Berlin/München
Schleppendes „Sofortprogramm saubere Luft“

01.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:07 Uhr
Verkehr in Stuttgart: Das „Sofortprogramm saubere Luft“ des Bundes läuft nur schleppend an. −Foto: Marijan Murat

An diesem Montag wollen Bund und Kommunen beim dritten Dieselgipfel eine erste Bilanz des „Sofortprogramms saubere Luft“ ziehen. Doch von „sofort“ ist wenig zu spüren: Weder hat der Bund die Zuschüsse sofort gezahlt, noch ist die Luft sofort sauberer geworden.

Das vor einem Jahr auf eine Milliarde Euro erhöhte „Sofortprogramm saubere Luft“ des Bundes kommt nur langsam in die Gänge: Vor dem mittlerweile dritten Dieselgipfel am kommenden Montag ist erst ein Teil der Anträge bewilligt worden.

Viele Städte warten auf die erhofften Fördermillionen, wie eine Anfrage bei mehreren Großstädten und beteiligten Ministerien ergeben hat. Zudem sind Elektrobusse und E-Nutzfahrzeuge so begehrt, dass die Anmeldungen der Kommunen die dafür vorgesehenen 122 Millionen Euro weit überschreiten.

Der Deutsche Städtetag fordert daher eine Zusage des Bundes, die Zuschüsse über 2020 hinaus zu verlängern und mehr Geld bereit zu stellen. „Das Sofortprogramm muss, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, verstetigt werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Deutschen Presse-Agentur. „Es muss also Mittel geben über 2020 hinaus. Nur dann sind stärkere Effekte möglich, auch im Sinne nachhaltiger Mobilität.“

Zudem beklagen die Städte bürokratische Hindernisse. Sie mussten Masterpläne erstellen, um Anträge einreichen zu können. Für die verschiedenen Bestandteile des Programms sind eine Vielzahl unterschiedlicher Vorschriften zu beachten, mehrere Ministerien sind beteiligt.

„Elf Förderrichtlinien, notwendige Masterpläne und zu hohe Eigenanteile der Städte, vor allem bei der Digitalisierung, haben die Umsetzung des Sofortprogramms komplizierter als nötig gemacht“, kritisierte Dedy. „Für konkrete Maßnahmen in den Städten gab es erst seit Juni 2018 Förderbescheide.“ Inzwischen seien zahlreiche Initiativen angelaufen.

Laut Bundesverkehrsministerium ist das Programm „erfolgreich gestartet“, für Masterpläne, Elektromobilität und die Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme sind demnach bislang mehr als 350 Millionen Euro bewilligt worden. Das Umweltministerium ist zuständig für die Förderung von Elektrobussen.

Angelaufen bedeutet aber nicht umgesetzt. Beispiel München: Die bayerische Landeshauptstadt hat 34 Millionen Euro aus dem Sofortprogramm beantragt, dazu weitere vier Millionen aus anderen Fördertöpfen, wie Umweltreferentin Stephanie Jacobs sagte. „Wir haben Anträge zu nahezu allen Förderrichtlinien gestellt, weitere sind aktuell in Vorbereitung.“ Doch genehmigt sind von den beantragten 38 Millionen Euro bislang nur vier Millionen Euro, für die Anschaffung elektrischer Busse und sonstiger Fahrzeuge sowie die „Verbesserung der Verkehrsdatensituation“.

München ist kein Einzelfall: In Essen lag bis zum Donnerstag nach Angaben der Stadtverwaltung noch keine Bewilligung für Maßnahmen des Sofortprogramms vor. Die Leipziger Stadtverwaltung hat rund 15,4 Millionen Euro beantragt. „Erhalten hat sie davon lediglich Zuwendungsbescheide für Fördermittel in Höhe von rund einer Million Euro“, sagte ein Sprecher. Hannover hat 9 Millionen Euro beantragt, bewilligt sind bislang knapp 2,9 Millionen Euro.

Mehr Glück hatte Hamburg: Hochbahn und Verkehrsbetriebe VHH haben allein für Elektrobusse 25 Millionen Euro Zuschuss bekommen.

Die Förderung für die E-Busse ist besonders begehrt, denn die sind besonders teuer. Laut Städtetags-Hauptgeschäftsführer Dedy haben die Kommunen dreimal soviel Gelder beantragt wie dafür vorgesehen. Das Umweltministerium nennt keine Zahl, bestätigte aber, dass es „wesentlich mehr Anträge“ gebe als derzeit bewilligt werden könnten.

Die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG bestellte kürzlich ihre ersten sechs E-Busse, Kostenpunkt 3,9 Millionen Euro. Ein E-Bus ist mit einem Preis zwischen 650 000 und 700 000 Euro in etwa doppelt so teuer wie ein herkömmlicher Dieselbus. Wollten die Münchner sämtliche ihrer 500 Diesel- gegen E-Busse eintauschen, würde das die Isar-Metropole somit geschätzt zwischen 325 und 350 Millionen Euro kosten.

Inzwischen gibt es auch den ersten Serien-Elektrobus aus deutscher Produktion, ansonsten würden die Fördermittel komplett ausländischen Herstellern zugute kommen. Daimler stellte im September seinen eCitaro vor, nach Unternehmensangaben gingen bislang 50 Bestellungen ein. MAN arbeitet zwar ebenfalls an einem elektrischen Bus, aber der ist noch nicht auf dem Markt.

Die Städte jedenfalls betonen, dass sie das Abgas-Problem nicht im Alleingang lösen können, Förderprogramm hin oder her. „Die Maßnahmen aus dem Sofortprogramm "Saubere Luft" helfen den Städten und werden natürlich eine gewisse Wirkung haben“, sagte Dedy.

„Aber sie sind mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden und reichen nicht, um die Grenzwerte für Stickoxid überall rasch einhalten zu können.“ Entscheidend ist aus städtischer Sicht die Abgasreduzierung bei privaten Dieselautos: „Die Schadstoffbelastung kann vor allem dann deutlich sinken, wenn mehr an den Diesel-Pkw getan wird, die in den Städten bis zu drei Viertel der Stickoxide verursachen“, sagte Dedy.

Kanzlerin Merkel am 28.11.2017 in der Bundespressekonferenz zum Dieselgipfel

Informationen des Bundesverkehrsministeriums zum Sofortprogramm