Augsburg
Eltern einer Verunglückten verklagen die Polizei

24-jährige Augsburgerin stirbt auf der A8, weil ihr Wagen nach dem Unfall viel zu spät gefunden wird

10.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:22 Uhr

Augsburg (DK) Weil ihre Tochter erst Stunden nach einem Unfall an der A8, wo sie schließlich starb, gefunden wurde, verklagen die Eltern der 24-Jährigen nun den Freistaat, sprich die Polizeibeamten, die in dem Fall involviert waren. Hätte man die junge Frau früher finden und ihr somit das Leben retten können? Das Urteil am Augsburger Landgericht soll im November fallen.

Es ist etwa 1 Uhr morgens, als die Augsburgerin im Juli 2016 mit ihrem Wagen auf der Autobahn Richtung München unterwegs ist und kurz nach der Ausfahrt Dasing aus bisher nicht geklärtem Grund die Kontrolle über ihr Fahrzeug verliert. Ein Zeuge, ein Autofahrer aus Bremen, beobachtet den Unfall und setzt einen Notruf ab. Er fragt die Augsburger Polizei bei dem Gespräch, ob er an der Stelle, an der er sich zum Zeitpunkt des Telefonats befand, warten soll. Der Notrufbeamte sagt jedoch, er könne weiterfahren.

Kurz darauf geht auch ein Notruf bei der Rettungsleitstelle unter der 112 ein. Doch als die Polizei und die Feuerwehr an der vermeintlichen Unfallstelle ankommen, ist das Fahrzeug der jungen Frau unauffindbar. Dort, wo der Wagen vermutet wird, steht allerdings ein Auto mit Anhänger auf dem Standstreifen. Die Polizei denkt zunächst, es handle sich um das vermeintliche Unfallauto. Als die Feuerwehr davon berichtet, dass der Zeuge von einem Überschlag gesprochen habe, machen sich die Einsatzkräfte erneut auf die Suche nach dem Unfallwagen. Sie suchen wiederholt einen fünf Kilometer langen Bereich ab, leuchten mit der Taschenlampe an den Fahrbahnrand - und sehen nichts, obwohl die 24-Jährige nur ein paar Meter weiter um ihr Leben kämpft.

Ein Jogger entdeckt das Auto der jungen Frau am nächsten Morgen. In der Zwischenzeit ist die 24-Jährige verstorben. Wie es passieren konnte, dass die Beamten vor Ort waren, der Unfallwagen aber nicht gefunden wurde, ist von einem Gutachter untersucht worden. Und tatsächlich ist der Bereich, in dem das Auto der jungen Frau schließlich zum Stehen kam, von der Fahrbahn aus nicht einzusehen. Die 24-Jährige kam mit ihrem Auto ausgerechnet an einer Stelle ohne Leitplanke von der Autobahn ab. Danach fuhr der Wagen laut Gutachter noch rund 200 Meter parallel zur Autobahn und genau zwischen Leitplanke und Wildschutzzaun die Böschung entlang. An dieser Stelle kommt eine Senke, weil eine Unterführung unter der A8 entlangläuft, ein Feldweg. Die Senke ließ das Auto abheben, es flog über den Wildschutzzaun und den Weg und krachte in eine dahinterliegende Böschung.

Die 24-Jährige erlitt schwere Brüche im Beckenbereich und verlor viel Blut. Sie erstickte durch das Einatmen ihres Blutes - aber erst mindestens eine Stunde nach dem Unfall, wie ein Rechtsmediziner annimmt. Laut seiner Meinung seien die Verletzungen nicht zwingend tödlich gewesen. Wäre der Frau schnell geholfen worden, hätte sie vielleicht überlebt.

Richter Christoph Kern muss nun entscheiden, ob die Beamten einen Fehler gemacht und damit das Leben der Frau riskiert haben. Die Streifenbeamten vor Ort hätten richtig gehandelt, davon ist er überzeugt. Fragwürdig sei allerdings das Vorgehen des Beamten am Notruf, der den Zeugen von der Unfallstelle weggeschickt hat. In der Regel rät die Polizei Zeugen eines Unfalls an der Autobahn nämlich, in der Nähe mit dem Wagen zu stoppen, um für die Einsatzkräfte erreichbar zu sein. Die Staatsanwaltschaft hatte den Fall untersucht und kam zu dem Ergebnis, dass sich die beteiligten Beamten nicht strafbar verhalten hätten. Die Ermittlungen wurden daraufhin eingestellt.

Die Eltern der verunglückten 24-jährigen Frau haben den Freistaat auf 26.000 Euro verklagt - Kosten für die Bestattung und Schmerzensgeld.