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Spargelanstich im Hygienekorsett

Die große Show vom Münchner Viktualienmarkt heuer im Kleinformat vor dem Schrobenhausener Pflegschloss

14.04.2021 | Stand 23.09.2023, 17:58 Uhr
So sieht er aus, der erste Spargel, den Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und Spargelkönigin Juliane Wenger stachen. −Foto: Spindler

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) kam zum Spargelanstich in die Heimat des Edelgemüses - und durfte dann freilich auch selbst das Messer ansetzen. Ein Spargelanstich zwischen Hygieneregeln, handverlesenen Zuschauern und einem Journalistenaufgebot, das beinahe schon Großstadtflair ins beschauliche Städtchen brachte.

Schrobenhausen - Es wächst Spargel im Schrobenhausener Land. So viel ist klar. Darauf ist man in der Region mächtig stolz. Dass er selbst vor dem Pflegschloss mitten in der Altstadt sprießt, das dürfte aber auch dem einen oder anderen Spargelkenner neu sein. Dennoch: Eben dort hat Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger heuer den Spargelanstich zelebriert - mit einer Engelsgeduld und viel guter Laune.

Normalerweise findet der Spargelanstich in München statt, auf dem Viktualienmarkt. Doch heuer ist alles anders - und die schwarze Minister-Limousine fährt vor dem Schloss im Heimatstädtchen des Edelgemüses vor. Die Meute wartet schon - nein, nicht Landrat, Bürgermeister und Spargelkönigin, die den Niederbayern mit schwungvollem Corona-Ellenbogencheck begrüßen. Also die auch. Aber die Mehrheit der Menschen trägt an diesem Vormittag Kamera, Mikro oder doch zumindest einen Fotoapparat. Außerdem haben sie alle nach der Anmeldung das Corona-Hygieneblatt ausgefüllt und abgegeben und dafür ihren Hygienebeutel in Empfang genommen. Mit Tempos, Desinfektionstüchern, Maske und Einweghandschuhen. Über 30 davon hat Evelyn Plöckl vom Spargelerzeugerverband Südbayern vorab gepackt. Das Rundum-sorglos-Paket gewissermaßen - falls jemand etwas vergessen haben sollte.

Doch zurück zum Wirtschaftsminister. Schrobenhausen empfängt Hubert Aiwanger unter strahlend blauem Himmel - fehlt nur die Blasmusik, die man sich eigentlich zu so einem Anlass vorgestellt hätte. Und eventuell ein Weißwurstfrühstück oder doch zumindest Brezen und Freibier. Gibt es freilich heuer alles nicht - dafür aber eben diesen absolut bayerischen Himmel. "Wir haben extra Sonne bestellt", freut sich Claudia Westner, Vorsitzende des Spargelerzeugerverbands Südbayern, dass der Draht nach oben wirklich so gut funktioniert hat. Kaum ist der Minister wieder weg, beginnt es übrigens zu schneien.

"Wunderbar, schauen wir doch rein!" Aiwanger übernimmt die Führung durchs Tor auf den Vorplatz des Pflegschlosses - und er freut sich in seiner Begrüßung über die gut 70 Landwirte der Gegend, die auf 650 Hektar Feldern rund 100000 Tonnen Spargel täglich ernten. Ein regionales Produkt, das Arbeitsplätze in der Region sichert und dabei auch noch gesund sei. Doch zugleich findet der Wirtschaftsminister klare Worte zu einem Bereich, der untrennbar mit der Spargelsaison, die ja bis Ende Juni geht, verbunden ist: die Gastronomie. "Wir hoffen, dass die Berliner Politik bis dahin endlich vernünftig genug wird, wieder die Gastronomie zu öffnen. Wir sind ja gerade dabei, immens mehr Kompetenzen aus der Hand zu geben und ich sehe das als großen Fehler, dass wir am Ende in Bayern nicht mal mehr alleine bestimmen dürfen, wann die Wirtshäuser öffnen. Ich hoffe, dass die Gastronomie jetzt wirklich bald eine Perspektive hat, aber die Signale aus Berlin sind alles andere als hoffnungsvoll."

