Ingolstadt
Die Vermessung des Freistaats

15.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:49 Uhr
Horst Seehofer 1980 mit dem CSU-Übervater Franz Josef Strauß. −Foto: Wolf

Der bayerischste aller Namen ist Sepp und die Donau ist der längste Fluss im Land – oder doch nicht? Ein Alphabet mit Zahlen, Fakten und Kuriositäten, die zeigen, was unsere Heimat ausmacht

Allmächtiger: Die Kirchen prägen auch heute noch beinahe jedes Dorf in Bayern. Allerdings schauen sich die meisten Menschen die Bauten inzwischen nur noch von außen statt von innen an. So ließen sich 2015 laut aktuellem Statistischen Jahrbuch für Bayern (SJB) des Statistischen Landesamts im Schnitt 824 000 der rund 6,8 Millionen Katholiken beim Sonntagsgottesdienst blicken. Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche zählte im gleichen Jahr insgesamt 1,3 Millionen Abendmahlteilnehmer.

Beckenbauer: Auch wenn der Ruf des Kaisers zuletzt mächtig gelitten hat, steht er immer noch sinnbildlich für die Erfolge des FC Bayern. Der ist mit 290 000 Mitgliedern der größte Verein der Welt. Insgesamt zählen die 11 977 Vereine im Landessportverband aktuell 4,5 Millionen Mitglieder – darunter auch Exoten wie 601 Schlittenhundesportler oder 2779 Einradfahrer.

CSU: „Bayern = CSU“ lautet die Formel, die die Partei gern selbst verwendet. Und auch wenn die Opposition sich über diese Anmaßung regelmäßig echauffiert, ist eben doch ein bisschen was dran. 60 Jahre ununterbrochene Regierungszeit und bislang neun Ministerpräsidenten in der Nachkriegszeit – darunter CSU-Übervater Franz Josef Strauß (Foto) – sprechen eine deutliche Sprache. Die SPD durfte mit Wilhelm Hoegner nur zwei kurze Intermezzos an der Regierungsspitze feiern. Bei dieser Dominanz kann sich die CSU sogar Machtkämpfe wie zuletzt erlauben, die bei anderen Parteien vermutlich zu negativen Wahlergebnissen führen würden.

Durchschnitt: 1,78 Meter groß, 83,7 Kilogramm schwer, ein Body-Mass-Index von 26,4 – so schaut er laut SJB aus, der männliche Durchschnittsbayer. Frauen sind im Schnitt 13 Zentimeter kleiner, wiegen 67,3 Kilogramm und haben einen BMI von 24,7. Ledige Bayern sind übrigens vier Zentimeter größer und 2,9 Kilogramm leichter als verheiratete.

Ehrlichkeit: Der Bayer gilt gemeinhin als manchmal schonungslos direkte, aber ehrliche Haut. Kein Wunder also, dass alleine bei der vergangenen Wiesn 4055 Teile von ehrlichen Findern abgegeben wurden, darunter Kuriositäten wie Gebisse oder Autokennzeichen. Gleichzeitig wurden allerdings 120 000 versuchte Maßkrug-Diebstähle verzeichnet – vielleicht ist es mit der Ehrlichkeit doch nicht so weit her. Vergleichsweise ruhig geht es im Fundamt Ingolstadt zu, wo jährlich etwa 2000 Fundsachen landen.

Fensterln: Das Fensterln, mit dem Burschen ihre Angebeteten von sich überzeugen wollen, wird kaum noch praktiziert – außer bei Wettkämpfen wie auf dem Foto. Vielleicht liegt es am Aussterben dieses Brauchs, dass 20,3 Prozent der Bayern 2015 allein lebten. 1999 waren es nur 15,8 Prozent. Offenbar können die Bayern aber auch ohne Fensterln noch Nachwuchs zeugen: Mit 1,45 Kindern pro Frau liegt der Freistaat über dem Bundesschnitt von 1,39. Ein Viertel der Kinder ist nicht-ehelich. Die gute Nachricht für Traditionalisten: Der Anteil der Scheidungen an den Ehelösungen ist seit 2000 von 36 auf 31 Prozent gesunken. Aber auch wer lange zusammen ist, ist nicht ganz sicher: Immerhin 15 Prozent der Scheidungen erfolgen nach mehr als 25 Ehejahren.

