7000 Euro Schmerzensgeld für Polizisten

Münchner Verwaltungsgericht urteilt: Freistaat Bayern muss für den im Dienst verletzten 60-Jährigen zahlen

07.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:37 Uhr
Patrik Stäbler
Robert K. im Gerichtssaal in München. Vor seinem Ruhestand gehörte er der Bereitschaftspolizei Eichstätt an. −Foto: Stäbler

München/Rain - Die Lage an dem Baggersee in Genderkingen (Landkreis Donau-Ries) hatte sich eigentlich schon wieder beruhigt, damals im Juli 2017. Einige Jugendliche hatten dort randaliert und unter anderem auf einen Krankenwagen eingeschlagen, in dem einer ihrer Freunde behandelt wurde.

Doch eine angerückte Streife der Polizeiinspektion Rain bekam die Situation in den Griff - bis die zwei Beamten die Personalien aufnehmen wollten.

Denn da sei ein Jugendlicher "ausgeflippt", so formuliert es zweieinhalb Jahre später Dietmar Zwerger, Richter am Verwaltungsgericht München. Es sei zu einem "massiven Handgemenge" gekommen, bei dem ein Polizist zu Boden geworfen wurde. Bei dem Sturz zog sich Robert K. eine Verletzung der Wirbelsäule zu; sechs Wochen lang war er danach dienstunfähig. Anfang 2019 sprach das Landgericht Augsburg dem heute 60-Jährigen ein Schmerzensgeld in Höhe von 7000 Euro zu, das der mittellose Randalierer jedoch nicht bezahlen konnte. In solchen Fällen springt eigentlich der Freistaat ein, der sich hier aber weigerte - mit der Begründung, dass die Summe unverhältnismäßig hoch sei. Gegen diese Entscheidung hat Robert K. geklagt und nun vor dem Verwaltungsgericht München Recht bekommen.

Für das Land Bayern, das sich sonst stets seiner Unterstützung der Polizei rühmt, ist das Urteil eine krachende Niederlage. Er sehe "keinerlei Anhaltspunkte", wieso der Freistaat prüfen dürfe, ob die Höhe der Schmerzensgeldes angemessen sei, sagte Richter Zwerger in der mündlichen Verhandlung. Schließlich habe das Landgericht Augsburg dies ausdrücklich getan - "das ist also keine Summe, die aus der Luft gegriffen ist". Darüber hinaus hätten Verwaltungsgerichte in Würzburg und Ansbach in ähnlichen Fällen bereits geurteilt, dass der Freistaat nicht "hineingrätschen" und die Angemessenheit des Schmerzensgeldes überprüfen dürfe, so Zwerger.

Der 60-jährige Robert K. , der inzwischen im Ruhestand ist und davor der Bereitschaftspolizei in Eichstätt angehörte, zeigte sich nach dem Urteil zufrieden. Von einem Erfolg wollte er aber nicht sprechen, "wenn man bedenkt, dass ich seit fast drei Jahren gegen meinen eigenen Dienstherrn um berechtigte Ansprüche kämpfe". Zudem kann der Freistaat noch gegen die Entscheidung vorgehen und den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als nächsthöhere Instanz anrufen.

Hintergrund der Klage ist ein 2015 in Kraft getretenes Gesetz zur sogenannten Erfüllungsübernahme von Schmerzensgeldansprüchen. Bayern hatte damals als erstes Bundesland eine solche Regelung beschlossen; seither hätten alle anderen Länder und auch der Bund mit ähnlichen Gesetzen nachgezogen, sagte Richter Zwerger. Ihm zufolge hatte es in der Vergangenheit "nicht wenige" Fälle gegeben, in denen Polizeibeamte im Einsatz verletzt wurden und vor Gericht ein Schmerzensgeld zugesprochen bekamen - dieses aber nicht erhielten, da der Schädiger "einkommens- und vermögenslos" war, so Zwerger. "Auf gut Bairisch gesagt: Da hat der Beamte mit dem Ofenrohr ins Gebirge geschaut. "

In derlei Fällen sollte das neue Gesetz Abhilfe schaffen, sieht es doch vor, dass das Land einspringt und das Schmerzensgeld anstelle des Schädigers übernimmt. Bei Robert K. verweigerte dies der Freistaat jedoch, da aus seiner Sicht ein weit geringeres Schmerzensgeld angemessen sei - nämlich 400 bis knapp 1000 Euro, wie es in seinem Bescheid mitteilte. Dass jedoch nicht einmal diese Summe ausbezahlt wurde, sei "nicht nachvollziehbar", kritisierte Richter Zwerger, der abschließend anmerkte: "Jetzt kann der Freistaat Bayern entscheiden, ob er vor den Verwaltungsgerichtshof geht. "

DK

Patrik Stäbler