Ingolstadt
Klagen reißen nicht ab

Diesel-Skandal beschäftigt Gerichte - Fachanwalt kritisiert: "Softwareupdates nicht EU-konform"

17.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:25 Uhr
Was kommt raus im Diesel-Skandal? Viele Autokäufer lassen die Gerichte sprechen. −Foto: Foto: Fassbender/dpa

Ingolstadt (DK) Betrug am Kunden - seit Bekanntwerden des Diesel-Skandals sind viele Autokäufer in Deutschland stinksauer auf Audi, Seat, Skoda und VW. Immer mehr Betroffene gehen juristisch gegen Händler und Hersteller vor. Allein eine Kanzlei in München vertritt bereits mehrere Hundert Geschädigte.

Sammelklagen sind aber in Deutschland nicht möglich, anders als in den USA. Dort können Betroffene sich gemeinsam vertreten lassen, um Ansprüche einheitlich für alle in einem einzigen Verfahren gerichtlich zu regeln. Hierzulande muss jeder für sich gegen die großen Konzerne und ihre versierten Anwälte vorgehen. Mittlerweile haben sich jedoch einige Kanzleien auf "Dieselgate" spezialisiert und werben aktiv - im Internet oder Radio - um Mandanten. Die Aussichten auf Schadensersatz sind nicht schlecht, durch fundiertes Wissen der Rechtsvertreter und die Masse der Kläger baut sich großer Druck auf die Hersteller auf.

Einer dieser Spezialisten ist der Münchner Fachanwalt Wilhelm Lachmair. "Wir haben inzwischen schon mehr als 500 Klagen gegen Volkswagen eingereicht, bei Audi sind es mittlerweile mindestens 300 Fälle", sagt er. Vor einem Jahr hat der Jurist sich auf dieses Thema eingeschworen, über fehlende Resonanz kann er nicht klagen. Er selbst ist im Übrigen ebenfalls von der Diesel-Affäre betroffen, packt also nicht nur für seine Mandaten die juristische Keule aus. "Dabei werfen wir den Herstellern vor, Kunden vorsätzlich sittenwidrig geschädigt zu haben." Autos seien im Wissen verkauft worden, dass sie die EU-Abgas-Grenzwerte nicht einhalten und die Zulassungen über Manipulationen erschlichen worden. Eine Software sorgt bekanntlich dafür, dass Schadstoffgrenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten werden, während der Ausstoß im Fahralltag oft weit darüber liegt. "Audi gilt als Keimzelle dieser Manipulationsstrategie", sagt Lachmair.

Ein weiterer Skandal ist nach seinen Worten der Umstand, dass betroffene Autos selbst nach einem Softwareupdate nicht sauber sind. "VW hat in Schriftsätzen eingeräumt, dass die Abgas-Rückführung in einem Temperaturbereich unterhalb 15 Grad und oberhalb 33 Grad Celsius zurückgefahren werde, um Bauteile zu schützen. Solche Thermofenster sind mit EU-Recht nicht vereinbar. Trotzdem hat das Kraftfahrtbundesamt die Genehmigungen erteilt", kritisiert er.

In Deutschland sind, was den umstrittenen Vierzylindermotor vom Typ EA189 der betroffenen Marken angeht, bisher mehr als 2700 Kundenklagen erstinstanzlich entschieden worden. Die Klagen richteten sich meist gegen Händler - als direkte Partner der Autokäufer müssen sie ausbaden, was andere verbockt haben. Mit Kritik an Audi, VW & Co halten sie sich freilich zurück, schließlich will man es sich nicht verscherzen. "Die Hersteller unterstützen uns zwar, aber die Mehrarbeit bleibt an uns hängen. Und das dicke Ende kommt noch, wenn wir auf Diesel-Rückläufern im Leasing sitzenbleiben", klagt ein Betroffener.

Audi sieht sich derweil von den Gerichten mit der Strategie der Softwareupdates bestätigt. "In der überwiegenden Mehrzahl der Urteile wurde ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, Nachlieferung oder finanzielle Kompensation abgewiesen", sagt Unternehmenssprecher Jürgen de Graeve. "Die voll funktionsfähigen Fahrzeuge können uneingeschränkt genutzt werden. Ferner hat Volkswagen von den zuständigen Behörden alle nötigen behördlichen Genehmigungen zur Umrüstung der Diesel-Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA189 erhalten."

Nur sind diese Bescheide laut Einschätzung von Fachanwalt Lachmair nicht EU-konform. Ein Ende der Klagewelle sieht er daher noch lange nicht. "Jeder Betroffene hat, nachdem er von dem Mangel erfahren hat, drei Jahre lang Zeit, bevor seine Ansprüche verjähren."

Horst Richter