"Auf dem Sofa sitzen reicht nicht"

"Omas gegen Rechts" engagieren sich für Demokratie und gegen Fremdenfeindlichkeit - auch in Ingolstadt

06.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:48 Uhr
Die "Omas gegen Rechts" beim Protest gegen die "Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt" (ZFI) im November. Rechts die Initiatorin der Ortsgruppe, Kerstin Lang. −Foto: privat

Ingolstadt/München - Als sie ihre Tochter in Berlin besuchte, hatte Kerstin Lang ein einschneidendes Erlebnis: Die beiden gingen zum rechtsextremen Rudolf-Heß-Gedenkmarsch - "zum Gegenhalten", wie die Ingolstädterin sagt.

Die Neonazis zogen an ihnen vorbei und riefen laut ihre fremdenfeindlichen Parolen. Lang, die solche Demonstrationen zuvor auch nur aus dem Fernsehen kannte, war fassungslos. "Ich hab' mir nur gedacht: Wo bin ich hier? Bin ich hier wirklich im demokratischen Deutschland? Dürfen die sowas einfach machen? Man weiß doch aus Erfahrung, wie sowas enden kann. " Unter den Gegendemonstranten entdeckte sie dann erstmals die "Omas gegen Rechts". Weil ihre Tochter einige von ihnen kannte, kam sie mit den Vertreterinnen der Initiative ins Gespräch.

"Omas gegen Rechts" wurde in Deutschland am 27. Januar 2018 auf Facebook gegründet, inspiriert von den Nachbarn in Österreich, die ihre entsprechende Seite schon seit November 2017 betreiben. Ihrem Grundsatz zufolge setzt sich das Bündnis für den Erhalt der parlamentarischen Demokratie in Deutschland in einem gemeinsamen Europa - und für die gleichen Rechte aller in Deutschland lebenden Frauen, Männer und Kinder ein. Und zwar unabhängig von ihrer Religion und ethnischer Zugehörigkeit.

Zurück in Ingolstadt, ging Lang, die auch in der Flüchtlingshilfe tätig ist, die Sache nicht mehr aus dem Kopf. "Das wäre doch auch etwas für uns", dachte sie sich. Sie erzählte es im Bekanntenkreis herum und motivierte jeden, der daran Interesse zeigte, zum Mitmachen. Am 5. Mai 2019 kamen schließlich 30 Menschen zusammen - zum Teil bereits politisch engagiert, zum Teil auch überhaupt nicht - und gründeten eine Ortsgruppe. Seither wird auch in Ingolstadt öffentlich unter dem Motto "Alt sein heißt nicht, stumm sein" demonstriert. Ob Protest gegen die am rechten Rand agierende so genannte Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt (ZFI) oder den Landesparteitag der AfD in Greding (Landkreis Roth) - die "Omas" sind mit ihren Bannern und Schildern dabei, buhen und pfeifen. Und sie organisieren Veranstaltungen, wie momentan die Ausstellung im Bürgerhaus "Demokratie stärken - Rechtsextremismus bekämpfen", die sie nach Ingolstadt geholt haben.

"Wir wollen uns gegen Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Faschismus positionieren. " Denn, so Lang, "auf dem Sofa sitzen reicht nicht". Dabei bestehe das Bündnis nicht allein aus Seniorinnen. "Bei uns dürfen alle mitmachen - auch Männer, Frauen ohne Kinder und Enkel und junge Frauen sind willkommen", betont die 57-Jährige, die stets ihren selbstgemachten Anstecker "Omas gegen Rechts" am Mantelrevers trägt. Für die Jüngeren gibt es übrigens den Button ,Oma schickt mich'.

Mittlerweile ist die Ingolstädter Gruppe auf 40 Mitglieder angewachsen. Ältere Frauen seien als öffentliche politische Kraft nicht im Bewusstsein der Menschen gespeichert, ihnen werde so etwas nicht zugetraut, meint Lang, die selbst bald zum dritten Mal Großmutter wird. "Dabei haben Omas noch so viel zu sagen! " Gerade vor der Kommunalwahl sei es besonders wichtig, öffentlich Flagge für demokratische Werte zu zeigen.

Wie die 57-Jährige festgestellt hat, werde heutzutage im Alltag sehr häufig und erschreckend offen über Menschen anderer Herkunft hergezogen - und oft würden auch falsche Behauptungen aufgestellt. "Das hätte man sich vor einigen Jahren noch nicht getraut", sagt sie. "Diejenigen berufen sich dann oft auf die Meinungsfreiheit. Aber für mich ist da eindeutig eine Grenze überschritten, wenn diese Aussagen einen anderen Menschen verletzen. Das ist nicht in Ordnung. " So kommt es durchaus mal vor, dass Lang sich an der Supermarktkasse umdreht und dagegenargumentiert wenn hinter ihr Leute gegen Flüchtlinge schimpfen.

In Bayern haben sich mittlerweile mehrere Gruppen von "Omas gegen Rechts" gebildet: neben Ingolstadt auch in München, Nürnberg, Dachau, Füssen, Aschaffenburg, Rosenheim, Ebensfeld und Würzburg. Nach Angaben von Sabine Mairiedl, Sprecherin einer Münchner Ortsgruppe, sind seit dem rechtsextremistischen Anschlag in Hanau vom 19. Februar noch zwei Ortsgruppen hinzugekommen - "und es werden täglich mehr Mitwirkende". Bundesweit gibt es der Internetseite von "Omas gegen Rechts" zufolge derzeit mehr als 60 Ortsgruppen.

DK