Anhänglich wie eine Klette

09.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:25 Uhr
Nora Stoll

Es gibt bei uns viele Kräuter und Pflanzen mit heilsamer oder wohltuender Wirkung. Um sie geht es in unserer Sommerserie. Von A bis Z.

 

N wie Nelkenwurz

Viele halten sie für eine Plage: die Nelkenwurz. Ihre kleinen Widerhaken bleiben überall hängen, ob an Kleidung oder Tierfell. Früher hätten sich jedoch viele Menschen darüber gefreut, wie schnell sich das Rosengewächs dadurch verbreitet.

Denn auch wenn die Pflanze nicht nach viel aussieht, verfügt sie doch über enorme Kräfte. Sie wurde schon früh als Heilpflanze gegen Zahnfleischentzündungen, Durchfall und Gicht eingesetzt. Auch die Augen sollte sie heilen können: Dazu sammelte man Wurzeln, plättete sie, indem man darauf schlug, und nähte sie getrocknet in ein Säckchen. Dieses musste acht Tage lang ununterbrochen um den Hals getragen werden, bevor man es in einen Bach oder Fluss warf - allerdings ohne sich dabei umzudrehen, denn dann wäre die ganze Arbeit umsonst gewesen.

Handelt es sich bei der Anwendung gegen Augenleiden um Aberglauben, so lässt sich die bei Zahnfleischentzündungen deutlich leichter erklären - denn wie Nelken enthält die Wurzel der Nelkenwurz Eugenol, einen Stoff, der in der Zahnheilkunde zur Desinfektion eingesetzt wird. Dieser Stoff ist auch der Grund, weshalb man mit den Wurzeln Speisen würzte und Getränke aromatisierte - zwar enthalten sie rund 100-mal weniger Eugenol als echte Nelken, doch das war den meisten immer noch genug Ähnlichkeit, um sie als Ersatz für die sündhaft teuren Nelken zu verwenden.

Die Wurzel ist aber nicht der einzige Bestandteil der Pflanze, den man in der Küche nutzen kann, weiß die Kräuterpädagogin Brigitte Zinsmeister aus Schönfeld (Kreis Eichstätt). Sie streut die gelben Blüten gerne als essbare Dekoration über Salate und Suppen.
In der Kosmetik kann man die Pflanze in Mitteln gegen fettige Haut und in Mundwasser und Zahncremes einsetzen. Wer all diese Anwendungen kennt, der versteht vielleicht, warum Hildegard von Bingen die Nelkenwurz als benedicta (gesegnet) bezeichnete - und freut sich in Zukunft darüber, dass diese Pflanze, die daher auch den Gattungsnamen urbanum (stadtbewohnend) trägt, so gerne in der Nähe von Menschen wächst.

DK

Nora Stoll