Zu Berlin, da hat die Reporterschar, die den Wirtschaftsminister umringt, freilich noch eine Frage. Die K-Frage. Und man kommt sich tatsächlich ein wenig vor wie in Berlin zwischen den Kameras und Mikros - das alles im friedlichen Städtchen. Die Frage nach dem Kanzlerkandidaten also. Wer wird es denn nun von den beiden? Laschet oder Söder? "Vielleicht werfen sie am Ende eine Münze", mutmaßt Aiwanger. "Ich würde keine Wetten abschließen, das Rennen ist ziemlich offen." Und was wäre ihm lieber, wenn der Franke über ihm in München bleibt oder geht? Der bayerische Vize-Ministerpräsident lacht herzlich. "Ich kann mit beiden Konstellationen leben."

Und zurück zum Spargel. Der da auf einem Wagen vor dem Pflegschloss noch immer auf den Anstich wartet. Spargelkönigin Juliane Wenger nimmt den Wirtschaftsminister an der Hand - aus bekannten Hygieneschutzgründen freilich nicht wortwörtlich - und führt ihn in die hohe Kunst des Spargelstechens ein. Der Bifang erwächst auf den Holzbrettern. Jene, die für die nächsten 20 Minuten, die Welt bedeuten. Denn ein Theaterspiel ist es, zweifelsohne.

Spargelkönigin und Wirtschaftsminister tasten ein wenig mit den Fingern im aufgeschütteten und geglätteten Sand. Legen das Köpfchen des regionalen Spitzenprodukts frei, stechen das Messer tief in den Bifang und schneiden das Gemüse unten ab. Aiwanger hält den Spargel nach oben, die Trophäe dieses Corona-Frühlings, und ruft laut: "So, da hamman!" Applaus aus den Reihen der handverlesenen Zuschauer.

Stellungswechsel bei den Journalisten. Die nächsten dürfen nach vorne, es gibt ja zum Glück noch genug Spargel im Bifang. Scheint ein guter Standort zu sein, direkt vor dem Pflegschloss. Vielleicht ist es die Nähe zum Europäischen Spargelmuseum, die das Gemüse besonders antreibt. Aiwanger glättet gerade noch den Sand, das erste Loch ist wieder verschwunden. Dann noch einmal: Der erste Spargel wird gestochen. Applaus!

Bei der Organisation des Spargelanstichs haben dem Spargelerzeugerverband heuer Stadt und Landkreis geholfen. "Es war die richtige Entscheidung", ist Bürgermeister Harald Reisner (FW), überzeugt. Gar nichts zu machen, wäre aus seiner Sicht falsch gewesen. Er hält es da mit Sympathieträger Aiwanger, der den Spargelauftakt auch dazu nutzt, auf Qualität und Frische vor Ort hinzuweisen und darauf, eben jetzt den heimischen Spargel zu kaufen statt der Erdbeeren aus Südafrika. "Ich weiß die Arbeit derer zu schätzen, die bereit sind, für uns viele Stunden auf dem Feld zu stehen." Sein liebstes Spargelgericht ist übrigens der Klassiker mit Sauce Hollandaise, Schinken und Kartoffeln. Eine Vorliebe, die er mit Landrat Peter von der Grün (FW) teilt. Der ist als Waidhofener freilich mit dem Edelgemüse großgeworden. Er erinnert sich aber auch noch an einen besonderen Tag für ihn, der mit Spargel zusammenhängt - genauer gesagt mit der Eröffnung des Spargelmuseums. Damals hatte er nämlich als 13-jähriger Musikant beim Festakt mitgespielt und war zum ersten Mal live im Radio zu hören.

Auf dem Spargelwagen wird immer noch gestochen. So viel, dass die Stangen nun nach jedem Jubel über den ersten Spargel wieder im Sandreich versenkt werden müssen. Kein Problem für den Wirtschaftsminister. "Noch einmal fürs Video", bittet eine Journalistin. Aiwanger sticht und lacht und freut sich des Lebens. Zumindest ist es der Eindruck, den der Sympathieträger aus Niederbayern vermittelt. "Da schaut ja noch einer raus!" Es ist ein amüsantes Spiel, das alle Beteiligten mit der nötigen Mischung aus Ernsthaftigkeit, Humor und einem ganz klaren Augenzwinkern betreiben. Zwischendurch hatten die Besucher ihren Einsatz allerdings kurzzeitig vergessen: Ab dem siebten ersten Spargel in etwa wurde nicht mehr applaudiert. Doch beim letzten ersten Spargel, den Aiwanger inzwischen wie ein Profi sticht, gibt es wieder Applaus. Und damit ist er auch heuer ganz offiziell angestochen, der Schrobenhausener Spargel.

SZ

Isabel Ammer