Augsburg
"Sie sind ein eiskalter Typ"

Augsburger Landgericht verurteilt Waldemar N. wegen zweifachen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe

28.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:09 Uhr

Sie scheinen zu ahnen, was kommt: Waldemar N. (links) und sein Verteidiger Walter Rubach vor der Urteilsverkündung. - Foto: Libossek

Augsburg (DK) Nach dem Raubmord an einem Frauenpaar in Hirblingen bei Gersthofen (Landkreis Augsburg) ist der Nachbar der Opfer zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der 32-Jährige wurde gestern in Augsburg des zweifachen Mordes schuldig gesprochen, obwohl er zu den Vorwürfen beharrlich schwieg und seine Anwälte einen Freispruch beantragt hatten.

Waldemar N. ist wie erstarrt. Der blasse Mann schaut verloren in Richtung der Richterin, die ihn gerade zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt hat. "Sie sind nicht der liebe und hilfsbereite Waldi, den Ihre Freunde und Verwandten hier beschrieben haben", sagt Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser, "Sie sind ein Mörder. Sie sind ein Doppelmörder." Waldemar N. schluckt schwer. Ansonsten regt er sich nicht.

"Auf bestialische Weise" habe er seine beiden Nachbarinnen am 9. Dezember 2016 abgestochen. Dabei sei er äußerst planmäßig vorgegangen. Er habe bewusst einen Zeitpunkt für die Tat gewählt, zu dem beide Frauen zu Hause waren. Er habe ihre Wohnung mit Messern bewaffnet aufgesucht. Und schließlich "intensivste und massivste Gewalt ausgeübt". Die 49-jährige Elke W. trafen acht, ihre Lebensgefährtin, die 50-jährige Beate N., 16 Messerstiche sowie einige Schnittverletzungen. Deshalb sieht das Gericht eine besondere Schwere der Schuld als gegeben. Das Motiv: Habgier. Chronisch klamm sei Waldemar N. gewesen. Vor den Morden brachte er die Geheimnummern für die Bankkarten von Beate N. in Erfahrung. Wie genau, darauf gaben auch die insgesamt 14 Verhandlungstage keine Antwort. Vor allem, weil Waldemar N. beharrlich schwieg.

"Wir waren gespannt", spricht Riedel-Mitterwieser den Verurteilten direkt an, "wie Sie die erdrückenden Indizien gegen Sie erschüttern wollten. Wir waren enttäuscht von dem, was kam." Diese erdrückenden Indizien waren unter anderem zahlreiche DNA-Spuren des Angeklagten. Zudem stellten die Ermittler Blut der Opfer an Stellen in der Wohnung des 32-Jährigen fest, "wo sie nichts zu suchen haben" - im Waschbecken, an Schuhen, an Messern, die als Tatwaffe infrage kommen. "Allein diese Spuren reichen bei Weitem aus, um ihre Täterschaft zu begründen", bilanziert die Richterin.

Für Waldemar N. als Täter sprechen ihr zufolge auch Hinweise, die nicht gefunden wurden. "Es ist absolut kein Alternativtäter möglich", betonte Riedel-Mitterwieser, "es gab nirgends eine Spur, die auf einen solchen schließen ließen."

Die Kammer habe keine Zweifel: Waldemar N. ist der Doppelmörder von Hirblingen. "Sie sind ein eiskalter Typ", sagt Riedel-Mitterwieser scharf und belegte das mit der "bemerkenswerten Abgebrühtheit", mit der er zum Tagesgeschäft überging. "Nachdem Sie die Leichen verstaut hatten, nachdem Sie in der Wohnung der Opfer geduscht haben, sind Sie mit ihrer Mutter zum Einkaufen gefahren. So, als wäre nichts gewesen."

Die Gleichgültigkeit und die Selbstsucht des Verurteilten macht sie auch daran fest, wann der Verurteilte Geld mit der gestohlenen EC-Karte abhob. Das erste Mal, "da sind die Leichen noch nicht einmal unter der Erde gewesen". Das zweite Mal direkt nachdem er die Körper der Frauen nahe des Flüsschens Schmutter vergraben hatte.

Die Richterin teilte auch gegen die Verteidigung aus. Die hatte in ihrem Plädoyer die Arbeit der Ermittlungsbehörden und der Kammer kritisiert. "Keiner kann uns fehlende Sorgfalt vorwerfen", entgegnet Riedel-Mitterwieser. Die Ermittler hätten mit "großem Einsatz und unglaublich viel Detailarbeit" den Doppelmord aufgeklärt. Das Gericht habe 64 Zeugen und acht Sachverständige gehört sowie unzählige Lichtbilder und Unterlagen gesichtet. "Wir waren gut vorbereitet, wer das nicht ist, der muss späte Beweisanträge stellen", stichelt sie gegen Rechtsanwalt Walter Rubach, der am Montag vor den Plädoyers sechs solcher Anträge einreichte.

Verteidiger Rubach hält nach der Urteilsverkündung an seinen Vorwürfen fest, dass das Gericht auf eben dieses Urteil hin prozessiert habe. "Wir werden in Revision gehen", kündigt er an. "Das Gericht hat jetzt bereits sehr nachvollziehbar sein Urteil begründet", kommentiert Opferanwältin Marion Zech. Sie hat die beiden Schwestern der getöteten Elke W., die als Nebenklägerinnen auftraten, vertreten.