Setzt die DB Netz auf Verzögerungstaktik?

Zu "Bürgerinitiative fordert hohe Bahnsteige" (SZ vom 30. August):

31.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:46 Uhr
Es geht immer noch geradeaus durch auf der Bahnlinie bei Niederarnbach. Das soll so eigentlich nicht bleiben. −Foto: Petry

Nachdem nun der - bisher leider nur geplante - Bahnhaltepunkt schon aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wurde, möchte ich den Artikel vom 30. August zum Anlass nehmen, anstatt der Sichtweise der Politik oder einer Bürgerinitiative aus München, den Blick auf die eigentlichen Leidtragenden der unseligen Diskussion, die Fahrgäste, zu lenken: Als langjähriger Pendler, derzeit noch zwangsweise zwischen Schrobenhausen und Augsburg, zukünftig gerne zwischen Brunnen und Augsburg ist mir die Bahnsteighöhe des neuen Bahnhalts in Brunnen in erster Linie völlig gleichgültig. Nach langen Jahren mit vielen Ankündigungen und noch mehr Verschiebungen ist es einfach Zeit den Worten Taten folgen zu lassen und den Haltepunkt Brunnen endlich umzusetzen. Sieht man sich den Zuwachs der Fahrgäste innerhalb des letzten Jahrzehnts an und besonders die Zunahme parkender Autos in Bahnhofsnähe von Schrobenhausen, kann man erahnen, für wie viele Pendler nach Augsburg ein Haltepunkt in Brunnen eine Entlastung wäre. Hinzukommen würden Pendler nach Ingolstadt, die derzeit noch komplett auf das Auto angewiesen sind, beziehungsweise Kinder und Jugendliche, die momentan noch auf die Fahrdienste ihrer Eltern angewiesen sind. Auch bei den meisten dieser zukünftigen Fahrgäste würde ich darauf tippen, dass ihnen die Bahnsteighöhe des Haltepunktes vollkommen egal sein würde. Noch unverständlicher wird die Geschichte, wenn man bedenkt, dass seit 2009 ein Bahnsteig mit einer Höhe von 55 Zentimeter geplant wurde, und dann in diesem Jahr von der DB-Netz wie aus heiterem Himmel der Schwenk auf eine Bahnsteighöhe von 76 Zentimeter erfolgte. Pläne, Bauleitplanung und vor allem der Zeitplan stimmen damit nicht mehr und betrachtet man die Zeitverzögerung bei der bisherigen Planung bleibt hier vor allem ein Schluss: Die DB Netz setzt hier auf eine Verzögerungstaktik um den Bau möglichst lange hinauszögern zu können.

Natürlich verstehe ich andererseits sehr gut, dass der Bau eines Haltepunktes nach gewissen Regeln erfolgen muss. Dennoch sollte natürlich sehr kritisch hinterfragt werden inwieweit diese Regeln wirklich sinnvoll sind. Nach den Regeln der Deutschen Bahn bedeutet dies, dass alle neu zu errichtenden Bahnsteige eine Höhe von 76 Zentimeter erhalten sollen. Bei genauerer Betrachtung diverser Veröffentlichungen kommt man zu dem Schluss, dass diese Höhe mehr oder minder willkürlich ist: Der Großteil der deutschen Bahnsteige hat eine Höhe von 55 Zentimeter oder sogar noch weniger, ein anderer Teil ist mit 96 Zentimeter sogar höher. Andere an Deutschland angrenzende Staaten haben auf Bahnsteighöhen von 55 Zentimeter gesetzt. Viele Züge besitzen eine Einstiegshöhe von 55 Zentimeter, unter anderem auch die derzeit auf der Paartalbahn verkehrenden Triebwagen oder Doppelstockwaggons, ICE Waggons dagegen haben eine Einstiegshöhe von 104 Zentimeter. Umso erstaunter war ich über die Forderung von Herrn Marxmüller, den Haltepunkt unbedingt mit einer Höhe von 76 Zentimeter auszuführen. Leider hat Herr Marxmüller bei seinen Forderungen einige wesentliche Tatsachen unterschlagen: Ein zweigleisiger Ausbau der Strecke ist kaum möglich, bei richtiger Ausnutzung der Gleiskapazität auch nicht zwingendermaßen erforderlich, eine Elektrifizierung der Strecke ist quasi ausgeschlossen, wenn man den Rückstand bei der Elektrifizierung wesentlich wichtigerer Strecken betrachtet, wie auch er schreibt, wäre ein Umbau aller Bahnsteige auf der Strecke Schrobenhausen, Radersdorf, Aichach, Obergrießbach, Dasing und Friedberg auf 76 Zentimeter nötig, was neben der Erhöhung der Bahnsteige jeweils einen Komplettumbau des Bahnhofsumfelds sowie den Einbau von Unterführungen beziehungsweise Überführungen erfordern würde, die zudem barrierefrei, das heißt mit Aufzügen, ausgestattet werden müssten. Auch wenn die Strecke von vielen Pendlern genutzt wird, eine derartige Wichtigkeit besitzt sie nicht und wird sie niemals erlangen. Fahrgastverbände wie proBahn, Behindertenvertretungen wie der VdK und sogar die Politik - die Verkehrsminister der Länder vertraten bei der Verkehrsministerkonferenz im April 2018 in Nürnberg diese Meinung - fordern grundsätzlich für ganz Deutschland eine Bahnsteighöhe von 55 Zentimeter weiterhin zu ermöglichen. Im Übrigen wird selbst der neue ICE 2 eine Einstiegshöhe von 55 Zentimeter besitzen. Und selbst wenn in Brunnen ein Bahnsteig mit 55 Zentimeter gebaut wird, könnte man für die Zukunft gewappnet sein, denn schon lange sind Bahnsteigsysteme auf dem Markt, bei denen eine spätere Erhöhung vorgesehen und problemlos möglich ist.

Warum nun Herr Marxmüller mit seiner Bürgerinitiative mit Sitz in München 76 Zentimeter hohe Bahnsteige in Brunnen haben möchte? Ich bin mir sicher, dass er unser Dorf nicht kennt und niemals hier aus- oder einsteigen wird, er wird auch die Paartalbahn an sich zukünftig nicht allzu oft nutzen. Allerdings gäbe es sicher viele andere Zugfahrer, denen die Höhe des Bahnsteigs ebenso wie mir egal ist, wenn der Zug nur endlich hier halten würde. Vielleicht sollte eine Bürgerinitiative auch zunächst einmal die Meinung der Bürger einholen und sich danach auch um die Interessen von Bürgern kümmern, bevor man hohe und unerfüllbare Forderungen in den Raum stellt.

Andreas Hörner,

Brunnen