Gemütlichkeit: Wer im Sinne bayerischer Gemütlichkeit in einer Wirtschaft seinen Durst stillen will, der hat zwar laut SJB die Auswahl zwischen 31 423 Restaurants und Gaststätten. Seit 2006 ist aber rund ein Viertel weggefallen. Wie viele Biergärten es in Bayern gibt, ist nicht erfasst. Aber laut Verein zur Erhaltung der Biergartentradition ist „ein echter Biergarten nur einer, in den man sein Essen auch selbst mitbringen kann“. Der größte Biergarten ist der Hirschgarten in München mit 8000 Sitzplätzen.

Hinterdupfing: Der Ortsname Hinterdupfing wird oft abwertend für kleine Dörfer gebraucht. Dabei leben nur 22 Prozent der Bayern in Großstädten; in Niederbayern und Oberfranken gibt es nicht einmal eine Großstadt. Mehr als ein Viertel der Menschen wohnt dagegen in Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern. Wenn ein Dorfbewohner also nächstes Mal als Hinterdupfinger abgetan wird, sollte er den schimpfenden Großstädter an die ländliche Prägung des Freistaats erinnern.

Image: Der bayerische Tourismus feiert seit Jahren Besucherrekorde – 2017 mit 37,3 Millionen Gästen. Ein gutes Image hat Bayern offenbar in Holland, Österreich und den USA, von dort kamen die meisten Besucher. Eine Umfrage unter deutschen Touristen ergab, dass sie sich von Bayern vor allem schöne Landschaften, Wanderungen und regionale Küche erhoffen.

Josef/Joseph: Einen bayerischeren Namen als Josef oder Sepp gibt es wohl nicht. Der bayerische Papst, Kirchen und Krankenhäuser heißen so und die Josefspartei kämpft für die Wiedereinführung des Josefstags als Feiertag. Und dennoch ist der Name in den Hitlisten des Namensforschers Knud Bielefeld nicht zu finden. Laut dessen Portal beliebte-vornamen.de ist Josef in Südostbayern im Bundesvergleich noch am häufigsten zu finden, für die von Lukas und Maximilian angeführten vorderen Plätze reicht es aber auch im Freistaat nicht. In der deutschlandweiten Rangliste schaffte es Josef demnach vor 100 Jahren immerhin noch in die Top 40, inzwischen reicht es oft nicht mal mehr für die Top 200.

Krachlederne: Im Stadion wollen die Gegner den Bayern stets die Lederhosen ausziehen, aber die geben sie einfach nicht her – der Freistaat und sein berühmtestes Kleidungsstück gehören schließlich zusammen. Gepflegt wird die Tracht vor allem von den 161 000 Erwachsenen und mehr als 100 000 Kindern, die laut Max Bertl, Chef des Bayerischen Trachtenverbands, in den rund 800 Trachtenvereinen im Land aktiv sind. Obligatorisch sind Lederhosen inzwischen aber auch auf Volksfesten oder bei Traditionsveranstaltungen wie dem Viehscheid im Allgäu (Foto).

Löwe: Von Löwen-Sichtungen in freier Wildbahn ist zuletzt in Bayern nichts bekannt geworden. Und dennoch hat es die Raubkatze zum Symboltier des Landes gebracht – alleine im Staatswappen sind sechs Löwen zu sehen – und damit nur einer weniger als in den Zoos München, Nürnberg und Augsburg zusammen. Das Lieblingshaustier der Bayern sind nach einer Erhebung des Industrieverbands Heimtierbedarf mit 2,1 Millionen die kleineren Katzen vor den Hunden (1,3 Millionen). Außerdem leben in bayerischen Haushalten unter anderem auch rund 100 000 Reptilien.

