ein Hersteller für den süddeutschen Raum und speziell Bayern ist nicht dabei. Ob die bundesweit erlaubte Menge deshalb für alle Kranken ausreicht, ist unter Experten umstritten. Viele Kranke befürchten, auch in Zukunft weiter von Importen abhängig zu sein.

Die bayerischen Landtagsabgeordneten Rosi Steinberger und Paul Knoblach (beide Grüne) fragten jetzt bei der Staatsregierung nach, wie viele Hanfbetriebe es in Bayern gibt und warum diesen Landwirten so viele Steine in den Weg gelegt werden. Sie würden sich wünschen, dass die Lizenz zur medizinischen Produktion auch für in Bayern ansässige Firmen gilt.

Das beträfe auch den Landwirt Joseph Bayern aus der Gemeinde Bernsroth im Landkreis Kronach: "Ich leide, seit ich Kleinkind bin, unter einem Reizdarm und behandle das mit Hanf. Mit dem daraus gewonnenen Cannabidiol, dem CBD-Öl. " Er könne das durchaus auch im größeren Stil produzieren, sagt der Landwirt. Doch das scheiterte bisher an der fehlenden behördlichen Erlaubnis.

Das bayerische Landwirtschaftsministerium schreibt in seiner Antwort an die beiden Grünen-Parlamentarier, in Bayern habe es letztes Jahr 126 Hanfbetriebe gegeben. Doch diese produzieren nur für die Landwirtschaft, etwa die Futtermittelproduktion. Damit konnte die Anzahl seit 2010 fast Jahr für Jahr gesteigert werden. Für den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken dagegen sei die Cannabis-Agentur beim Bund zuständig. In den Zuständigkeitsbereich des Freistaats fielen nur THC-arme Sorten bis unter 0,2 Prozent THC. "Um sicherzustellen, dass dies befolgt wird, muss der Landwirt mit seinem Mehrfachantrag die Original-Saatgut-Etiketten bei seinem zuständigen Landwirtschaftsamt einreichen. "

Warum es derzeit das "massive, existenzbedrohende Vorgehen gegen junge, aufstrebende Unternehmen und Landwirte, die Hanf anbauen, verarbeiten oder vertreiben" - so die Kritik der beiden Grünen-Politiker - gibt, kann das Haus von Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) nicht sagen. "Es entzieht sich der Kenntnis der Staatsregierung, auf welche konkreten Fälle sich die Fragesteller beziehen. " Gespräche mit der Hanfindustrie seien nicht geplant, da für die Rechtslage der Bund zuständig sei. Auch eine Förderung von Nutzhanfs zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Nutzfläche stände nicht auf der politischen Agenda, so die bayerische Agrarministerin.

dpa


Andre Paul