Taufkirchen
Auf der Suche nach Alternativen

Experten aus Politik und Wissenschaft treffen sich zum ersten Branchentag Erneuerbare Energien

15.06.2018 | Stand 23.09.2023, 3:48 Uhr

Taufkirchen (DK) Der erste Branchentag Erneuerbare Energien Bayern am Freitag in Taufkirchen bei München wurde zu einem Schlagabtausch zwischen Politik und Wissenschaft. Die Erzeugerverbände zeigten sich durchaus auch selbstkritisch.

Erstmals seit Beginn der organisierten Energiewende im Freistaat waren Vertreter der unterschiedlichen Erzeugerverbände zusammengekommen: unter anderem die Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Solar-Initiativen, der Fachverband Biogas und der Fachverband Holzenergie, die Erdwärmegemeinschaft Bayern, der Bundesverband Windenergie und die Vereinigung Wasserkraft in Bayern.

Denn das ist ihr großes Problem und das wurde bei der Tagung auch selbstkritisch thematisiert: Eigentlich wurschtelt jeder der unterschiedlichen Erzeuger mehr oder weniger für sich. Es wird sich zu wenig aufeinander abgestimmt, stattdessen eifersüchtig geschaut, dass der andere nicht zu stark von der Politik gefördert wird.

Für die Wissenschaft in den Ring stieg Professor Volker Qua-schning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin - und startete mit einem schweren Vorwurf an die Bayerische Staatsregierung. Diese habe das Ziel der Energiewende längst aus den Augen verloren.

Der Professor bemühte einen erschreckenden Vergleich aus der Erdgeschichte. Seit der vergangenen Eiszeit vor 40000 Jahren habe sich das Klima auf der Erde um 3,5 Grad erhöht. Davon seien aber ein Grad auf die Zeit seit 1900 entfallen. Und bis zum Ende des Jahrhunderts werde der Anstieg auf bis zu fünf Grad wachsen.

Auch die weiteren Ausführungen des Wissenschaftlers gerieten sehr apokalyptisch. Nur wenn der Klimaanstieg um maximal 1,5 Grad begrenzt werde, so der Professor, sei die Menschheit noch in der Lage, die Folgen davon zu bewältigen. Aktuell verfolge aber Deutschland nur ein Ziel von 2,5 Grad. Maximal 1950 Gigatonnen Kohlendioxid könnten insgesamt in die Atmosphäre gepumpt werden.

Seine Warnung: "Wir werden einen Ansturm von hunderten Millionen Klimaflüchtlingen erleben, gegen die die Flüchtlingskrise der vergangenen Jahre ein Spaziergang war." Daraus leitete der Professor radikale Forderungen ab. So müssten 100 Prozent des Stroms bis zum Jahr 2040 aus Erneuerbaren kommen. Der Diesel-Motor müsse bis 2025 verschwinden, die Kohle bis 2030. Und jedes Bundesland müsse zwei Prozent seiner Fläche für die Erzeugung erneuerbarer Energien bereitstellen. "Wenn Bayern das aber nicht macht, dann müssen die nördlichen Länder vier Prozent leisten - und das können sie nicht. Die Konsequenz kann also nur lauten: Die 10-H-Regelung muss fallen und zwar sofort."

Gegenspieler des Professors wurde Rudolf Escheu, Leiter der Abteilung erneuerbare Energien im bayerischen Wirtschaftsministerium. Er verwies darauf, dass die Akzeptanz der Bevölkerung beim Ausbau der erneuerbaren Energien nach unten gehe, das gelte vor allem beim Ausbau der Windenergie.

Auch sei es wichtig, dass angesichts der weltweit höchsten Strompreise in Deutschland die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Firmen nicht verloren gehe. Und für die Menschen mit den kleinen und mittleren Einkommen müsse Strom weiterhin auch bezahlbar sein.

"Wir müssen die Menschen mitnehmen", appellierte der leitende Ministerialbeamte an die Anwesenden. Baden-Württemberg etwa kenne keine 10-H-Regelung und sei beim Ausbau der Windenergie im Verhältnis auch nicht weiter als Bayern. "Verbote und Quoten lehnen wir ab." Zwang führe zu Wutreaktionen.

Einigkeit bestand unter den anwesenden Experten, dass in Bayern vor allem die Solarenergie eine gute Perspektive habe. Der Freistaat sei ein "Sonnenland" mit vergleichsweise häufigem Sonnenschein. Auch die Wasserkraft besitze Zukunft dank der vielen Flüsse. Allerdings müsse in die meist überalterten Anlagen in nächster Zeit kräftig investiert werden.

Noch wenig im öffentlichen Fokus steht aktuell die Geothermie. Hier sind Investitionen vergleichsweise teuer, aber es locken eben niedrige Betriebskosten auf lange Sicht. 135000 Wärmepumpen gibt es derzeit in Bayern, sie erzeugen derzeit aber nur 1,5 Prozent der gesamten Menge. Dabei befindet sich südlich von München eine der größten Lagerstätten in Westeuropa.

Andre Paul