Abensberg
"Architektur muss Spaß machen"

12.06.2014 | Stand 02.12.2020, 22:35 Uhr

 

Abensberg (DK) Mitten im Haus steht eine Eiche – als Spindel der Stiege, die vom Erdgeschoss 38 Stufen nach oben führt. Per Zeitungsannonce hatte Leonhard Salleck sie gesucht. Und war etwa 150 Kilometer von Abensberg (Kreis Kelheim) entfernt fündig geworden. Nach dem Transport wurde sie von oben ins neue Kunsthaus „gepflanzt“ – bevor das Dach gedeckt werden konnte. „Ja, die Bäume“, sagt Peter Pelikan (72) und lacht. „Die Bäume waren schon eine Herausforderung.“ Aber in den Projekten des österreichischen Architekten wie in denen des ökologischen Künstler-Aktivisten Friedensreich Hundertwasser geht es eben viel um Natur. Das spiegelt sich nicht nur in den organischen Formen wider, sondern auch in der Vegetation, die in und um das Gebäude gedeiht. Und in den Materialien.

Ein zweiter Baum wächst gleich im Eingangsbereich. Der stammt aus Sallecks Garten und ist mit Gold überzogen. „Mein Vater hat den Nussbaum vor 50, 60 Jahren gepflanzt“, erzählt er. Ihm gefiel die Idee des spanischen Architekten Antoni Gaudí von einer Bauweise, die im Einklang mit der Natur steht – und so soll dieser goldene Baum die verschiedenen Etagen des Bauwerks wie seine Äste tragen.

Vier Jahre nach der Eröffnung des Hundertwasser-Turms in Abensberg wurde gestern das Kunsthaus eingeweiht, das dem Leben und Werk Friedensreich Hundertwassers gewidmet ist, vor allem aber auch die vielen Projekte dokumentiert, die gemeinsam mit dessen befreundetem Architekten Peter Pelikan entstanden. „Wir haben uns ideal ergänzt“, sagt dieser über ihre berufliche Beziehung. Anders als beim Turm, wo der im Jahr 2000 gestorbene Hundertwasser immer noch im Hintergrund wirkte – die Vorplanungen zogen sich acht Jahre hin –, ist das Kunsthaus „ein reines Pelikan-Haus“. Wenn auch anders als geplant.

Nach dem Erfolg des nicht unumstrittenen Hundertwasser-Turms, der pro Jahr rund eine halbe Million Besucher anzieht (die Hälfte davon aus Bayern), wollte Brauereibesitzer Salleck in der leer stehenden Villa seiner Urgroßeltern eine Hundertwasser-Ausstellung einrichten. Er gewann Architekt Pelikan für seine Pläne, einen bekennenden „Gegner der Glas-und-Stahl-Architektur“. „Ich habe es lieber rund und bunt und harmonisch und menschlich“, sagt er. „Architektur muss Spaß machen.“ Und: Es sollte sich in das bereits bestehende Ensemble – Turm und Brauerei – einfügen. Doch mehr und mehr entwickelte das Haus eine Eigendynamik. Hier wurde eine Wand abgerissen, dort eine Decke. Und als nach zwei Jahren fast alles fertig war, kam Bauherr Salleck auf die Idee, das Kellergewölbe mit einzubeziehen. „Also haben wir angefangen, noch mal zehn Meter in die Tiefe zu graben“, erinnert sich Pelikan. Wer die 41 Stufen in den Keller steigt, findet dort eine kleine Wohnung – gebaut aus alten Hölzern aus dem Waldviertel – und einen Kinosaal vor. Fotos künden von Hundertwassers Domizilen an den abgeschiedensten Orten der Welt: ein Bauernhaus in der Normandie, der Gärtnerschuppen einer venezianischen Villa, eine Farm in Neuseeland, ein Schiff.

Auf zwölf Ebenen befassen sich fünf Themenbereiche auf 280 Quadratmetern mit Leben und Werk des Künstlers. Zu sehen sind Pläne und Modelle der unterschiedlichsten Projekte von Hundertwasser und Pelikan: von einer Pumpstation im japanischen Osaka bis zum Hügelwälderland in Österreich. An den Wänden hängen Originalgrafiken. In Vitrinen ist die Brockhaus-Enzyklopädie zu bestaunen, die Hundertwasser 1988/89 entwarf, daneben Chips für das Casino Austria und Briefmarken. Und weil Hundertwasser ein Verfechter der Humustoilette und des Prinzips der Pflanzenkläranlage war, sind beide ebenfalls im Kunsthaus vertreten.

Als Referenz an Sallecks Familie blieben Teile der alten Fassade erhalten. Aber daneben findet man die typischen weichen, harmonischen Hundertwasser-Formen, bunte Fliesenmosaike, Wolkenbilder, Keramikbänder, die sich wie rote Adern über die Fassade ziehen, an ihr emporranken, in Gucklöcher wie Blütenkelche münden, und einen 19,5 Meter hohen Turm, dessen Rücken wie der eines Drachen geschuppt ist und der sich irgendwie nicht entscheiden kann, wohin er will.

Über Geld schweigt sich der Bauherr aus. Nur so viel: Die Kosten des Kunsthauses belaufen sich auf etwa 70 Prozent der Turmbausumme. „Schon weil dort Sicherheitsvorschriften und all diese Dinge zu Buche schlugen“, erklärt Salleck. „Krumm bauen kostet viel mehr Geld wie gerade – und dauert mindestens dreimal so lang.“

 

Das Kunsthaus Abensberg ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Infos unter www.kuchlbauers-bierwelt.de.