Main: Die Donau fließt zwar nicht nur durch Ingolstadt, sondern einmal quer durch den ganzen Freistaat. Zum Titel „längster Fluss“ reicht es aber dennoch nicht. Mit 406 Kilometern Wasserlauf in Bayern übertrifft der Main die Donau um 26 Kilometer. Bei den Seen liegt der Chiemsee mit 77 Quadratkilometern vor dem Starnberger See.

Neuschwanstein: Nach einer Umfrage der Deutschen Zentrale für Tourismus ist Schloss Neuschwanstein das beliebteste Reiseziel im Freistaat. Jedes Jahr kommen mehr als 1,5 Millionen Gäste dorthin – und damit fast dreimal so viele wie nach Schloss Nymphenburg, das in der Hitliste der Bayerischen Schlösserverwaltung auf Rang zwei liegt.

Oide: Vier Spieler, 32 Karten, maximal 120 Punkte: Den Oiden (Eichel-Ober), die Oide (Eichel-Ass) und die Namen der anderen Schafkopf-Karten saugen viele Bayern schon mit der Muttermilch auf. Selbstverständlich kommt daher auch der Schafkopf-Weltmeister aus Bayern: der Eggenfeldener Herbert Gruber ist aktueller Titelträger.

Prost: Bayern ist Bierland: 626 Braustätten stehen laut SJB hier – fast jede zweite deutsche. Und die Bayern zahlen 23 Prozent der Biersteuer, obwohl sie nur 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Beim Wein hat der Freistaat dagegen nur fünf Prozent Ernteanteil in Deutschland.

Quasselstrippe: 72 Prozent der Bayern sagen, sie können Dialekt sprechen. Das seien deutlich mehr als in anderen Ländern, heißt es im Historischen Lexikon Bayerns. Obwohl es „Das Bairisch“ aufgrund der Sprachvielfalt eigentlich nicht gibt, wird es sehr geschätzt. In Umfragen wird Bairisch immer wieder zum beliebtesten oder attraktivsten Dialekt gewählt. So erklärten 24 Prozent der Befragten in einer Umfrage des Portals FriendScout24, der Dialekt sei sexy.

Rindviecher: Das Fleckvieh ist laut Statistikamt mit 2,4 Millionen Tieren immer noch der unangefochtene Chef in den bayerischen Ställen. 77 Prozent aller Rindviecher gehören demnach dieser Rasse an. Braunvieh und Holstein-Schwarzbunt folgen weit abgeschlagen. Gezählt wurden 2016 außerdem 3,3 Millionen Schweine und 267 000 Schafe.

Schwammerl: Wie viele Kilogramm Pilze in bayerischen Wäldern gefunden werden, ist statistisch nicht festgehalten. Schließlich darf dank dem sogenannten Schwammerlparagrafen – einer Besonderheit der Bayerischen Verfassung – jeder Mensch im Wald zum Schwammerlsuchen gehen. In der Landwirtschaft spielt der Anbau von Speisepilzen allerdings kaum eine Rolle. Es gibt nur so wenige Unternehmen, dass das Statistikamt aus Datenschutzgründen dazu keine Angaben macht.

Tanne: Bayern wäre nicht Bayern ohne seine vielen Wälder. 36,4 Prozent der gesamten Landesfläche sind mit Wald bedeckt, in der Oberpfalz sind es laut SJB sogar 42,5 Prozent. Dem aktuellen Waldbericht der Forstverwaltung zufolge ist die Fichte mit 41,8 Prozent Flächenanteil die häufigste Baumart im Freistaat. Bei den Laubbäumen liegt die Buche mit 13,9 Prozent vorne. Unter den jährlich rund vier Millionen verkauften Christbäumen ist allerdings nicht die Fichte, sondern mit einem Marktanteil von zwei Drittel die Nordmanntanne auf Platz eins.

Urzeit: Seit Januar ist es offiziell – das geologisch älteste gefundene Archaeopteryx-Fossil stammt aus Schamhaupten im Landkreis Eichstätt. Münchner Paläontologen bestätigten, dass der Urzeitvogel, der im Mai 2010 entdeckt worden war, das bislang älteste der elf gefundenen Exemplare ist. Der Archaeopteryx ist der älteste bekannte Vogel und lebte laut LMU vor rund 150 Millionen Jahren im heutigen Bayern – das damals aber noch eine subtropische Insellandschaft war.

Verkehr: 42 000 Kilometer überörtliche Straßen gibt es in Bayern. Und auf denen sind 9,4 Millionen Kraftfahrzeuge unterwegs – dreimal so viele wie 1970. Aber nicht alle Autos sind verkehrstüchtig: 2014 fiel jeder fünfte untersuchte Wagen durch den TÜV. In knapp 200 bayerischen Demontagebetrieben entstehen jährlich rund 100 000 Tonnen Müll aus Altfahrzeugen.

Weißwurst: Wo genau, der Weißwurstäquator liegt, da sind sich die Experten uneinig. Aber egal ob er nun an der Donau, am 49. Breitengrad oder zwischen Altbayern und Franken verläuft, eines ist sicher: Südlich davon ist die Weißwurst Grundnahrungsmittel und sollte gezuzelt werden. Wie viele Weißwürste hierzulande verzehrt werden, weiß allerdings weder der Fleischer- noch der Einzelhandelsverband. Laut Statistikamt wurden 2016 in Bayern rund 188 000 Tonnen Brühwürste hergestellt. Untrennbar mit der Weißwurst verbunden ist der süße Senf, um den es Diskussionen gibt, die Familien und Freunde entzweien wie sonst nur die Frage „Bayern oder Sechzig?“: das Duell Develey aus Unterhaching gegen Händlmaier aus Regensburg. Geht es nur nach dem Umsatz, sind die Hachinger weit vorne. Mit seinen Tochterunternehmen kommt Develey auf einen Umsatz von rund 400 Millionen Euro – ein Vielfaches von Händlmaier. Beim süßen Senf haben die Regensburger aber nach eigenen Angaben in Bayern mehr als 80 Prozent Marktanteil.

XXL: Bei den Einwohnern hat Nordrhein-Westfalen zwar mit 17,9 Millionen die Nase vor Bayern mit 12,8. Das größte Bundesland aber ist bei Weitem der Freistaat. Und der ist in den vergangenen Jahrzehnten sogar gewachsen. Durch Neuvermessungen und Gebietsaustausche mit Baden-Württemberg ist die Fläche seit 1970 von 70 546,92 auf 70 550,07 Quadratkilometer gestiegen. Größter Regierungsbezirk ist Oberbayern vor Niederbayern. Die längste Grenze hat Bayern mit 827 Kilometer zu Baden-Württemberg, gefolgt von der 818 Kilometer langen Verbindung zu Österreich.

Yuppies: In München sind Topverdiener und die Schickeria zweifellos auf dem Vormarsch. Denn die Stadt ist das teuerste Pflaster in Bayern. Laut dem Immobilienverband Deutschland sind dort nur noch zwei Prozent der Wohnungen unter 11 Euro pro Quadratmeter zu bekommen, in 70 Prozent der Fälle sind es sogar mindestens 15 Euro.

Zuagroaste: Bayerns Bevölkerung wächst – und das liegt vor allem an den Zugezogenen. Nach Angaben des Statistikamtes verlegten 2015 insgesamt 475 004 Menschen ihren Hauptwohnsitz ins Land, was ein Wanderungsplus von 163 960 bedeutete. Die meisten Zuagroasten kamen aus Rumänien und Baden-Württemberg. Rund 13 000 Einbürgerungen gab es im gleichen Jahr – die Hälfte der Neu-Bayern lebt schon seit mindestens 15 Jahren in Deutschland.